E-Commerce Food im Netz und offline

Endlich: Der Food-Verkauf im Internet funktioniert. Trotzdem streben viele Start-ups zusätzlich in den stationären Handel. Der Offline-Kanal ist allerdings nicht für jeden geeignet.

Montag, 07. November 2016, 23:45 Uhr
Silke Bohrenfeld
Artikelbild Food im Netz und offline
19 Prozent Umsatzwachstum erzielte der Onlinehandel mit Food 2015.
Bildquelle: Viktor Strasse/Marienpark Berlin, IFH

Ihre Erfolgsgeschichte begann vor fast zehn Jahren. Als Max Wittrock, Hubertus Bessau und Philipp Kraiss die geniale Idee hatten, Müsli zum Selbermischen im Internet zu verkaufen, studierten die Drei noch. Sie sprachen aber bei jeder Gelegenheit mit Kommilitonen und Freunden über ihren Traum, Bio-Müsli mit den unterschiedlichsten Ingredienzien und nach Kundenwünschen über einen Online-Shop zu verkaufen, wie sich eine ehemalige Studienfreundin erinnert. 100 Prozent bio sollten die Müslis sein, mit möglichst vielen regionalen Zutaten, ohne zugesetzte künstliche Aromen und Zusatzstoffe, wenig Zucker – und natürlich individuell zusammenstellbar.

Richtig los ging es mit Mymuesli dann im April 2007. Damals verpackten die Junggründer ihre „Bio-Müslis zum Selbermischen“ noch selbst, in einer kleinen Butze in der Passauer Altstadt. Heute mischen die Drei den Markt für Frühstücksprodukte auf. Und neben Müslis in verschiedensten Varianten wie laktose- oder glutenfrei, mit Chia-Samen oder exotischen Früchten haben sie ganz nebenbei drei neue Projekte gestartet: Kunden können auch Saftorangen von Oh!Saft, Single-Finca-Kaffee von Green-Cup-Tea und Tree of Tea bestellen. Auch umgezogen ist das Trio mittlerweile mehrmals. Da die Räumlichkeiten bei dem wachsenden Ansturm an Bestellungen immer wieder aus allen Nähten platzten, wurde eine Manufaktur in Passau angemietet, in der an sechs Tagen pro Woche gemixt wird. Dabei hilft eine Müsli-Maschine, die 566 Billiarden verschiedene Müsli-Varianten zusammenmixen kann. Zusammengefasst: Max Wittrock, Hubertus Besssau und Philipp Kraiss sind heute Gesellschafter eines florierenden Unternehmens mit mehr als 340 Mitarbeitern. Und sie sind nicht mehr nur Onliner. Neben eigenen Filialen – allein 2015 öffneten gleich 20 neue Mymuesli-Läden u. a. in Aachen, Bayreuth, Bonn, Dortmund, Essen, Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover, Heidelberg, Kaiserslautern, Kiel, Mainz, Münster, Würzburg, Linz, Salzburg, Wien und dem schweizerischen Bern – können sich Müslifreunde deutschlandweit auch in fast allen Supermärkten versorgen.

Mymuesli hat den Sprung in den stationären Lebensmittel-Einzelhandel gewagt. Ein Schritt, den mittlerweile viele Online-Unternehmen gehen, die in Sachen Food unterwegs sind. Doch so naturgegeben, wie sich das bei Mymuesli anfühlt, ist dieser Weg nicht immer. Nicht jedes Online-Unternehmen ist prädestiniert, um mit seinen Produkten im stationären Einzelhandel Mehrumsatz zu generieren. Es braucht ein gewisses Standing, Markenstärke und Bekanntheit bei den Kunden, um auch offline bestehen zu können. „Wir hatten mit unserem Gourmetfleisch im Internet bereits eine hohe Aufmerksamkeit und als Marke einen starken Vertrauensvorsprung, als uns der Handel ansprach“, erinnert sich Wolfgang Otto, einer der Gründer von Otto Gourmet. Immerhin gibt es das Unternehmen aus dem nordrhein-westfälischen Heinsberg, das sich als erster Online-Fleisch-Versender den Verkauf von Fleisch in hoher Qualität über das Internet traute, seit 2005. Neben Rindfleisch-Steaks vom US Black Angus oder Irish Hereford Prime verkauft Otto Gourmet auch besondere Spezialitäten wie Steaks vom Kobe Rind oder Chianina Rind, aber auch Schweinefleisch, Lamm und Geflügel aus Frankreich. Kein einfaches Geschäft, gilt es doch die hohe Fleischqualität über den Versand bis zum Kunden zu halten. „Innerhalb der vergangenen mehr als zehn Jahre haben wir uns dieses Vertrauen der Kunden erarbeitet“, sagt Otto. Im stationären Handel möchten die Gründer nun die Kunden gewinnen, die sie online nicht erreichen können: „Das sind diejenigen, die das visuelle, haptische Erlebnis suchen, den der Einkauf von Fleisch hat“ – nach Einschätzung von Wolfgang Otto sind dies etwa 90 Prozent der Kunden. Für ihn ist der stationäre Handel also die ideale Ergänzung zum Online-Geschäft. Deshalb erwartet er einen enormen Zusatzumsatz im Handel, auch wenn in der Theke von den insgesamt 1.600 verschiedenen Zuschnitten, die im Online-Shop abgebildet werden können, nur ein kleiner Teil liegt. Denn: Hier wird der K unde direkt erreicht, er kann sein Fleisch mit nach Hause nehmen, ohne Bestellung oder Wartezeiten. Allerdings weiß Otto auch, dass sich die speziellen und hochwertigen Nischenprodukte vor allem im konventionellen Lebensmittel-Einzelhandel erst etablieren müssen. „Die Kunden, aber auch das Fachpersonal müssen an unsere Produkt herangeführt werden. Vor allem dem Verkaufspersonal muss die Hemmschwelle genommen werden, den Kunden das hochpreisiges Fleisch anzubieten.“ Es braucht Fachkenntnisse und Verkaufsargumente, um die Wertigkeit des Fleisches und damit den Preis zu erklären. „Deshalb beteiligen wir uns an der Weiterbildung des Thekenpersonals im Handel.“ Und: Es funktioniert. Mittlerweile ist Otto Gourmet deutschlandweit in 60 Geschäften vertreten, davon 40 des Lebensmittel-Einzelhandels und 20 Individualisten.

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Bild öffnen 19 Prozent Umsatzwachstum erzielte der Onlinehandel mit Food 2015.
Bild öffnen Ideengeber von Mymuesli (v. l.): Philipp Krais, Max Wittrock, Hubertus Bessau.
Bild öffnen Mit Gemüsechips in den LEH (v. l.): Philipp Prechtner, Jonas Bieber, Karolina Brychcy, Zubin Farahani von Dörrwerk.