Bauer-Verlag Bauer sägt im Blätterwald

Der Bauer-Verlag hat im LEH zur Marketingoffensive geblasen und stößt damit nicht nur auf Gegenliebe. Die Branche fürchtet zu viel Eigeninteresse.

Montag, 06. Dezember 2010 - Management
Artikelbild Bauer sägt im Blätterwald
Bildquelle: Carsten Hoppen

Die Presse-Grossisten sind für die Kölner Rewe Group „Dienstleister der Verlage mit Funktionen wie Rechnungslegung oder Logistik", wie ein Sprecher gegenüber der LEBENSMITTEL PRAXIS erklärt. Presse-Erzeugnisse sind wichtige Frequenzbringer, die im Vollsortiment zwischen 2 bis 4 Prozent des Umsatzes bringen können. Doch es scheint, die Beziehungen zwischen Dienstleister und zumindest einem Verlag haben Kratzer bekommen.

Der Bauer-Verlag hatte mit einer PoS-Studie erneut für Wirbel in der Verlags-Branche gesorgt, weniger mit den Ergebnissen als vielmehr mit dem eigenen Vorgehen. „Während Supermärkte/LEH, Großformen des Einzelhandels und Discounter zusammen hierzulande 20 Prozent der ca. 123.000 Presseverkaufsstellen ausmachen, generiert Bauer in diesen Marktformen 45 Prozent der inländischen Vertriebserlösen", heißt es in einem Pressetext zur Auftragsstudie des Marktforschungsinstitut G.V.K. und einem Markttest in Kooperation mit dem Grossisten PV Schwarz. Die Marktforscher kommen zu dem Ergebnis, dass der Gesamtumsatz des Pressesortiments im Lebensmittel-Einzelhandel (LEH) durch die „optimale Präsentation der 'Top-Seller' (Vollsichtplazierung) deutlich gesteigert werden kann".

National hochgerechnet seien 10 Mio. Euro Umsatzsteigerungen drin. Heribert Bertram, Geschäftsleiter Bauer Vertriebs KG, kommt zu einem logischen Schluss: „Unser Ziel ist, den gesamten Zeitschriftenumsatz gemeinsam mit dem LEH durch Information sowie neue Regalstrukturen und -systeme zu steigern. Um dieses Ziel zu erreichen, werden wir unseren Außendienst personell ausbauen und den Bedürfnissen der Käufer nach mehr Übersichtlichkeit nachkommen." Die Vermarktungsoffensive läuft mit Anzeigen unter dem Werbeslogan „Leiden Sie auch unter Regalverstopfung?", auf denen ein Pümpel abgebildet ist.

Der Edekaner Volker Bergmann hat an dem Test teilgenommen. Er bestätigt, dass wie etwa bei Süßwaren (Ferrero) auch im Presse-Sortiment „Ankermarken" für Übersicht und bessere Abverkäufe sorgen können. „Bauer hat aber durchaus auch eigene Interessen vertreten", urteilt der Edeka-Kaufmann gleichzeitig.

Mit seinem Vorstoß trifft der Verlag nicht nur auf Gegenliebe. Der Verband der Presse-Grossisten fürchtet, Bauer habe nur seine eigenen Interessen im Sinn. „Der Bauer-Verlag will seine eigenen Objekte pushen. Seine Studie basiert auf lediglich zehn Testhändlern. Wir wissen anhand von regelmäßigen und repräsentativen Kundenbefragungen, dass der Einzelhandel mit der Arbeit der Vollsortimentsgrossisten überwiegend sehr zufrieden ist", moniert Kai-C. Albrecht, Geschäftsführer des Presse-Grosso Bundesverbandes. Die Presse-Grossisten beliefern laut Einzelhandelsstrukturanalyse bundesweit 45.000 filialisierte Händler, davon 12.000 Supermärkte und Lebensmittelhändler. „Verlage verfolgen naturgemäß produktspezifische und damit gegenläufige Interessen am PoS." Die Bauer-Kampagne im LEH tangiere auch die Objekte der übrigen Verlage. Schon die Vorgänger-Kampagne des Verlages (Top 100), mit der Bauer seine 25 größten Titel promoten wollte, hatte Gruner + Jahr per Einstweiliger Verfügung im Frühjahr stoppen lassen. Albrecht hofft, dass der Fall auf Verbandsebene geregelt werde: „Presse ist keine Ware wie jede andere und darf daher nicht den Marktmechanismen von anderen Markenartikeln anheim fallen."


Dr. Stefan Henrichsmeier ist Geschäftsführerender Gesellschafter des Marktforschungs- und Beratungsunternehmens Team Steffenhagen, das auch für die Grossisten tätig ist. Er hält vor allem das Auftreten von Bauer für problematisch: „Das Presse-Grosso ist verantwortlich für das gesamte Pressesortiment. Nicht zu Unrecht wird auf die Pufferfunktion des Presse-Grosso verwiesen, die eine Dominanz einzelner Verlage und Titel verhindern soll. Man mag sich die Folgen für die Einzelhändler und die Pressevielfalt ausmalen, wenn alle Verlage solche Alleingänge machen würden." Im Sinne der gesamten Branche wäre es zielführender, wenn Verlage und Grossisten beim Thema gemeinsam an einem Strang ziehen würden.

Missmut zieht sich Bauer aber auch aus den eigenen Reihen zu. Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) stellt sich ungewöhnlich deutlich gegen die Aktion. „Der filialisierte Einzelhandel ist ein traditionell wichtiger Vertriebskanal, deshalb legt der VDZ ein besonderes Augenmerk auf dieses Thema", erklärt Torsten Brandt, Sprecher des VDZ-Arbeitskreises Pressemarkt Vertrieb PMV. In der Mitteilung heißt es dann: „Die Öffentlichkeitsinitiative der Bauer Vertriebs KG zur Veränderung der Pressepräsentation im Einzelhandel wird von den übrigen im PMV vertretenen und weiteren Zeitschriftenverlagen verurteilt." Jede Maßnahme, die dem Ziel diene, das Pressesortiment und dessen Präsentation im Sinne aller Verlage zu verbessern, sei zu begrüßen. „In erster Linie muss es aber dabei bleiben, dass der Presse-Grossist vor Ort tagtäglich für ein leserfreundliches und je nach Geschäftsart adäquates Sortiment zu sorgen hat."

Trotz legitimer Versuche, den Umsatz zu steigern, blieben freier Marktzugang für alle Presseerzeugnisse, die Neutralität gegenüber dem Einzelhandel und das Dispositionsrecht des Presse-Grossisten Eckpfeiler eines funktionierenden Pressevertriebs. Brandt ist Verlagsgeschäftsführer Vertrieb BILD-Gruppe und Zeitschriften der Axel Springer AG, einer der großen Verlage, die in direkten Gespräche mit der Rewe stehen.


Optimierungsbedarf am Presseregal

Herr Bertram, Sie haben ein eigenes Tool bzw. eine eigene Studie aufgelegt, um die Abverkäufe im LEH zu optimieren, was waren Ihre Beweggründe?
Am Presseregal besteht dringender Optimierungsbedarf, da die Marktleiter mit der derzeitigen Situation am Presseregal unzufrieden sind und das Potenzial der Umsatzsteigerung bislang nicht ausgeschöpft wird. Das Pressesortiment stellt für die Marktleiter zwar eine unverzichtbare Warengruppe dar, trotzdem zeigen sie eine emotionale Distanz zum Sortiment. Diese Situation ruft zum Handeln auf.

Welche Vorteile hat der LEH, wenn er mit Ihnen kooperiert, was bringt es dem Händler konkret?
Wir sehen es als unsere Aufgabe, dem Einzelhandel im LEH aufzuzeigen, wie er seinen Umsatz bei Presse steigern kann, ohne den Aufwand zu erhöhen. Wir werden mit unserem im Aufbau befindlichen Außendienst die Manager im Handel informieren und aktiv Verbesserungspotenziale aufzeigen. Die dann vereinbarten Maßnahmen muss der Handel individuell pro Verkaufsstelle gemeinsam mit seinem Grossisten besprechen und umsetzen.

Was sagt die Konkurrenz, was sagen die Grossisten?
Alle Wettbewerber mit denen ich gesprochen habe, sehen auch die Notwendigkeit, dass das Regal stetig optimiert werden muss und aktueller Handlungsbedarf besteht.

Was antworten Sie diesen?
Wir stehen hinter unserer Marktforschung und halten an den Ergebnissen fest. Welche nachvollziehbaren Argumente soll es dagegen geben, die Regalfläche und die Sortimente je Filiale zu optimieren und dann aktiv den Umsatz zu steigern?

HERIBERT BERTRAM, Geschäftsleiter Bauer Vertriebs KG