Interview mit Rolf Geckle:„Genug Personal ist das A und O“ - Ladendiebstahl verhindern

Aufmerksame, engagierte Mitarbeiter sind die beste Prävention gegen Ladendiebstahl. Davon ist Rolf Geckle, Fachmann bei der Polizei in Karlsruhe, überzeugt.

Sonntag, 17. August 2014 - Management
Sonja Plachetta
Artikelbild Interview mit Rolf Geckle:„Genug Personal ist das A und O“ - Ladendiebstahl verhindern
Bildquelle: Hoppen

Wie lässt sich Ladendiebstahl verhindern?
Indem der Handel mehr in Personal investieren würde. Je weniger Mitarbeiter auf der Fläche sind, desto mehr wird geklaut. In vielen Märkten ist kein einziger Mitarbeiter auf der Fläche, das ist natürlich das Eldorado für die Diebe. Ich habe erst kürzlich einen Test gemacht in einem Supermarkt. Die drei Mitarbeiter saßen an der Kasse, ich konnte mich im Markt frei bewegen und gelangte sogar ungesehen in die privaten Büroräume, wo ich Wertsachen und Handys der Mitarbeiter entwenden konnte. Ich habe die Sachen an der Kasse abgegeben und die Mitarbeiter gebeten, vorsichtiger zu sein.

Wie können Mitarbeiter Diebe erkennen?
Jeder Ladendieb könnte vor der Tat auffallen, wenn die Mitarbeiter aufmerksam sind. Die Täter schauen sich in der Regel erst einmal im Laden um, checken die Umgebung, ob Detektive oder Kameras da sind und wie viel Personal es gibt. Sie haben kein Interesse an der Ware, sondern erst mal nur am Verkaufsraum. Zudem zögern sie oft, warten auf eine günstige Gelegenheit, bevor sie einen Gegenstand aus dem Regal nehmen. Man kann auch auf die Ausrüstung achten, ob z. B. die Taschen oder Jacken mit Alufolie ausgekleidet sind, um Sicherungssysteme zu überlisten. Wenn ein Mitarbeiter einen Kunden bemerkt, der sich auffällig verhält, muss er ihn ansprechen, fragen, ob er helfen kann, und in der Nähe bleiben, damit sich der Kunde nicht mehr unbeobachtet bewegen kann. Wichtig ist auch, darauf zu achten, ob sich die verdächtige Person mit jemandem abstimmt, etwa durch Zunicken oder Telefonate, damit wir als Polizei nicht nur den Dieb mit der Ware, sondern auch Aufpasser und Ablenker überführen können.

Mitarbeiter können aber nicht jeden Winkel eines Marktes im Blick haben. Welche zusätzlichen Sicherungsmöglichkeiten haben sich bewährt?
Die Aufmerksamkeit der Mitarbeiter ist mit Abstand das wirksamste Instrument, um Ladendiebstahl zu bekämpfen. Manche Händler geben als Motivation ,Fangprämien’ aus. Zudem kann man Detektive oder Videokameras einsetzen, Spiegel anbringen, den Verkaufsraum übersichtlich halten, Warensicherungen anbringen oder hochwertige Produkte in Vitrinen platzieren. Jeder Händler muss selbst je nach Höhe der Inventurdifferenz überlegen, welche Investitionen sich für ihn lohnen. Man sollte das Problem nur nicht negieren, denn in Täterkreisen spricht sich schnell herum, welche Läden schlecht gesichert sind. Dort schlagen sie bevorzugt zu. Wir hatten einen Fall, wo ein Dieb einen Zettel in russischer Sprache dabei hatte mit einer Skizze des Marktes sowie dem exakten Standort der Kosmetika. Andere haben regelrechte Bestelllisten dabei, was sie klauen müssen.

Mit welchen Tricks arbeiten die Diebe außerdem?
Viel läuft über die Betrugsschiene, z. B. EC-Karten-Betrug in Geschäften, wo die Lastschrift noch per Unterschrift bestätigt wird. Ein anderes Beispiel: Ein ,Kunde’ kauft bei einem Discounter einen Fernseher, kopiert den Bon zehnmal. Dann geht er in verschiedene Filialen, greift aus dem Regal einen weiteren Fernseher, geht an die Kasse und zeigt einen kopierten Bon zum Umtausch vor. Er hat elfmal das Geld zurückbekommen. Dabei handelt es sich auch um ein hausgemachtes Problem. Es ist immer schlecht, wenn der Kunde erst durch den Verkaufsraum gehen muss, um etwas umtauschen zu können.

Wie wird beim Umtausch noch betrogen?
Verstärkt beobachten wir folgende Variante: Der Dieb nimmt einen hochwertigen Artikel aus dem Regal, geht zur Kasse und sagt, dass er ihn hier gekauft hat und umtauschen will, aber den Kassenbon nicht dabei hat. Was macht der Verkäufer? In der Mehrzahl der Fälle bekommt der ,Kunde’ sein Geld zurück. Will der Verkäufer den Bon sehen, geht der Dieb mit der gestohlenen Ware aus dem Geschäft. Oder jemand klaut etwas in einer Filiale und geht in eine andere, um es umzutauschen. Auch ohne Beleg klappt das oft. Das zeigt: Dass Kundenfreundlichkeit so groß geschrieben wird, begünstigt zum Teil die Kriminalität.

Zu kundenfreundlich sollte der Händler also nicht sein?
Wenn man zu großzügig ist, kann man die Begehung von Straftaten erleichtern. Bei einer Lebensmittelkette ist es so, dass Kunden, die beim Ladendiebstahl erwischt werden, die Möglichkeit eingeräumt wird, die Ware zu bezahlen, bevor mit der Polizei gedroht wird. Das ist meiner Meinung nach falsch. Wenn ich einen Ladendieb erkenne, sollte ich ihn gleich anzeigen und ihm nicht anbieten, noch zu bezahlen. Wenn sich das herumspricht, kann ja jeder erst mal gefahrlos stehlen.

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Bild öffnen „Sinnvoll wäre es, dass sich Wettbewerber unternehmensübergreifend vorwarnen, wenn neue Tätergruppierungen unterwegs sind.“
Bild öffnen Aufgabe für jeden: Die Waren könnten
2 Prozent billiger sein, wenn es keinen
Ladendiebstahl gäbe. „Es ist also im Interesse
von uns allen, ihn zu bekämpfen“,
appelliert Geckle.
Bild öffnen Einen Trick voraus: Auf Sicherungssysteme allein verlassen sollten sich Händler nicht, rät Rolf Geckle. Viele Täter
nutzen z. B. mit Alufolie ausgekleidete Taschen, um diese Systeme zu überlisten.
Bild öffnen Stoßzeit am Nachmittag: Diebe greifen verstärkt dann zu, wenn der Laden voll ist, wie auch Überwachungsvideos zeigen.
In vielen Läden werde es den Tätern aber auch zu leicht gemacht, etwas einzustecken, moniert Geckle.