Mobile Payment Zwischen technischem Fortschritt und Verbraucherskepsis

Das Wettrennen von Mobile-Payment-Anbietern um die Akzeptanz bei Handel und Verbrauchern gewinnt weiter an Dynamik. PayPal setzt mit „freihändigen“ Lösungen zum Sprint an.

Donnerstag, 06. Februar 2014, 22:00 Uhr
Bettina Röttig
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»Bargeldlos, kontaktlos und möglichst freihändig sind die künftigen Bezahlvorgänge im Handel. Zumindest arbeitet eine scheinbar täglich wachsende Zahl von Payment-Anbietern daran, diese Vision Alltag werden zu lassen. Die Lösungen im stationären Handel basieren aktuell auf verschiedenen Technologien wie QR-Codes oder Near Field Communication (kontaktloses Zahlen per Handy oder Karte mit integriertem Chip). Bis zu einer breiten Akzeptanz der neuen Technologien ist scheint es jedoch noch ein weiter Weg.

Insgesamt seien die deutschen Verbraucher bei der Nutzung von neuen Online- oder Mobile-Payment-Lösungen noch sehr zurückhaltend und skeptisch, beobachtet Sebastian Diehl, Inhaber von Emmas Enkel, ein Multichannel-Konzept mit Ladengeschäften in Düsseldorf und Essen, einem Online-Shop sowie QR-Code-Shoppingwalls. „Ich habe den Eindruck, dass Datenskandale, wie sie derzeit täglich aufkommen, die Akzeptanz neuer Lösungen und Entwicklungen in Deutschland immer wieder zurückwerfen. „Bei anderen Nationen, insbesondere in den USA, scheint die Angst weniger groß zu sein und die Bereitschaft, etwas Neues auszuprobieren, ist sehr viel höher.“ Dennoch integriert das Unternehmen immer mehr Systeme. „Unserer Multichannel-Strategie entsprechend haben wir eine Reihe an Bezahlmodellen im Einsatz: Die Bezahlung über PayPal, Kreditkarte und Sofortüberweisung ist seit dem ersten Tag in unserem Online-Shop möglich, natürlich auch über unsere App. Seit einigen Monaten nutzen wir SQwallet.“ Der Prozess hinter der Multichannel-Lösung: Der Kunde scannt den QR-Code der Rechnung ein, bestätigt den Betrag und gibt seine PIN ein, fertig. Zunächst wurde das System im Online-Shop eingebunden, im nächsten Schritt ist das mobile Bezahlen in die Emmas-Enkel-App und das Kassensystem der zwei stationären Läden in Düsseldorf und Essen integriert. Auch kontaktloses Zahlen übe r NFC-Technologie ist hier über die Kartenlesegeräte möglich. „Die Erfahrungen mit den verschiedenen Lösungen sind bisher sehr positiv“, betont Diehl. „Auch das Handling ist für uns einfach. Die Lösungen lassen sich sehr einfach in unsere Systeme einbinden.“

So leicht lässt sich eine Vielzahl an Payment-Lösungen bei Handelsriesen wie Rewe und Edeka nicht integrieren. Doch auch sie testen bereits eigene mobile Bezahlsysteme. In mehr als 100 Edeka-Märkten in Berlin und Hamburg sowie flächendeckend in den Märkten der Discount-Schiene Netto können Kunden über die Edeka- bzw. Netto-App mit dem Smartphone bezahlen. Das Versprechen: Der Bezahlvorgang wird beschleunigt, durch Coupons und Gutscheine, die das Handy automatisch lädt und einlöst, spart der Kunde Geld. Entwickelt wurde die App von Valuephone. Seit November 2013 können Smartphone-Besitzer auch in den Rewe-Supermärkten per Rewe-App und QR-Code zahlen. Eingesetzt wird eine Lösung des zur Otto Group gehörenden Unternehmens Yapital.

Das Problem: Für jeden Händler muss der Kunde eine andere App installieren und die Bezahlfunktion aktivieren – ein klares Hemmnis für die allgemeine Akzeptanz von Mobile-Payment-Lösungen.

Auf einer bereits sehr hohen Nutzerzahl und somit Akzeptanz im Online-Handel baut die Ebay-Tochter PayPal auf. Laut einer aktuellen Studie des E-Commerce-Center Köln (ECC Köln) des Instituts für Handelsforschung bezahlen 62,4 Prozent Verbraucher ihre Online-Einkäufe am liebsten per PayPal – auch per Smartphone. Gleich zwei neue Systeme für das mobile Bezahlen, Check-in und Beacon, stellte PayPal in den vergangenen Wochen dem Handel vor.

Ein Bezahlvorgang mit Gesichtsabgleich verbirgt sich hinter der Lösung Check-in, die von PayPal und Orderbird, einem Anbieter für iPad-Kassensystemen in der Gastronomie, seit Dezember 2013 in Berlin getestet wird. Nach dem Testlauf in zehn Cafés und Restaurants in Berlin Mitte wird PayPal diese Bezahllösung auch Supermärkten und anderen Ladengeschäften anbieten, so der Plan. Die Lösung ist Bestandteil des aktuellen Updates der bestehenden PayPal-App.

Das Prinzip ist einfach: Teilnehmende Cafés oder Händler werden über die App angezeigt und können ausgewählt werden. Sobald der Nutzer über die App in das Ladengeschäft eincheckt, erscheinen sein Name und das persönliches Foto dann im Kassensystem des Händlers. Sobald der Kunde an der Kasse den Rechnungsbetrag bestätigt hat, löst der Händler den Zahlvorgang aus, indem er auf das Foto des Kunden klickt. Dieser erhält per Push-Nachricht die Information über die Zahlung und einen E-Mail-Beleg über den Rechnungsbetrag. In Deutschland bezahlen Händler laut PayPal Gebühren zwischen 1,5 und 1,9 Prozent plus 0,35 Euro für eine Transaktion.

Noch unbeschwerter sollen Shopping-Erlebnisse mithilfe der Beacon-Technologie werden, die ebenfalls per PayPal-App und Fotoabgleich funktioniert und gegen Mitte des Jahres in Deutschland zum Einsatz kommen soll. Die Vorteile laut Unternehmen: „Freihändiges“ Bezahlen, niedriger Akkuverbrauch, weder GPS noch Handy-Empfang sind nötig. Insbesondere für den skeptischen deutschen Verbraucher dürfte diese Lösung damit sympathisch sein, die Angst vor der Aufzeichnung von Bewegungsprofilen wegfallen. Denn zum Einsatz kommen sogenannte Beacons, kleine Bluetooth-Sender, die ihr BLE-Signal (Bluetooth Low Energy) im Umkreis von 10 m verbreiten. Wenn man nun ein Geschäft betritt, wird man automatisch eingecheckt, das eigene Profil erscheint im Kassensystem des Händlers. Der Bezahlvorgang verläuft wie beim Modell Check-in. Die Technologie bietet vor allem den Händlern neue Marketing-Möglichkeiten. So kann er ortsbezogene Werbung auf das Handy der Kunden schicken.