Fleischkongress Lasst uns lauter werden!

Die Fleischbranche sucht Lösungen für den Personalmangel. Ohne Arbeit an einem besseren Image geht es nicht.

Freitag, 24. Februar 2023 - Rückblick
Jens Hertling und Heidrun Mittler
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Bildquelle: Peter Eilers

Die Preisträger bei den Bedientheken und bei den jungen Talenten werden hier gefeiert wie Popstars. Das ist für die Branche so wichtig. Das Jahr 2022 war leider kein so gutes Jahr für die Bedientheken. Diese Ehrung muss und soll der Branche Kraft geben“, sagt Jürgen Mäder, Geschäftsführer Edeka Südwest. Besonders stolz sei er auf das Engagement der jungen Talente und darauf, dass sie sich trotz der Probleme alle so positiv entwickeln. „Seid stolz auf das Erreichte und bleibt weiter dran“, lobt der Geschäftsführer. Mit einem schlechten Jahr 2022 meint Mäder die Umsatzentwicklung an der Theke und den Fachkräftemangel – Themen, die beim Kongress im Mittelpunkt stehen. Äußerst angespannt ist die Situation vor allem wegen des Fachkräftemangels im Thekenbereich. Das Credo des Kongresstags: Wer hochwertige Ware verkaufen will, braucht Personal, das den Kunden beraten kann. Nur so ist eine Steigerung der Wertschätzung für Fleisch und langfristig eine Steigerung der Roherträge an der Ladentheke möglich.

Das Image der Branche verbessern
Wie das Problem des Fachkräftemangels angegangen werden kann, zeigt eine Diskussionsrunde auf. Unternehmerin Nane Remagen-Ziech, Geschäftsführerin des Produzenten Hardy Remagen aus Hürth, und Ceylan Celik, Servicetrainerin Rewe in der Region Mitte, stellen die Wertschätzung für den Menschen in den Vordergrund. Rund 20 Prozent ihres Umsatzes verliere die Hardy Remagen GmbH durch den Fachkräftemangel, so Nane Remagen-Ziech. „Vor allem durch Medienberichte wird ein negatives Bild der Branche aufgebaut.“ Damit die Branche wieder junge Menschen für eine Ausbildung begeistern kann, muss dies den objektiv viel besseren Gegebenheiten angepasst werden. Servicetrainerin Celik stimmt dem zu: „Das Image der Branche ist veraltet. Wir haben einen Job, auf den wir stolz sind. Dies müssen wir nach außen kommunizieren, damit junge Menschen einen Beruf in der Wurst- und Fleischbranche ergreifen.“ Ihre Lösung: alles Positive über Social Media kommunizieren. „Die Botschaft sollte sein: In Einkaufsmärkten mit tollen Bedientheken gibt es Jobs, die ihr sexy gestalten könnt. Leider hat sich noch wenig getan, um das Image des Sektors zu verbessern“, so Celik. Es müssen außerdem alle Instrumente der Personalführung eingesetzt werden, um den Arbeitsplatz an der Bedientheke attraktiver zu machen: gutes Gehalt, flexible Arbeitszeitmodelle, Anerkennung und Schulungen.

Wir müssen wieder gehört werden
Ein Highlight des Kongresstags ist die Diskussionsrunde mit Sarah Dhem, Präsidentin des Bundesverbands Deutscher Wurst- & Schinkenproduzenten e. V. (BVWS). „Wir haben ein Wahrnehmungsproblem“, stellt Dhem fest. „Ich hoffe, dass die Politik sich doch einmal herablässt, mit der Praxis zu reden. Das alles würde uns sehr guttun“, sagt die Präsidentin. Ihre Forderung: „Reden Sie mit uns!“ Eine Kontaktaufnahme vonseiten des Bundesministeriums für Ernährung mit dem BVWS hat nach Aussage von Sarah Dhem bisher noch nicht stattgefunden. Ihre Erkenntnis: „Das ist an Arroganz nicht zu übertreffen.“ Sie fordert: „Beide Seiten sollten die Kommunikation suchen. Sonst lassen sich die dringenden Probleme nicht lösen.“

Die Verbesserung des Images der Wurst- und Schinkenbranche sieht Dhem als weitere wichtige Aufgabe. Dies kann nur gelingen, „wenn wir öffentlich mehr wahrgenommen und sichtbarer werden“. Die Präsidentin: „Wir machen einen guten Job, wir dürfen und müssen unseren Stolz wieder nach außen tragen.“ Dies soll und muss vor allem durch die Medien geschehen, jede positive Nachricht sollte deshalb auch sofort von den Herstellern in die entsprechenden Kanäle kommuniziert werden.

Die Apokalypse hat nicht stattgefunden
Während Steffen Reiter, Geschäftsführer von German Meat, auf die internationalen Warenströme bei Fleisch, Wurst und Geflügel eingeht, referiert Dr. Josef Efken, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Thünen-Institut, über die nationalen Besonderheiten dieser Warengruppe. Dabei kommt er auch auf ein aktuelles Thema zu sprechen: „Im vergangenen Jahr gab es einen Wettstreit apokalyptischer Meldungen über die düstere Lage auf dem deutschen Lebensmittelmarkt.“ Dies habe ihn echt geärgert. „Von einem Versorgungsengpass in einem Land wie Deutschland zu sprechen, halte ich für völlig überzogen“, so Efken, als er die Zahlen für den deutschen Markt präsentiert (ein ausführlicher Bericht folgt in einer späteren Ausgabe).

Auf den anspruchsvollen Kongresstag folgt ein spannendes Abendprogramm: Am Tag vor Weiberfastnacht trifft Überraschungsgast und Karnevalist Bernd Stelter den richtigen Ton zum Beginn. Er sorgt für gute Laune, schlägt aber auch einige Töne an, die nachdenklich machen. Die Preisverleihungen bringen dann die emotionalen Momente. So cool die nominierten Teams tagsüber auch durch die Rotunde geschlendert sind, so angespannt sind sie, kurz bevor das Moderatorenduo Heidrun Mittler und Reiner Mihr die Juryergebnisse verkündet. Doch zuerst zeichnen die LP-Redakteure die Nachwuchs-Talente aus: So engagierte junge Menschen hätte jeder gern in seinem Team! Die Preise gehen an Pascal Jung (Rewe) und Chris Maik Piepenburg (Edeka). Drei Frauen liegen punktgleich auf dem dritten Platz: Alina Bernhardt, Nikola Nguyenova und Nattaya Engelke, alle arbeiten bei selbstständigen Edekanern. Dann gehen die Pokale an die diesjährigen Fleisch-Stars: Gratulation an Edeka Eble in Saarburg, Rewe Quermann in Bielefeld und Bungert in Wittlich!