Verpackung Gemeinsam entwickelt für getrenntes Recycling

Eine neue MAP-Verpackung für geslicete Produkte besteht zu einem hohen Anteil aus Faserstoffen, ist wiederverschließbar und vollständig recycelbar. Die Lebensmittel Praxis saß mit den Unternehmen Bigler Fleischwaren, Sealpac, Buergofol und Van Genechten Packaging, die die Innovation auf den Weg gebracht haben, an einem (virtuellen) Tisch.

Freitag, 26. März 2021 - Verpackung
Silke Wartenberg
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Bildquelle: Sealpac

Die neue EU-Kunststoffstrategie setzt die Leitlinien: Bis 2030 sollen alle Verpackungen in der EU komplett recyclingfähig sein. Unternehmen, die Verpackungen in Umlauf bringen, suchen nach sinnvollen Möglichkeiten, um überflüssige „Umverpackungen“ zu vermeiden und schwer wiederverwertbare Stoffe durch gut recycelbare Materialien zu ersetzen. Eine neue wiederverschließbare Alternative haben der Schweizer Betrieb Bigler Fleischwaren, die beiden deutschen Unternehmen Maschinenbauer Sealpac und Folienhersteller Buergofol sowie der belgische Kartonverpackungshersteller Van Genechten Packaging entwickelt.

Was zeichnet Ihre neue Verpackung aus?
Gérard Bigler: Die neue sogenannte FlatMap unterscheidet sich vor allem im Handling von herkömmlichen Verpackungen. Der Konsument kann die Oberfolie vor dem Verzehr vollständig von der Verpackung abziehen und den Produktträger mit der Aufschnittware direkt auf den Tisch stellen. Hinterher lässt sich die Folie wieder glatt über das Produkt streichen und verschließt die Verpackung zur weiteren Aufbewahrung. Dieser Vorgang kann mehrfach wiederholt werden und ist für den Konsumenten einfach umsetzbar. Außerdem enthält die wiederverschließbare Tiefziehverpackung durch die eng anliegende Folie weniger Sauerstoff als eine herkömmliche, sodass sich die Produktverfärbung reduziert. Das Resultat: Der Verpackungsinhalt bleibt frisch und appetitlich – bis zur letzten Scheibe.

Vittorio Ranaldo, Bigler: Das Produkt ist durch die transparente Folie vollständig sichtbar. Das Kartonboard kann beidseitig bedruckt werden und lässt sich damit sehr gut zum Branding einsetzen. Und schließlich ist die Recyclingfähigkeit ein echtes, immer wichtiger werdendes Kaufargument: Nach der Entleerung lassen sich Kunststoff und Karton sauber trennen und in den entsprechenden Wertstoffsammlungen zur Wiederverwertung entsorgen.

Es gibt bereits Verpackungen, die wiederverschließbar sind. Was ist bei FlatMap anders?
Stefan Dangel: Herkömmliche Aufschnitt-Verpackungen bestehen mehrheitlich aus einer zwischen 8 und 20 Millimeter tiefgezogenen APET-Produktmulde mit entsprechend hohem Siegelrand. Für den Wiederverschluss sind die hierfür verwendeten, immer dünner gewordenen Unterfolien kontraproduktiv, da das weiche Material den Wiederverschluss mit der Oberfolie erschwert. In der Folge sind die Konsumenten damit mehrheitlich mit der Anwendung überfordert. FlatMap hingegen ist, wie der Name schon sagt, eine vollkommen flache Verpackung. Der Folienstanzling kann somit ohne Fingerakrobatik sicher und einfach entlang der Siegelnaht wieder aufgestrichen werden. Im Ergebnis ist das ein deutlicher Gewinn im Packungshandling, zumal – was jeder aus eigener Erfahrung kennt – ein „Umtuppern“ oder „Einstretchen“ entfällt. Das ist ein beachtenswertes Detail, mit Blick auf die ganzheitliche Nachhaltigkeitsbetrachtung und den Platzbedarf im Kühlschrank des Verbrauchers.

Vor welchen technischen Herausforderungen standen Sie bei diesem Projekt?
Manfred Grupp: Eine Besonderheit im Frische-Segment ist der Einsatz des Produktträgers aus Karton. Unser Material zeichnet sich durch Stabilität und Beständigkeit in der ganzen Prozesskette aus. Da Karton in Bezug auf Feuchtigkeit besonders empfindlich reagiert, ist das eine echte Herausforderung bei gekühlten Produkten. Im vorangegangenen FlatSkin-Projekt konnten wir Erfahrungen mit der Kartonauswahl sammeln. Wir haben Guide‧lines zum Umgang mit dem Kartonboard für Produktion, Lagerung und Handling entwickelt, denn letztendlich benötigen wir ein absolut planes Board für die Produktion und die Produktpräsentation. Wir setzen ausschließlich auf frischfaserbasiertes Material, um mikrobielle Risiken auszuschließen, auch wenn manchmal nach recyceltem Material gefragt wird. Wir arbeiten im qualitativ hochwertigen Offsetdruck, mit Low-Migration-Farben und -Lacken. Gestalterisch sind hier keine Grenzen gesetzt und gerade Aufschnittware bekommt mehr Individualität und wird enorm aufgewertet.
Adam Konz: Mit dem Liner, der das Kartonboard mit einer dünnen Barrierefolie überzieht, mussten wir zwei konkurrierende Ziele erfüllen: Er soll gut am Karton haften, sich aber später zu Recyclingzwecken auch leicht davon trennen lassen. Wir haben die Folienstärke insgesamt auf ein Minimum reduziert: Der Liner aus einem Polyolefin-basierenden und somit recycelbaren Material hat eine Stärke von 40 µ, die Oberfolie von 70 µ. Es war eine Herausforderung, die Reclose-Funktion so zu gestalten, dass sie verbraucherfreundlich zu öffnen ist und trotzdem eine ausreichende Wiederverschlusskraft aufweist.
Manfred Grupp: Ja, um die Reclose-Funktion umzusetzen, war die größte Herausforderung, eine Balance zu finden zwischen guter Haftung und gleichzeitiger guter Recyclingfunktion. Da die Reclose-Folie punktuell höhere Abzugskräfte erzeugt, waren einige Versuche in Labor und Praxis und die Anpassung der Stanztechnik notwendig, um dieses Ergebnis zu erzielen.

Gibt es noch Spielraum zur Weiterentwicklung dieser Verpackung?
Gérard Bigler: Bei der Materialreduzierung sind wir in diesem Fall sicherlich noch längst nicht am Ende: Ich erwarte, dass wir in drei bis fünf Jahren bei einer Folienstärke von etwa 20 bis 25 µ ankommen. Ein Beispiel aus der Vergangenheit: Bei FlatSkin starteten wir 2017 mit Folienstärken von 160 µ, heute liegen wir für bestimmte Produkte schon unter 80 µ. Eine solche Entwicklung erwarte ich auch für FlatMap.

Welche weiteren Trends und Entwicklungen werden sich Ihrer Meinung nach auf dem Verpackungsmarkt durchsetzen?
Adam Konz: Vollständige Kreislauffähigkeit ist bei einer zukunftsfähigen Verpackung unerlässlich. Bei recycelbaren Verpackungsbestandteilen aus Kunststoff könnte ein Pfandsystem den nachhaltigen Umgang unterstützen, so wie es in anderen Bereichen wie PET-Flaschen schon erfolgreich funktioniert.
Stefan Dangel: Die Ideen und Ansätze gegen ein „Weiter so“ sind vorhanden. FlatMap ist vollkommen nach dem Konzept „Design for Reycling“ ausgelegt. Aber alle, also Hersteller, Handel und Konsument, müssen Verständnis dafür aufbringen, dass mehr Nachhaltigkeit nicht umsonst zu haben ist. Recycling ist ein Kostenfaktor! Dafür muss noch mehr Akzeptanz geschaffen werden. Der Handel muss aktiv mitmachen und der Konsument zumindest im Entsorgungshandling intelligent in den letzten Recyclingschritt, dem einfachen Trennen, miteinbezogen werden. Auch hier gibt es bereits mehr als erste Ansätze.