Interview mit Manfred Kaul - Bonus GmbH Stärkenorientiert - Weitere Fragen

Die gemeinnützigen Bonus-Märke gewährleisten in strukturschwachen Regionen die Nahversorgung. Ein zweites Ziel ist die Unterstützung von Langzeitarbeitslosen, denen wieder Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt eröffnet werden sollen. Ein Gespräch mit Geschäftsführer Manfred Kaul.

Sonntag, 06. Oktober 2013 - Management
Tobias Dünnebacke
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Bildquelle: Du00fcnnebacke, Belz

Die Kommunen treten an Sie heran, wenn die Nahversorgung in Gefahr ist. Wie läuft das genau ab?
Wir sind eine gemeinnützige GmbH und damit nicht Teil der Privatwirtschaft. Expansion nur um des Wachstums willens ist nicht unser Thema. Wir sind an den Standorten vertreten, weil wir gefragt wurden. Wenn sich ein Lebensmittel-Einzelhändler aus einer Region zurückzieht, weil sich das Geschäft aus verschiedenen Gründen nicht mehr rechnet, können wir auf den Plan treten. Durch die Unterstützung der Kommunen, beispielsweise durch Mietpreisnachlässe, und den Zuschüssen der Jobcenter für einen Teil unserer Mitarbeiter, können wir auch dort überleben, wo andere nicht mehr vernünftig wirtschaften können. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass wir niemandem Konkurrenz machen. Um an einem Standort z. B. nicht mit dem Bäcker an der Ecke zu konkurrieren, passen wir unser Angebot entsprechend an – und verkaufen in diesem Markt eben keine Brötchen.

Wie ist Bonus preislich positioniert?
Unsere Preise richten sich in etwa an dem Niveau der Nahkauf-Vertriebslinie der Rewe-Group, die uns auch beliefert. Das ist das Niveau zwischen einem Discounter und einem klassischen Supermarkt. Generell soll unsere Gemeinnützigkeit nicht zu Lasten der Preise gehen.

Einige Filialen machen Gewinn. Andere sind defizitär. Der Standort Sachsenheim wird zum Jahresende schließen. Steinhaldenfeld steht zumindest auf der Kippe. Welche Faktoren entscheiden über Erfolg oder Misserfolg?
Das ist von Region zu Region unterschiedlich. Ich kann aber sagen, dass wir früher einen Markt ab einem Jahresumsatz von 500.000 Euro betreiben konnten. Heute benötigen wir mindestens 800.000 Euro. Das hat verschiedene Gründe, beispielsweise die steigenden Energiekosten, aber auch die sinkenden Deckungsbeiträge aus den Arbeitsmarktinstrumenten, weil der Bund die Mittel gestrichen hat. In einem solchen Fall ist dann die Kommune gefordert, mit uns eine Lösung zu finden. Sponsorings können auch eine Rolle spielen. Darüber hinaus versuchen wir auch selbst, neue Ideen umzusetzen, beispielsweise mit der Aktion „Mach’s rund für Bonus“. Da wir als gemeinnütziges Unternehmen keine Gewinnabsichten haben und es keine Eigentümer gibt, die eine Dividende wollen, können wir die erwirtschafteten Überschüsse in einigen Märkten nutzen, um andere über Wasser zu halten.

Warum ist die Rolle der Nahversorgung so wichtig?
Die demografische Entwicklung wird dazu führen, dass es immer mehr ältere Menschen geben wird, die tendenziell weniger mobil sind und daher auf einen Markt, der fußläufig erreichbar ist, angewiesen sind. Darüber hinaus dienen die Bonus-Märkte auch als soziale Plattform. Viele Menschen kommen nicht nur, um ihren Einkauf zu erledigen, sondern auch um ein Schwätzchen zu halten. Es ist explizit die Aufgabe unserer Mitarbeiter, nicht nur die Regale einzuräumen, sondern auch mit den Kunden zu kommunizieren.

Zeigt sich diese Zielgruppenorientierung auch in den Märkten?
Wir gestalten unsere Märkte so, dass auch ältere Menschen bequem und entspannt bei uns einkaufen können – etwa durch barrierefreie Zugänge, große Preisschilder und spezielle Ruhezonen. Wir verzichten auch auf Aktionsaufbauten, womit heutzutage die Gänge zugestellt werden. Das ist nicht altersgerecht. Lupen an Einkaufswagen sollen zusätzliche Hilfe bieten. Zudem haben wir unser Sortiment abgespeckt. Zehn verschiedene Mehlsorten irritieren nur. Es reichen drei Sorten zu verschiedenen Preisen.

Ihr Unternehmen präsentiert sich nicht nur im sozialen und ökonomischen Bereich nachhaltig, sondern möchte auch möglichst ökologisch wirtschaften. Welche konkreten Maßnahmen gibt es hier?
Wir setzen wenn möglich auf regionale Produkte und lokale Produzenten. Wir verkaufen zudem kein Flugobst. Äpfel müssen nicht aus Neuseeland eingeflogen werden und Spargel zu Silvester ist auch nicht unbedingt notwendig. Eine Modell, das auch gut für die Umwelt ist, denn kurze Lieferwege bedeuten weniger Energieverbrauch. Um die Überfischung der Meere nicht zu unterstützen, verzichten wir außerdem auf den Verkauf von Thunfisch.

Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?
Wir würden gerne den Aspekt der Nahversorgung erweitern und für ältere Bürger, die keine Möglichkeit haben oder körperlich nicht in der Lage sind, selbstständig ihre Einkäufe zu tätigen, einen Heimservice anbieten. Wir planen vier Test-Märkte, von denen die Auslieferung dreimal pro Woche erfolgt. Später soll das Modell auf die 12 Stuttgarter Filialen ausgeweitet werden. Die telefonisch oder per Fax, in späterer Folge auch über das Internet, bestellte Ware wird mit einem umweltfreundlichen Cargo E-Trike im Umkreis von 5 km zu den Kunden geliefert.

Bildquellen: Dünnebacke, Belz

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Bild öffnen „Die vergangenen Jahre kamen einer Kürzungsorgie gleich. Die Auffassung, dass der Arbeitsmarkt alles von alleine regelt, ist ein Irrglaube.“ Manfred Kaul
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