Gastronomie-Konzepte Gastronomie-Konzepte im LEH: der Sit-in-Trend

Lebensmittel-Kompetenz wollen viele Kaufleute nicht nur beim Verkauf von Artikeln zeigen, sondern auch durch gastronomische Angebote. Eine Bestandsaufnahme.

Sonntag, 07. Oktober 2012 - Management
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Bildquelle: Mugrauer

Vollsortimenter bieten längst mehr als nur ein breites und tiefes Lebensmittel-Angebot. Für viele Kunden sind sie ein Ort der Kommunikation. Man trifft sich auf ein Schwätzchen, geht zum Schlemmerabend, Grillevent, Mitternachts- oder Single-Shopping. Auffällig ist, dass bei Neu- oder Erweiterungsbauten immer häufiger Gastro-Bausteine verwirklicht werden. Mal sieht das Ganze aus wie ein Restaurant im Supermarkt, mal wie ein Bistro. Anders als in den vergangenen zehn Jahren handelt es sich um Konzepte, die deutlich mehr bieten als nur eine „heiße Theke“ oder den Marktimbiss. To go und Conveniece-Artikel haben ohne Zweifel ihre Berechtigung und sind gefragt, aber ergänzt werden sie in zunehmendem Maße durch den Sit-in-Trend.

Für die Gastronomie sei der Einstieg des LEH in diesen Bereich durchaus ein Wettbewerbsthema, heißt es beim Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BVL). „Wir beobachten, dass Handel und Gastronomie mehr und mehr zusammenwachsen. Dabei dient die Integration eines Gastronomiebereichs sowohl der Differenzierung zwischen verschiedenen Vertriebsschienen als auch innerhalb des Vollsortiments“, so BVL-Sprecher Christian Böttcher. Ein hochwertig eingerichteter Gastronomiebereich mit wertigem Mobiliar und guter Speisenqualität könne neue Kunden an das Geschäft binden und biete somit auch Potenzial für zusätzliches Umsatzwachstum.

In einem Hintergrund-Gespräch erläutert ein Kenner, der nicht genannt werden will, aber in der Branche zu den Gastro-Pionieren zählt, seine zum Teil blutigen Erfahrungen mit Gastro-Konzepten im Handel.

Thema Kosten: Für eine Profi-Küche, erst recht, wenn sie als Frontcooking-Element mitten im Markt stehen soll, muss man mit einer Investition von mindestens 50.000 Euro rechnen. Nach oben sei die Preis-Skala quasi offen. Die Küche in seinem Markt habe ca. 100.000 Euro gekostet.

Thema Personal: Man brauche unbedingt Köche, also Profis. Die würden zwar gerne den stressigen Alltag in einem Restaurant gegen den ruhigeren in einem Supermarkt tauschen, aber nur für das gleiche Geld. Mit 5.000 Euro brutto für einen Koch müsse man rechnen.

Thema Auslastung: Üblich ist, und den Fehler habe er selber auch gemacht, dass die Küche abends nicht richtig oder gar nicht genutzt wird. Der Koch kommt häufig vormittags, ist mittags ausgelastet, aber geht nachmittags nach Hause. Bei den hohen Investitionen in Küche und Personal sei das keine optimale Auslastung. „Man verzichtet quasi freiwillig auf eine bessere Flächenproduktivität.“ Das mache man ja sonst auch nirgendwo auf der Verkaufsfläche.

Thema Ambiente: Wenn sich die Kunden, die sich zum Verzehr hinsetzen, fühlen wie auf einem Präsentierteller oder frieren, weil sie zu nah an Kühlregalen sitzen, oder die Geräuschkulisse jener in einer Bahnhofshalle ähnelt, also irgendetwas als störend empfunden wird, verliert man diese Gastro-Kunden sehr schnell. Deshalb sei es wichtig, sich genau zu überlegen, wo im Markt man welchen Gastro-Baustein realisiert. Ähnelt das Konzept einem Restaurant, wird es auch mit Restaurants verglichen. Handelt es sich um einen Imbiss, sind die Kunden weniger kritisch, wollen aber schnell bedient werden.

Thema Rentabilität: Das Ganze muss sich rechnen. Punkt. Ein dauerndes Zuschussgeschäft könne sich niemand leisten. „Bei uns hört es allmählich auf, weh zu tun“, sagt er und fügt hinzu. „Ich habe in den Jahren, seit wir Gastronomie anbieten, viel gelernt. Wir machen weiter und künftig eher mehr als weniger.“ In den USA gäbe es Direktverzehr bereits in der Hälfte aller Supermärkte. „In Deutschland wird das auch immer mehr Einzug halten.“

Thema eigene Erfahrung: Auf die Frage, ob man nicht günstiger wegkommt, wenn man sich zum Thema eine Beraterfirma leistet, kommt ein entschiedenes Vielleicht. Manches hätte so sicher von vorneherein vermieden werden können. Andererseits sei vieles von Standort zu Standort unterschiedlich. „Und aus eigenen Erfahrungen, besonders aus den schmerzhaften, lernt man doch am meisten“, lacht er. „Wir haben sicherlich mehr und länger an Gastro-Konzepten ausprobiert und variiert als die meisten in der Branche, aber eine Blaupause haben wir nicht.“

Bild: Nicht nur selbstständige Kaufleute testen Gastrokonzepte, auch Temma bietet viele Sitzplätze.