Nachgefragt - LEH in Sachen Nachhaltigkeit Für Gesellschaft

Der LEH fungiert als Drehscheibe zwischen Lieferant und Verbraucher. Der Handel sieht sich als Wächter der Wertschöpfungskette – auch in Sachen Nachhaltigkeit.

Mittwoch, 15. September 2010 - Management
Markus Oess
Artikelbild Für Gesellschaft
Laurent Schonckert, Cactus
Bildquelle: iStock

Ursprünglich stammt der Begriff Nachhaltigkeit aus dem forstwirtschaftlichen Bereich in Deutschland. Als Vater des forstlichen Nachhaltigkeitsbegriffs wird Hans Carl von Carlowitz, Oberberghauptmann am kursächsischen Hof in Freiberg (Sachsen), genannt (Quelle: www.nachhaltigkeit.info). Er wollte sich dauerhaft ausreichend Holz für den Silberbergbau sichern und formulierte 1713 mit seinem Werk „Sylvicultura oeconomica, oder haußwirthliche Nachricht und naturmäßige Anweisung zur wilden Baum-Zucht“ als erster das Prinzip der Nachhaltigkeit. So sollte immer nur soviel Holz geschlagen werden, wie durch planmäßige Aufforstung durch Säen und Pflanzen nachwachsen konnte. So konnte sich der Wald stets regenerieren.

Bei der Übersetzung ins Englische wurde daraus „sustained yield“. Erst 1972 kam mit dem Bericht des Club of Rome der Begriff Sustainability beziehungsweise Nachhaltigkeit auf und wurde im wirtschaftlichen und politischen Bereich verwendet. Heute kommt einem das Wort schnell über die Lippen und schon seit mehreren Jahren hat der Lebensmittel-Einzelhandel das Thema Nachaltigkeit für sich entdeckt. Doch wie fällt das Resümee der Branche aus? Die LEBENSMITTEL PRAXIS hat die Player gefragt: Wie fällt deren Bilanz hinsichtlich der Nachhaltigkeit aus? Welche Themen treiben die Unternehmen voran? Welche Erwartungen bestehen diesbezüglich an die Lieferanten?

Rewe-Group, Köln

In den vergangenen Jahren haben wir eine leistungsstarke Nachhaltigkeitsorganisation im Unternehmen geschaffen, parallel dazu zukunftsweisende Projekte initiiert. Unsere Zwischenbilanz fällt positiv aus. Wir haben eine Vorreiterrolle in der Branche erreicht.
Unsere Schwerpunkte liegen in den vier Bereichen „Grüne Produkte“, „Energie, Klima Umwelt“, „Mitarbeiter“ und „Gesellschaftliches Engagement“. Topthema ist derzeit unser Nachhaltigkeitslabel PRO PLANET. Mit diesem Label kennzeichnen wir Eigenmarkenprodukte, die Umwelt und Gesellschaft während des Lebenszyklusses weniger belasten.Mittel- und langfristig erwarten wir von unseren Lieferanten nicht nur nachhaltige Produkte, sondern auch eine nachhaltige Unternehmensführung.

Manfred Neumann, Bünting

Bei Bünting ist Nachhaltigkeit kein rein ökologisches Thema, sondern umfasst auch die Verantwortung für Mitarbeiter, Heimatregion und Unternehmenstradition.Aktuell kooperieren wir z. B. beim Bau des neuen Tiefkühllagers mit dem regionalen Stromanbieter EWE, um die Energieeffizienz im Lager zu erhöhen und den Einsatz erneuerbarer Energien zu verbessern. Wir unterstützen das Thema ‚Nachhaltige Fischerei’ und bedienen mit unserer Eigenmarke ‚NaturWert’ den nachhaltigen Anspruch unserer Kunden. Zudem unterstützen wir mit der Johann-Bünting-Stiftung soziale und kulturelle Projekte in der Region. Unsere Mitarbeiter profitieren von Aus- und Weiterbildung. Um erfolgreich nachhaltig zu agieren, muss ein Unternehmen einheitlich ausgerichtet sein. Alle Beteiligten, ob Lieferant oder Mitarbeiter, müssen die gleichen Ziele haben und an einem Strang ziehen.

Harald Rissel, Edeka Südwest

l Wir haben da schon Einiges bewirkt. Nachhaltigkeit bedeutet für uns Heimatverbundenheit: ökonomisch, ökologisch und sozial.
l Wir arbeiten kontinuierlich an den Themen und haben Nachhaltigkeit in unserer Strategie verankert. Den Schwerpunkt setzen wir auf unsere Produktionsbetriebe, das Energie-Management in den Filialen und die Warenbeschaffung. Beispiele sind der Ausbau des Vertragsanbaus. Wir sorgen durch Abnahmegarantien und ordentliche Abnahmepreise für den Erhalt unserer Landwirtschaft und den Verbleib der Wertschöpfung in der Region. So werden Arbeitsplätze gesichert. Wichtig ist uns auch die Mitarbeiterentwicklung.l Das Wort Nachhaltigkeit thematisch im Unternehmen zu verwurzeln und mit Inhalten zu füllen, geht nicht von heute auf morgen.

Dr. Michael Inacker, Metro Group

Mit der Gründung des Nachhaltigkeitsrats 2009 verfolgen wir das Ziel, Nachhaltigkeit in allen Geschäftsprozessen zu verankern. Allein die Tatsache, dass drei Finanzchefs der Vertriebslinien dort mitwirken, zeigt den Ansatz, Nachhaltigkeit nicht als abstraktes Marketinginstrument zu verstehen, sondern als Teil des operativen Geschäfts. Unser Nachhaltigkeitsmanagement konzentriert sich auf die komplette Abdeckung der Wertschöpfungskette im Handel. Dem entsprechend konzentrieren wir uns auf die Bereiche Qualität, Umwelt und Einkauf sowie Mitarbeiter und Soziales und schließlich Energie und Ressourcenmanagement. Die Metro Group setzt sich stark für die Verbesserung von sozialen und ökologischen Standards bei ihren Lieferanten, gerade auch in Schwellenländern, ein. Dies ist ein permanenter Prozess, der im Rahmen von regelmäßigen Kontrollen überprüft wird.

Laurent Schonckert, Cactus

Cactus hat seine Nachhaltigkeitsbestrebungen unter dem Motto „Natierlech Cactus“ (Natürlich Cactus) auf fünf Pfeiler gestellt: Unterstützung der biologischen Landwirtschaft, Förderung des „Fairen Handels“, Ausbau der Zusammenarbeit mit kleinen einheimischen Produzenten, Unterstützung von Produzenten, deren Produkte aus umweltverträglichem Anbau stammen, umweltverträgliche Arbeitsweisen. Wir unterstützen die „Fondation Hëllef fir d’Natur“ (Stiftung zur Unterstützung der Natur) und helfen ihr u.a., den Fischotter in Luxemburg wieder heimisch werden zu lassen.  Ich zitiere aus unseren „Anforderungen“ an unsere Eigenmarke „Cactus“: „Es ist unsere Verantwortung, eventuelle schädliche Auswirkungen bei der Einführung eines neuen Produktes auf den Menschen, seiner Gesundheit, die Umwelt, die Tierwelt, aufs Minimum zu begrenzen.“

Kaufland

Das Thema Nachhaltigkeit ist organisatorisch fest im Unternehmen verankert. Unser Anspruch ist, nachhaltiges und verantwortungsvolles Handeln innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette in unsere betrieblichen Abläufe zu integrieren. Unsere Maßnahmen, mit denen wir ökologische und soziale Verantwortung übernehmen, erstrecken sich auf vielfältige Bereiche – sei es der betriebliche Umweltschutz, Mitarbeiter oder die nachhaltige Gestaltung unseres Sortiments (artgerechtere Haltung von Mastkaninchen, Tierschutzfragen wie die Thematik Stopfmast und Lebendrupf bei Enten und Gänsen, nachhaltige Fisch-Einkaufspolitik). Eine Einbindung unserer Lieferanten sehen wir in diesem Zusammenhang als unerlässlich an. Ein Höchstmaß an Transparenz ist Voraussetzung für unsere Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit.

Edeka

Edeka übernimmt auf allen Stufen Verantwortung. Dabei konzentrieren wir uns auf die Felder Ökonomie, Umwelt und Gesellschaft/Mitarbeiter:
Ökonomie = Vorausschauendes Wirtschaften: Handeln nach dem Genossenschaftsprinzip („Unternehmer-Unternehmen“), Stärkung der regionalen Struktur, nachhaltige Sortimentsgestaltung Umwelt: Stärkung der regionalen Struktur, Schutz der Artenvielfalt, Nutzung verschiedener Ansätze zum
Klimaschutz in Groß- und Einzelhandel, Etablierung einer Rückstandsdatenbank bei Obst und Gemüse Gesellschaft/Mitarbeiter:
Förderung einer gesunden Ernährungsweise – insbesondere bei Kindern und Jugendlichen (Projekt „Aus Liebe zum Nachwuchs“), Förderung von Existenzgründungen im mittelständischen Einzelhandel, Schaffung von Ausbildungsplätzen und Weiterbildungsangeboten

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