Erste US-Supermärkte Wie King Kullen die Läden monströs machte

Lange vor den ersten deutschen Supermärkten entstehen Selbstbedienungsläden in den USA. Entlegene Standorte, Mischkalkulation: Die Geschäfte brechen mit Traditionen.

Montag, 14. Oktober 2024, 06:00 Uhr
Bettina Röttig
Artikelbild Wie King Kullen die Läden monströs machte
Selbstbedienung revolutionierte den Lebensmitteleinkauf. Bildquelle: Getty Images

Mann mit Vision, Durchsetzungskraft und großer Klappe: Michael J. Cullen gilt als Erfinder des modernen Supermarkts. Der passionierte Kaufmann arbeitete seit 1902 für die Atlantic & Pacific Tea Company, die Lebensmittelgeschäfte in den USA und Kanada betrieb, sammelte Erfahrungen bei weite­ren Handelsunternehmen und stieg in den 1920er-Jahren zum Bezirksleiter von 94 kleinen Läden der Kroger Grocery & Baking Company im US-Staat Illinois auf. Nebenbei feilte er an seiner Vision für eine neue Generation von Lebensmittelmärkten.

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Prozent Spanne auf 300 von 1.100 Artikeln veranschlagte King-Kullen-
Gründer Michael Cullen.

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Mal mehr Verkaufsfläche als Krämerläden bot King Kullen, 
Lager wurden 
eingespart.

Statt der 40 bis 50 Quadratmeter großen Krämerläden mit Bedienung plante Cullen in einem ersten Test fünf „monströse Läden“ mit 12-Meter-Front und 40 bis 50 Meter Tiefe, ein bis drei Häuserblocks von teuren Geschäftszentren entfernt und mit reichlich Parkplätzen. Die Läden sollten mit weniger Personal auskommen, zu 20 Prozent Bedienung bieten und zu 80 Prozent in Selbstbedienung funktionieren. Diese und weitere Details beschrieb Cullen 1929 in einem Brief an seinen obersten Chef bei Kroger, dem er sein Konzept anbot.

Angepasst an die Zukunft

Seine Ausführungen zeigen: Cullen erkannte früh, dass die Bedeutung des Automobils für Privathaushalte zunehmen würde und der günstigere Wocheneinkauf unter einem Dach großes Potenzial bot. Bis dahin kauften Verbraucher nach Bedarf bei spezialisierten Geschäften ein. Cullen bündelte Fleischwaren, Milchprodukte, Obst und Gemüse sowie Haushaltswaren in einem großen Geschäft, sparte Lohn- und Lagerkosten. Vollmundig erklärte er in seinem Brief die Kalkulation: „Stellen Sie sich das vor – ein Mann, der 300 Artikel zum Selbstkostenpreis und weitere 200 Artikel zu 5 Prozent über dem Selbstkostenpreis verkauft – das hat noch nie jemand auf der Welt gemacht. Es ist auch noch nie jemand über den Atlantik geflogen, bis Lindbergh es tat.“ Für seine Mischkalkulation plante er zudem, 300 Artikel mit 15 Prozent Aufschlag und 300 Artikel zu 20 Prozent über dem Selbstkostenpreis zu verkaufen. Bis dahin hatten Filialgeschäfte mit einheitlichen Spannen von rund 25 Prozent, Einzelgeschäfte sogar mit einer Spanne von rund 40 Prozent kalkuliert.

Sein Brief blieb unbeantwortet. Cullen kündigte und gründete 1930 mit einem Partner im New Yorker Stadtteil Queens den ersten King-Kullen-Supermarkt, den er in großformatigen Anzeigen als „den größten Preisbrecher der Welt“ bewarb. Nach Definition der US-ameri­ka­nischen Forschungs- und Bildungseinrichtung Smithsonian erfüllte Cullens Pilotmarkt als Erster alle fünf Kriterien, die einen modernen Supermarkt ausmachen: Selbstbedienung, separate Produktabteilungen, Discountpreise, Marketing und hohes Verkaufsvolumen. 1936 setzte Cullen mit 17 Standorten bereits rund 6 Millionen US-Dollar um, heißt es auf der Website des Familienunternehmens, das heute in vierter Generation von Tracey Cullen geführt wird.

Von der Bedienung zur Selbstbedienung

Vor gut 100 Jahren war es noch üblich, dass Verkäufer die Bestellungen der Kunden zusammensuchten, abwogen und die Preise verhandelt wurden. 1916 wagte Clarence Saunders mit seinem ersten Piggly-Wiggly-Markt in Memphis, Tennessee, den Schritt zur Selbstbedienung. In seinen Läden, die Saunders bald als Franchise-Konzept etablierte, wurde nur verpackte Ware zu festen Preisen angeboten. Das patentierte Ladenlayout war so gestaltet, dass Kunden an allen offenen Regalen vorbeigeleitet wurden. Heute gibt es nach Angaben des Unternehmens rund 500 Piggly-Wiggly-Märkte in 18 US-amerikanischen Staaten.

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