Parkraumbewirtschaftung Wie Händler Falschparker abschrecken – ohne Kunden zu vergraulen

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In innerstädtischen Lagen herrscht oft hoher Parkdruck. Supermärkte setzen daher verstärkt auf Parkraumbewirtschaftung. Doch dabei ist Fingerspitzengefühl gefragt.

Freitag, 06. September 2024 - Strategie
Manuel Glasfort
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Bildquelle: Getty Images

Wie sichere ich meinen begrenz­ten Parkraum für die eigenen Kunden und werde Fremd- und Dauerparker los ‒ und das Ganze noch, ohne Stammkunden zu vergraulen? Diese Frage stellen sich immer mehr Lebensmitteleinzelhändler in Deutschland. Die Zahl der Verkaufsstellen im deutschen Lebensmitteleinzelhandel nimmt seit Jahren kontinuierlich ab, während die Zahl der zugelassenen Autos von Rekord zu Rekord eilt: Fast 50 Millionen Pkw waren hierzulande zuletzt zugelassen. Die Konsequenz liegt auf der Hand: Es herrscht zunehmender Parkdruck, insbesondere in den Großstädten und Metropolen.

Der Händler zahlt in der Regel nichts

Klar ist: Nicht jeder Supermarkt ist von dem Phänomen gleichermaßen betroffen. Lebensmitteleinzelhändler im ländlichen Raum oder in den Randlagen von Städten bekommen das Problem weniger zu spüren als Marktbetreiber in innerstädtischen Lagen. Gleichwohl hat sich eine ganze Branche etabliert, die Einzelhändlern verspricht, die Parkraumbewirtschaftung für sie zu übernehmen und Fremd- wie Dauerparkern das Leben schwer zu machen. Unternehmen wie Fair Parken, Wemolo oder Loyal Parking bieten ihren Service den Händlern an und gehen bei der Vermarktung durchaus offensiv vor. Das Konzept: Der Dienstleister übernimmt die Bewirtschaftung der Parkfläche. Gemeinsam werden die Rahmen­bedingungen wie die höchste zulässige Parkdauer festgelegt. Der Dienstleister übernimmt dann die Kontrolle des Parkplatzes und holt seine Kosten über die ausgestellten Strafzettel wieder herein. Sollte er jedoch nicht kostendeckend arbeiten können, etwa weil der Händler auf einer sehr großzügigen Parkdauer besteht, kann das Angebot in einzelnen Fällen auch kostenpflichtig sein.

Jedoch zahlt der Händler als Auftraggeber „in vielen Fällen“ nichts für den Service, wie Mirco Michalski, Chief Operating Officer bei Fair Parken, bestätigt. Das Unternehmen aus Düsseldorf zählt zu den großen Spielern am Markt für Parkraum­bewirtschaftung und hat in den vergangenen Jahren ein starkes Wachstum verzeichnen können. Im Jahr 2021 überwachte Fair Parken laut Geschäftsbericht noch 1.370 Objekte für 400 Vertragspartner. Inzwischen sind es nach Unternehmensangaben 2.400 Objekte für 750 Partner in 700 deutschen Städten. „Diese Steigerung verdeutlicht unser kontinuierliches Wachstum und die zunehmende Nachfrage nach unseren Dienstleistungen“, sagt Michalski.

Dabei bedient Fair Parken nicht ausschließlich Supermärkte, sondern auch Kliniken und Freizeiteinrichtungen. Allerdings liegt der Fokus eindeutig auf dem Lebensmitteleinzelhandel: Auf ihn entfallen nach Michalskis Angaben zwei Drittel der betreuten Objekte. „Wir beobachten eine deutliche Tendenz hin zu einer verstärkten Parkraumbewirtschaftung im Lebensmitteleinzelhandel“, sagt Michalski und fügt an: „Die zunehmende Verkehrsdichte und die damit verbundenen Herausforderungen machen die Parkraumbewirtschaftung in diesem Bereich immer relevanter.“ Insbesondere in Ballungsgebieten sei die Nachfrage hoch. „Aber auch in kleinen und mittelgroßen Städten beobachten wir je nach Mikrolage eine erhebliche Nachfrage. Dies zeigt, dass die Parkraumbewirtschaftung sowohl in städtischen als auch in ländlicheren Bereichen an Bedeutung gewinnt.“

Tagsüber für Kunden, nachts für Anwohner

Die Stadt Düsseldorf hat zusammen mit den Discountern Aldi und Lidl ein Konzept auf den Weg gebracht, das die Parksituation in der Landeshauptstadt entschärfen soll. Beim „Feierabend-Parken“ können Anwohner die Parkplätze ausgewählter Filialen außerhalb der Öffnungszeiten nutzen. Wer seinen Pkw dort nachts abstellen möchte, kann einen Stellplatz über die App Ampido buchen. Das Angebot kostet 4 Euro für eine einzelne Nacht oder 30 Euro pro Monat. Insgesamt sind acht Discounter-Filialen an dem Projekt beteiligt. Zum Start der Pilotphase im Juli meldete die Stadt bereits, dass Aldi Süd die Bereitschaft signalisiert habe, das Projekt im Erfolgsfall auszubauen. Die Einnahmen teilen sich die beteiligten Discounter mit dem App-Anbieter.

Lidl und Aldi folgen dem Beispiel von Edeka-Händler Paschmann, der das Anwohnerparken in Düsseldorf unabhängig von der Stadt bereits seit mehreren Jahren anbietet. „Wir haben aktuell 20 bis 25 Mietverträge auf einem Parkplatz mit 300 Parkplätzen“, berichtet Falk Paschmann. „Es ist noch eine Nische. Aber nachts brauchen wir den Parkraum nicht. Und wo wir das anbieten und noch ein bisschen was verdienen können, sollten wir das tun.“ Zumal auch die Nutzer profitierten, denn die Monatsrate sei „günstiger als ein Anwohnerparkausweis oder eine Garage“.

Sorge, Stammkunden zu verprellen

Doch selbst in urbanen Räumen greift nicht jeder Händler auf Parkraumbewirtschaftung zurück. Sebastian Cramer betreibt im Großraum Hannover zehn Edeka-Center und -Märkte sowie ein Café. Die Märkte sind allerdings am Rande oder im Umland der niedersächsischen Landeshauptstadt gelegen. Cramer erklärt: „Wir haben in der Regel große Parkplätze. Klar ärgert man sich hin und wieder über Dauerparker. Das Problem haben wir allerdings weniger als Händler in Großstädten und Ballungszentren.“ Auf die Einführung einer Parkraumbewirtschaftung hat Cramer daher bisher verzichtet und will es dabei möglichst auch belassen: „Wir wollen die Parkraumbewirtschaftung so lange wie möglich herauszögern und nicht nutzen.“ Seine Sorge: „Ein Stammkunde, der einmal vergisst, seine Parkscheibe reinzulegen, und prompt einen Strafzettel bekommt, ist ein verlorener Stammkunde.“

Die Parkscheibe ist die klassische einfache Lösung für die Parkraumüberwachung. Sie ist für die Dienstleister ohne großen Aufwand oder Kosten umzusetzen. Es genügt, sichtbare Schilder am Parkplatz aufzustellen, die den Kunden darauf hinweisen, dass er eine Parkscheibe auslegen muss und die maximale Parkdauer nicht überschreiten darf. Andernfalls drohe eine Vertragsstrafe. Der Dienstleister muss nun lediglich in regelmäßigen Abständen Kontrollpersonal vorbeischauen lassen. Die Sorge vor verprellten Stammkunden ist bei diesem Modell nicht ganz von der Hand zu weisen. Wer einmal die Parkscheibe vergessen und einen Strafzettel erhalten hat, richtet seinen Frust schließlich nicht gegen den Dienstleister, sondern gegen den Händler. Um solchen Bedenken entgegenzuwirken, werben Anbieter wie Fair Parken mit Kulanz gegenüber den Kunden. Können diese anschließend mit einem Kassenbon belegen, zur fraglichen Zeit im Markt gewesen zu sein, wird der Strafzettel storniert.

Deutlich komfortabler für den Verbraucher und weniger „riskant“ für den Händler sind dagegen elektronische Systeme, die mittels Kameras oder über in den Boden eingelassene Sensoren die Parkzeit überwachen. „Unsere digitalen Lösungen bieten zahlreiche Vorteile und werden immer stärker von unseren Auftraggebern nachgefragt“, sagt Fair-Parken-Manager Michalski. „Anstelle der herkömmlichen Parkscheibe kommt hier bei Fair Parken eine kamerabasierte Überwachung mit digitaler Kennzeichenerkennung zum Einsatz. Dies ermöglicht es den Kundinnen und Kunden, ohne Parkscheibe zu parken, da die Höchstparkdauer automatisch erfasst wird. Bei regelkon­former Nutzung wird das Kennzeichen innerhalb von 48 Stunden gelöscht.“

Die Vorzüge solcher Systeme der Parkraumkontrolle weiß auch Edeka-Händler Falk Paschmann zu schätzen, der elf Märkte in Mülheim an der Ruhr, Duisburg, Düsseldorf und Moers betreibt. „Ohne Parkraumbewirtschaftung würde es heute leider nicht mehr gehen“, sagt er. „Gott sei Dank gibt es mittlerweile viele gute Anbieter auf dem Markt, die es für den Kunden so leicht wie möglich machen. Das Einlegen einer Parkscheibe, das bei vielen ­Kunden keine Begeisterung auslöst, ist nicht mehr nötig.“ Mit einer Bewirtschaftung per Parkscheibe könne man zwar einige wenige Dauerparker abhalten, bestrafe aber treue Stammkunden. „Das ist sprichwörtlich, wie mit Kanonen auf Spatzen zu schießen.“ Anders sei es bei den elektronischen Systemen: „Ein Strafzettel wird zu 99 Prozent akzeptiert, weil den Leuten sehr klar ist, dass sie die erlaubte Parkdauer überschritten haben.“ Fair-Parken-Manager Michalski bestätigt „einen klaren Trend hin zur digitalen Parkraumbewirtschaftung mittels kamerabasierter Kennzeichenerkennung. Diese Technologie wird zunehmend bevorzugt, da sie effizienter und benutzerfreund­li­cher ist.“ Wettbewerber von Fair Parken wie Wemolo aus München oder Loyal Parking aus Dortmund setzen ausschließlich auf elektronische Lösungen.

87,5 %

betrug das Wachstum des Parkraumdienstleisters Fair Parken seit 2021 gemessen an der Zahl der Auftraggeber, die zuletzt bei 750 lag.
Quelle: Fair Parken

Edeka-Händler Paschmann hat inzwischen an den meisten Standorten eine Parkraumkontrolle eingeführt. Er beschreibt sein Vorgehen wie folgt: „Sobald wir merken, dass der Parkplatz an einem Standort an Wochenenden oder Feiertagen voll wird, lassen wir zählen, wie viele Parkplätze durchschnittlich noch frei sind. Falls sich herausstellt, dass wir mehr Parkplätze für unsere Kunden benötigen, um mehr Umsatz zu machen, führt das in der Regel zur Einführung eines Parkbewirtschaftungssystems.“

Auch Discounter setzen auf Kontrolle

Nicht nur selbstständige Händler wie Paschmann setzen zunehmend auf Parkraumüberwachung, auch die großen Discounter greifen auf das Instrument zurück. Die Kundenzufriedenheit stehe an höchster Stelle, teilte Lidl mit. „Leider werden unsere Parkplätze immer wieder durch Fremdparker blockiert und sind dadurch nicht ausreichend für unsere Kunden verfügbar.“ An ausgewählten Standorten arbeite man daher mit unterschiedlichen Dienstleistern zusammen. „Hier wird aktuell mit verschiedenen Systemen gearbeitet, sodass an diesen wenigen Standorten die Parkdauer durch die von den Kunden im Fahrzeug ausgelegte Parkscheibe, mithilfe von Sensoren im Boden oder durch Kameras erfasst wird.“ Die Entschei­dung für eine Parkzeitkontrolle generell und für das jewei­lige System werde standortindividuell getroffen, Gleiches gelte für die erlaubte Parkdauer. Die Höhe des Strafzettels könne bis zu 35 Euro betragen. „Lidl profitiert nicht von dem Verwarnungsgeld“, heißt es weiter.

Ähnlich äußert sich Aldi Süd. An manchen Standorten wie Bahnhöfen, Innenstädten oder Arztpraxen komme es gelegentlich zu Engpässen durch Fremdparker. Häuften sich die Beschwerden von Kunden, die keinen freien Parkplatz mehr fänden, „können unsere Filialen mit unterschiedlichen Maßnahmen reagieren – zum Beispiel mit der Installation einer Schranke, der Einführung einer Parkscheibenpflicht oder der Installation von Bodensensoren“. Über die Details und die Wahl des Dienstleisters würden die Regionalgesellschaften von Aldi Süd selbstständig entscheiden. Dabei gelte: „Aldi Süd bezahlt die mit der Parkplatzkontrolle beauftragten Unternehmen nicht für ihre Leistungen und profitiert davon auch nicht finanziell.“ Die meisten Kunden würden verständnisvoll reagieren oder die Maßnahmen sogar begrüßen.