Generationswechsel lassen sich planen – dass Pläne aber zuweilen nicht aufgehen, zeigt die Geschichte von Sebastian Koeppel. Sie zeigt auch: Wer an der Nachfolge scheitert, ist längst nicht immer ein schlechter Unternehmer. Manchmal fehlt Rückhalt – nicht wirtschaftlicher Erfolg.
Koeppel ist der Urenkel von Bertha Becker, die in dem niedersächsischen Dorf Lütgenrode 1932 das Fruchtsaftunternehmen Beckers Bester gegründet hat. Schon im Alter von 16 Jahren wurden Sebastian und sein jüngerer Bruder vom Patenonkel Ernst Becker junior mit der Frage der Nachfolge konfrontiert. Koeppel ist zwei Jahre älter als sein Bruder – und ehrgeizig. „Mich hat Beckers Bester schon früh fasziniert“, sagt er. In den Ferien habe er so oft es ging in der Firma gearbeitet. Er also würde Nachfolger, das stand für Sebastian Koeppel fest.
Heute, im Alter von 47 Jahren, bezweifelt er, damals reif genug für die Entscheidung gewesen zu sein. „Ich frage mich, was genau mein Antrieb war. Stolz, Ehrgeiz oder doch Leidenschaft?“ Auf jeden Fall zeige die Episode, dass es in der Familie beim Thema Nachfolge früh ein starkes Kontrollbedürfnis gab, sagt Koeppel.
Koeppel studiert BWL in Berlin und Würzburg. 2004 folgt er dem Ruf seiner beiden geschäftsführenden Onkel in die alte Heimat und steigt ins Unternehmen ein. Eine wirtschaftlich turbulente Zeit: „Das Einwegpfand hatte gerade die gesamte Getränkeindustrie umgekrempelt. Paradoxerweise führte die Entscheidung nicht zu einer höheren Nachfrage nach Mehrweg, sondern zum Gegenteil. Der Handel wollte Masse in Plastikflaschen, und das möglichst günstig. Große Wettbewerber wie Valensina boten das an“, berichtet Koeppel. Seine beiden federführenden Onkel, Ernst junior und Karl-Otto, erkennen den Trend und investieren in eine PET-Anlage. Eine Tetra-Pak-Anlage gibt es seit kurzer Zeit. Doch die Entscheidungen kommen offenbar zu spät. Die Bedeutung von Beckers Bester nimmt ab.
Das macht vieles schwierig. Die Rede ist von Streit in der Familie. Das Geld der Banken sitzt offenbar nicht mehr so locker wie zu den Spitzenzeiten des Unternehmens. Beckers Bester wird zeitweise zum Sanierungsfall. 2010 steigt der erste Onkel aus, 2013 der zweite. Für Koeppel ist der Weg als geschäftsführender Gesellschafter endlich frei. Über Details des Familienzwistes möchte er nicht sprechen. Er sagt: „Ich zeige mit dem Finger nicht auf andere und bin lieber selbstkritisch. Ich weiß auch, dass die Vorgängergeneration viel Gutes gemacht hat.“
2023 muss Koeppel gehen
Trotzdem lässt Koeppel in seiner neuen Funktion die Porträts der beiden Onkel in der Firmenzentrale abhängen. Es soll klar werden, dass eine Veränderung ansteht. Der von ihm häufig als zu patriarchalisch empfundene Führungsstil soll einem System der „Selbstführung“ weichen, mit weniger Hierarchie und weniger Weisungsbefugnis der Chefs.
Das kommt im Management nicht überall gut an. Dabei ist Koeppel rein wirtschaftlich betrachtet alles andere als erfolglos. Zunächst steht eine klassische Restrukturierung des Fruchtsaftherstellers an. „Ich habe also die schmerzhaften Seiten des Kosteneinsparens und Personalabbaus kennengelernt. Anschließend richteten wir das Unternehmen strategisch neu aus, gewannen neue Finanzierungspartner, modernisierten den Markenauftritt drastisch und professionalisierten unseren Vertrieb.“
Und trotz Rückschlägen wie der schlechten Ernte in den Jahren 2017 und 2018, der Corona-Pandemie, Inflation und Krieg blickt Koeppel positiv auf 2022, sein letztes Jahr als Geschäftsführer von Beckers Bester: „Wir konnten den Umsatz auf rund 55 Millionen Euro erhöhen, das Ebitda verdoppeln und haben es sogar geschafft, in vier Jahren drei Preiserhöhungen durchzusetzen.“ Anfang 2023 muss Koeppel dennoch gehen. Über die genauen Gründe möchte er nicht sprechen. Es gab im Gesellschafterkreis offenbar keine Einigkeit über die Ausrichtung des Unternehmens. Insider glauben: Es ging auch um Koeppels antiautoritären Führungsstil und wohl auch um Geld aus der Familie, das die Firma dringend für Investitionen brauchte. „Mein Lebenstraum war gescheitert. Es war brutal“, sagt Sebastian Koeppel selbst.
Es folgt eine Phase der Aufarbeitung. „Ich verstehe heute, wie unfrei ich manchmal war, wie wenig inneren Spielraum ich bei kritischen Entscheidungen hatte.“ Nach unter anderem einer therapeutisch geprägten Ausbildung zum Coach sowie zum zertifizierten Organisationsberater ist Koeppel heute erfolgreich selbstständig als Berater. Purpose, Konfliktbegleitung, Mediation und der Umgang mit Emotionen seien seine wichtigsten Themen, sagt er.
Gemeinsam mit seinem besten Freund Johannes Gutberlet aus der Tegut-Dynastie plant er ein eigenes Coaching-Programm für Nachfolger, Gründer und Unternehmer. Die beiden wollen Menschen in unternehmerischen Umfeldern bei ihrer Selbstentwicklung unterstützen, wie sie es formulieren. Über sein heutiges Leben sagt Koeppel: „Meine Arbeit erfüllt mich sehr, ich bin glücklich, Sinnvolles zu tun.“