Gegen Personalnot Wie Edeka Hessenring Langzeitarbeitslose rekrutiert

Top-Thema

Keine Edeka-Gesellschaft hat einen größeren Marktanteil in ihrer Region als Edeka Hessenring. Damit Personalmangel daran nichts ändert, lässt der Hessenring-Chef Langzeitarbeitslose rekrutieren.

Mittwoch, 03. Juli 2024, 06:32 Uhr
Heidrun Mittler
Artikelbild Wie Edeka Hessenring Langzeitarbeitslose rekrutiert
Bildquelle: Peter Eilers

Von „unfassbar großen Fußstapfen“, in die er getreten sei, spricht Florian Kramm. Der Sprecher der Geschäftsführung von Edeka Hessenring ist seit eineinhalb Jahren in der Verantwortung. Sein Vorgänger, Hans-Richard Schneeweiß, hatte zuvor mehr als 47 Jahre lang die Geschicke der „kleinsten Edeka der Welt“, wie er gern sagte, geleitet. Florian Kramm sieht das nicht als Bürde, im Gegenteil. Er sagt: „Es gibt eigentlich nichts Leichteres, als in wirklich große Fußstapfen zu treten.“

Der Erfolg der Regionalgesellschaft hänge zum einen von einem ganzen Team ab. Zum anderen müsse er – gemeinsam mit seinem Geschäftsführer-Kollegen Sven-Olov Vogt – das Schiff „nur auf Kurs halten, aber keinesfalls wenden“. Schon seit 2008 hat Kramm Seite an Seite mit Schneeweiß gearbeitet. Das Jahr 2023 war dann allerdings doch eine „ernste Herausforderung“ für das neue Führungsduo. Allein die gestiegenen Energiekosten hätten Zusatzkosten von rund 20 Millionen Euro verursacht. Hinzu kamen eine holprige Warenversorgung und das geänderte Kaufverhalten aufgrund der Inflation: „Der Kunde kauft Schweine- statt Rinderfilet“, sagt Kramm. Zudem sei der Anteil an Aktionsware immens gestiegen.

Regiemärkte tun sich schwer

Trotz aller Hürden hat Hessenring fast so viel verdient wie im Vorjahr. „Wir haben so konsequent wie möglich die Kosten im Großhandel gesenkt und die Spanne stabil gehalten, obwohl wir preisaggressiv waren.“ Es sei gelungen, den Marktanteil im Verbreitungsgebiet (vom Oberharz bis zum Taunus, vom Siegerland bis fast zur sächsischen Grenze) bei 38 Prozent zu halten. Damit belegt Hessenring innerhalb der Edeka unangefochten den Spitzenplatz, die Kollegen aus der Region Minden-Hannover liegen mit 26 Prozent auf Position zwei. Oder anders ausgedrückt: Den Hessenring-Händlern gelingt es besonders gut, der Konkurrenz der Mitbewerber zu trotzen.

2023 haben sich die Regiebetriebe deutlich schwerergetan als die selbstständigen Kaufleute. Kramm erklärt: „Die Regiemärkte haben meist größere Flächen mit einem hohem Nonfood-Anteil.“ Nonfood aber war 2023 schlecht nachgefragt. Zudem fallen die Baumärkte „Herkules Bau & Garten“, die in den Jahren nach Corona weniger gut performen, in diese Sparte.

Viele verlieren in der ersten Stunde die Lust

Als „erfreulich“ bewertet Kramm, dass im vergangenen Jahr 15 Existenzgründer Edeka-Märkte übernommen oder eröffnet haben. Trotzdem spürt er – wie alle im Handel – gewaltigen Druck durch fehlendes Personal. „Wir müssen mit weniger Personal auskommen“, schlussfolgert er. Deshalb modernisiert und digitalisiert sich die Regionalgesellschaft. Bis Ende 2024 werden alle Märkte auf das Warenwirtschaftssystem Lunar umgestellt sein, hinzu kommen moderne Datenerfassungsgeräte für das Bestellwesen.

Außerdem nimmt das Team um Florian Kramm bei der Personalsuche seit Kurzem eine Zielgruppe in den Fokus, die ansonsten weniger Beachtung findet: Empfänger von Bürgergeld, die schon lange arbeitslos sind. Diese Menschen leben in Deutschland, müssen sich nicht erst in eine neue Kultur einfinden. Und, so der Geschäftsführer: „Es sind so viele wie nie zuvor.“ Warum sollten manche Erwerbslose sich nicht für eine neue Chance im Lebensmittelhandel interessieren?

Die Zentrale in Melsungen hat gleich zwei Programme aufgelegt. Das erste richtet sich an Quereinsteiger, die auf der Fläche arbeiten wollen. Diese werden an speziellen Standorten aus den umliegenden Märkten zusammengezogen und in 14 Tagen fit für den Arbeitsmarkt gemacht, etwa zu rechtlichen Themen oder Hygiene. Die zweite Maßnahme geht von der Tochter Fleischwerk Hessengut aus. Norbert Rohde, Prokurist beim Fleischwerk und zuständig für die Produktion, sucht für den Herstellungsbetrieb Personal und arbeitet dabei mit einem Bildungsträger zusammen. Während insgesamt vier Wochen erlernen die Teilnehmer grundlegende Kompetenzen und erfahren auch, dass im Fleischwerk nicht mehr geschlachtet wird, also auch kein Blut fließt. Die Programme „erfordern viel Arbeit und Herzblut“, sagt Kramm und räumt ein, dass die Hälfte der Gruppe schon während der ersten Stunde die Lust verliert. Aber es gibt auch Teilnehmer, die ihre Chance ergreifen, zum Beispiel in der Logistik oder in der Fleischproduktion. Wenn es besonders gut läuft, auch an der Bedienungstheke.

Bilder zum Artikel

Bild öffnen Umsatz der Edeka Hessenring-Gruppe, 
bereinigt um den Innenumsatz, Geschäftsbericht 2023
Bild öffnen Ergebnis der Edeka Hessenring-Gruppe, 
Geschäftsbericht 2023
Bild öffnen Einzelhandelsstruktur der Edeka Hessenring, 
Geschäftsbericht 2023

Anzeige

Italien auf der Biofach 2025

Authentische Vielfalt und Genuss pur 

Auf dem Gemeinschaftsstand der Italian Trade Agency präsentieren 65 Betriebe aus 16 Regionen Italiens ihre kulinarischen Köstlichkeiten.

Mehr erfahren