Mehrwertsteuererhöhung Fleisch könnte
 teurer werden

Die Zukunftskommission Landwirtschaft empfiehlt eine Steuer­erhöhung für tierische Produkte.

Dienstag, 28. Mai 2024, 16:23 Uhr
Jens Hertling
Bildquelle: Getty Images

Müssen Verbraucher bald mehr für die Produkte an der Fleisch- und Wursttheke zahlen? In der Tierhaltung steht das Land vor einer historischen Zäsur. Seit Langem streiten Politik, Bauernverbände und Tierschützer darüber, wie mehr Tierwohl in Deutschland möglich und finanzierbar ist. „Mittelfristig werden deutlich mehr Mittel für den Umbau der Nutztierhaltung benötigt, um eine wachsende Zahl teilnehmender Betriebe sowie weitere Tierarten einzubeziehen“, heißt es dazu in einem Eckpunktepapier der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL). Die ZKL, deren Aufgabe es ist, Empfehlungen und Vorschläge für die Regierung zu erarbeiten, plädiert in diesem Zusammenhang für eine Verteuerung von Fleisch- und Wurstwaren über die Mehrwertsteuer. „Die Umsetzung wäre vergleichsweise einfach, weil kein neues Politikinstrument geschaffen, sondern lediglich ein Steuersatz einer bestehenden Steuer angepasst werden muss“, heißt es weiter in dem Eckpunktepapier. Derzeit gilt für Produkte tierischen Ursprungs ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent.

Eine Senkung der Mehrwertsteuer für O+G
Aber wie kann eine Erhöhung der Steuer ohne Belastung der Verbraucher mit niedrigem Einkommen möglich sein? Diese Fragen waren ebenfalls Gegenstand der Erörterungen in der Kommission. Eine Erhöhung der Grundsicherung wurde als Ausgleich vorgeschlagen. Eine andere Möglichkeit wäre, die Mehrwertsteuer auf andere Lebensmittel zu senken. In einer früheren Version des Eckpunktepapiers der Kommission wurde auch die Idee diskutiert, die Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse auf 0 Prozent zu senken, wenn die Mehrwertsteuer auf Fleisch- und Wurstwaren erhöht wird. Der Vorschlag der Kommission wurde von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) begrüßt. Dies hätte auch eine gesundheitsfördernde Lenkungswirkung und unterstütze damit Landwirtschaft und Gartenbau, so der Bundesminister.

Auch der Präsident des Umweltbundesamtes, Dirk Messner, sprach sich dafür aus, die Mehrwertsteuer auf Fleisch zu erhöhen. Er hofft, dass dadurch in Deutschland weniger Nutztiere gehalten werden. Sein Hintergedanke: Wenn Fleisch teurer wird, kaufen die Verbraucher weniger tierische Lebensmittel – und das wäre gut für den Klimaschutz.

Scheindebatte zur falschen Zeit
Der Deutsche Bauernverband (DBV) lehnt dagegen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ab. „Das Geld für den Umbau der Tierhaltung muss aus dem Bundeshaushalt kommen“, so DBV-Präsident Joachim Rukwied. Auch der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) lehnte eine Mehrwertsteuererhöhung ab, da sie die ohnehin schon hohen Preise für Fleisch aus besserer Tierhaltung mit Labeln wie „Bio“ oder „Für mehr Tierschutz“ absolut stärker verteuern würde als billigere Produkte.

Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Fleischwirtschaft (VDF), Steffen Reiter, übte Kritik: „Das ist eine Scheindebatte zur falschen Zeit.“ Der Verbraucher könne sich bereits heute dafür entscheiden, Fleisch aus höheren Haltungsstufen zu kaufen und so den Umbau zu mehr Tierwohl zu unterstützen, so Reiter. Mit der Initiative Tierwohl (ITW) hat die Fleischwirtschaft ein transparentes System geschaffen, bei dem Rind- und Schweinefleisch in vier verschiedenen Haltungsformen von Stallhaltung bis Bio-Fleisch in allen großen Lebensmitteleinzelhandelsketten verfügbar ist. Nun muss das Kabinett entscheiden, ob und wie die Vorschläge der ZKL umgesetzt werden.

Fleisch soll wieder
 etwas Besonderes werden

Gastkommentar von Olaf Bandt

Steuererhöhungen genießen keinen guten Ruf. Dabei ist klar: Ohne die Erhebung von Steuern kann unser Staat Leistungen nicht erbringen. Aktuell stehen viele tierhaltende Betriebe mit dem Rücken an der Wand, sind finanziell nicht in der Lage, mehr Tierschutz umzusetzen. Doch die Gesellschaft fordert genau das. Wie also soll das gehen?

Geld für Tierwohl ist knapp
Ganz klar: Für die gesellschaftlich gewünschte Leistung „mehr Tierschutz“ ist Geld für die Betriebe aus dem Haushalt nötig. Doch dieser ist seit Jahren knapp. Es braucht also neue Einnahmen. Eine höhere Mehrwertsteuer auf alle tierischen Produkte ist hier ein Weg. Dabei ist wichtig, dass alle Betriebe, die ihre Ställe mit mehr Platz umbauen wollen, dies mit verlässlichen Verträgen des Staates tun können. Auf diesen Weg hat sich die Zukunftskommission Landwirtschaft geeinigt.

Ein wichtiger Aspekt: Steuern sollen ganz bewusst auch Verhalten lenken. Wir wollen weiter tierische Produkte für unsere Ernährung. Dass deren Konsum jedoch massiv verringert werden muss, ist in der Wissenschaft unstrittig. Passend zu einer höheren Steuer muss es einen Ausgleich für finanziell schlechter gestellte Menschen geben. Tierische Produkte dürfen nicht zum Luxus werden. Wenn wir jedoch die Klimaziele einhalten, uns gesünder ernähren und mehr Tierwohl wollen, müssen sie wieder zu etwas Besonderem werden.

Olaf Bandt ist seit 2019 Vorsitzender des BUND und Mitglied in der Zukunftskommission Landwirtschaft und des Kompetenznetzwerkes Nutztierhaltung (ZKL). Von 2008 bis 2019 war Olaf Bandt als Bundesgeschäftsführer Politik & Kommunikation beim BUND tätig.

 

Gravierende Auswirkungen für die gesamte Branche

Gastkommentar von Sarah Dhem

Die Anhebung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes auf tierische Produkte hätte gravierende wirtschaftliche Auswirkungen auf unsere Branche – zu einer absoluten Unzeit und ohne jeden Sinn und Verstand. Sinkende Umsätze und Gewinne können Unternehmen dazu zwingen, Arbeitsplätze abzubauen oder ins Ausland zu verlagern. Dies hätte nicht nur negative Auswirkungen auf die Fleischwarenproduktion, sondern auch auf die gesamte Kette.

Ein Wettbewerbsnachteil
Durch eine staatliche Verteuerung von Wurst- und Fleischwaren würden einkommensschwache Gruppen stark belastet werden und könnten sich tierische Lebensmittel nur noch eingeschränkt leisten. Zudem würde die Anhebung der Mehrwertsteuer auf tierische Produkte besonders hochwertige Produkte der höheren Haltungsstufen zusätzlich verteuern. Die hierfür vorgeschlagene Kompensation über eine höhere Tierwohlprämie würde zulasten der Schweinehalter der Haltungsformen Frischluftstall und Auslauf/Weide gehen, denn der bereitgestellte Betrag von einer Milliarde Euro für einen Zeitraum von vier Jahren für den Umbau der Tierhaltung kann nur einmal verteilt werden. Weiterhin ist die Mehrwertsteuer nicht zweckgebunden. Es ist daher offen, ob und in welchem Umfang die Steuererhöhung tatsächlich der Verbesserung der landwirtschaftlichen Tierhaltung zugutekäme.

Sarah Dhem ist die Präsidentin Bundesverband Deutscher Wurst- & Schinkenprodu­zen­ten (BVWS). Seit 2004 ist die Fleischermeisterin und Diplom-Kauffrau in dritter Generation Geschäftsführerin des Familienunternehmens Werner Schulte – Lastruper Wurstwaren sowie des Online-Wurst- und Fleischversands Kalieber.