Energiemanagement Jedes Grad zählt

Wer die Klimabilanz seines Marktes verbessern will, muss die Kühlung der Ware optimieren. Es gilt, Abwärme zu nutzen. Welche technischen Neuerungen Sie kennen sollten.

Montag, 10. April 2023 - Management
Heidrun Mittler
Artikelbild Jedes Grad zählt
Bildquelle: Hauser

Es lohnt sich, beim Thema Energiesparen die Temperatur im Blick zu behalten. Denn Kühlung von verderblicher Ware und Klimatisierung im Geschäft machen rund die Hälfte der Stromkosten aus. Kein Wunder, dass die Händler bei steigenden Strompreisen das Thema intensiv bearbeitet haben. So sind heute nur noch wenige Kühltheken „oben ohne“. Auch die Regale für Frischprodukte tragen heute in aller Regel Türen. Ohne Abdeckungen oder Scheiben verbrauchen sie bis zum Doppelten der Energiemenge, informiert der Handelsverband Deutschland, der seit 2017 eine eigene „HDE-Klimaschutzoffensive“ betreibt.

Doch mit dem Nachrüsten von Abdeckun‧gen und Einbau von LED-Lampen sind die Möglichkeiten noch lange nicht ausgeschöpft. Sparpotenzial bietet insbesondere der Einbau neuer Kühlmöbel, nicht nur beim Neubau, sondern auch wenn Geräte ersetzt werden. Die Kühlmöbelhersteller stehen dabei vor vielen Herausforderungen, die größte: die Umstellung auf natürliche Kältemittel (siehe blauer Kasten).

Das Stichwort der Stunde lautet „Zero-Energy-Supermarket“, also ein Supermarkt, der übers Jahr in der Bilanz keine Energie aus dem Stromnetz benötigt. Dieses Ziel kann man nur erreichen, „wenn die Projekte gesamtheitlich betrachtet werden und alle Stakeholder (Auftraggeber, Zulieferer, Projektplaner) an einem Tisch sitzen und das richtige Konzept für den jeweiligen Anwendungsfall entwickeln“, gibt Klaus Bartke zu bedenken. Er ist Director Business Development bei Hauser in Würzburg und zuständig für die Märkte Deutschland und Benelux. Auch das Gebäude spielt dabei eine große Rolle, man denke nur an die Ausrichtung der Dächer, den Einsatz eines Windfangs oder die eingesetzten Baustoffe. Theoretisch aber ist ein solcher energieneutraler Markt denkbar, denn schließlich entsteht bei der Kühlung immer auch Wärme. Also Energie, die man zurückge‧winnen und wieder einsetzen kann.

Energiespeicher Wasser
An diesem Punkt setzt Ladenbauer Schweitzer an, der selbst Kühlmöbel in Norditalien fertigt. Das Unternehmen hat auf der diesjährigen Euroshop ein steckerfertiges Kühlregal vorgestellt, an dem die Entwickler lange getüftelt haben. Damjan Zalokar, Direktor Forschung und Entwicklung, beziffert das Ersparnis-Potenzial des Multideck-Möbels „Bozen“ bei einer Länge von 2,5 Meter auf 330 Euro pro Jahr (beim aktuellen Strompreis von 0,30 Euro pro Kilowattstunde). Er rechnet vor: „Durchschnittlich haben unsere Kunden in einem 2.500 Quadratmeter großen Laden 75 laufende Meter dieses Möbeltyps, was 7.500 Euro Ersparnis pro Jahr bringt.“ Das Kühlregal trägt eine kleine Kühleinheit auf seinem Dach, die mit Propan (R 290) betrieben wird.

Außerdem zeigt Schweitzer seine „modernste Alternative“ zu einer zentralen, mit Kohlendioxid betriebenen Kälteanlage: In einem geschlossenen Wasserlauf-System wird die Kondensationswärme zurückgewonnen, die sonst ungenutzt über die Luft entweicht. Jetzt kann die „Abfall-Wärme“ für die Bodenheizung und die Klimaanlage im Sommer genutzt werden.

Handel hat CO2-Ausstoß im Blick

Zwar hat der Einzelhandel schon enorme Anstrengungen unternommen, um den Stromverbrauch pro Quadratmeter Verkaufsfläche zu senken. Das zeigt auch die EHI-Studie „Energiemanagement im Einzelhandel 2022“, herausgegeben von Claudia Horbert und Cathrin Klitzsch. Doch es gibt wichtige weitere Stellhebel, so die Autorinnen. So müsse der eigene Status quo er‧mittelt werden, damit das Unternehmen den richtigen Weg zur Klimaneutralität einschlagen könne. Denn gerade der CO2-‧Ausstoß dient als Steuerungsgröße zur Klimaneutralität. Er lässt sich eindeutig kommunizieren, „ohne Verdacht auf Greenwashing“, so Horbert und Klitzsch.
Die Studie erfasst Daten von 19 Einzelhändlern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz mit über 15.500 Filialen. 62 Prozent sind dem Lebensmittelhandel zuzurechnen. Eine knappe Mehrheit davon betreibt aktuell bereits CO2-Kompensation.
Klimaziele erreichen: Der Handel spart CO2.

Das System hat auch praktische Vorteile: Für die Verlegung der Rohre für die Wasserzufuhr und -entnahme wird die Expertise eines Klempners hinzugezogen, der auch die regelmäßige Wartung übernimmt. Man braucht daher keinen Kältetechniker. Umbauten im Geschäft lassen sich so schneller und mit weniger Aufwand realisieren.

Wärmepumpen im Einsatz
Die Abwärme der Kühltechnik nutzt auch Viessmann, Anbieter von Kühlsystemen. Die Lösung heißt „Esy Cool Green“ und basiert auf einer Wärmepumpe, die mit Propan betrieben wird. Heizen und Kühlen erfolgt laut Anbieter im besten Fall ohne fossile Brennstoffe und mit bis zu 20 Prozent weniger Energieeinsatz. Ein Praxisbeispiel steht in Tschechien: 70 Kilometer östlich von Prag hat in Kolin ein neuer Penny-Markt eröffnet, der diese Technik nutzt.

Rückgewinnung der Wärme ist auch möglich bei den „Ko Mod“-Boxen des Herstellers KMW aus Limburg. Dabei handelt es sich um dezentrale Kühlmodule, die direkt am Möbel montiert werden. Sie enthalten nur vergleichsweise geringe Kältemittel-Füllmengen – so gering, dass keine Dichtheitsprüfungen vorgeschrieben sind. Ein Vorteil laut KMW: Bei einer Störung fällt nur ein einzelnes Gerät aus, nicht eine komplette Anlage.