Pricing-Experte Manuel Wätjen, Mitglied der Geschäftsleitung der Münchner Unternehmensberatung Vocatus, appelliert an Händler und Hersteller: Sie sollten sich wieder stärker auf ihre Gemeinsamkeiten besinnen.
Wätjen: „Wichtig ist, sich bewusst zu machen, dass es ein gemeinsames Ziel gibt, nämlich den zu verteilenden Kuchen zu vergrößern. Es geht also darum, die Perspektive des Kunden einzunehmen.“ Dessen Geldbeutel definiere den Kuchen, der dann fair verteilt werden müsse.
Nach Ansicht des Experten sind dafür drei Perspektivenwechsel erforderlich: „Zum einen von der Unternehmensdenke inside-out (wir müssen mehr Umsatz machen) zur Kundendenke outside-in (was ist der Kunde bereit, zu zahlen). Zum anderen von der kurzfristigen Perspektive (schnell Absatz erzielen), zur langfristigen Perspektive (Preisakzeptanz entwickeln und abschöpfen). Und zuletzt von der pauschalen Perspektive (alle Produkte um X Prozent erhöhen) zu einer differenzierten Perspektive (das heißt, mutiger/vorsichtiger Preise erhöhen, wo Kunden weniger/mehr preissensibel sind).“
„Handel und Hersteller folgen Irrglauben“
Doch so weit sind Handel und Hersteller (noch) nicht. Es fehle an einem „realitätsgetreuen Kundenverständnis“. Zum einen seien Kunden oft weniger preissensibel und aktionsgetrieben, als geglaubt werde. Zum anderen würden kurzfristige Effekte gegenüber den langfristigen Konsequenzen häufig überbetont, so Wätjen. Rabatte zum Beispiel kurbelten zwar kurzfristig den Absatz an, schwächten aber langfristig den „Preismuskel“ der Kunden und senkten damit Marge und Umsatz. So werde der zu verteilende Kuchen kleiner.
Manuel Wätjen erläutert: „Hersteller haben es mit Preiserhöhungen sicher teils übertrieben und versucht, die Inflation zu nutzen, um Preissteigerungen nachzuholen.“ Hätten sie früher schon etwas mutiger Preise erhöht, hätte der jetzt notwendige „große Schluck aus der Flasche“ vielleicht nicht ganz so groß ausfallen müssen und wäre so für die Händler verdaulicher gewesen. Andererseits habe der Handel traditionell Preise gedrückt und viele Preisaktionen eingefordert. Beides – sowohl die Zurückhaltung bei UVP-Erhöhungen als auch die Forderung nach Rabatten – seien letztlich Ausdruck von „Irrglauben, dem Handel und Hersteller folgen“.