Fleisch-Star 2022 Fleisch-Image deutlich gestärkt

Der Umbau der Tierhaltung und der sinkende Fleischkonsum bestimmten den 30. Fleischkongress. Die Referenten erwarten aufgrund des Kriegs und der Pandemie ein schwieriges Jahr.

Dienstag, 03. Mai 2022 - Management
Jens Hertling
Artikelbild Fleisch-Image deutlich gestärkt
Bildquelle: Peter Eilers

Rückblick in die Vergangenheit und ein Blick in die Zukunft: Diese Thematik bestimmte die Auftaktdiskussion beim 30. Lebensmittel Praxis Fleischkongress, die von Dr. Ingo Stryck (Geschäftsführer Marketing, Wiesenhof), Ralf Poéll (Geschäftsführer Vertrieb, Fleischhof Rasting GmbH) und Reiner Mihr (Chefredakteur der LP) gestaltet wurde. „Die Fleischbranche steckt in einer Krise. Der Einzelhandel verdient wenig Geld mit Fleisch – 2022 wird ein schwieriges Jahr für den Einzelhandel“, prophezeite Poéll.

Bezüglich der Frage, welches der bitterste Skandal in seiner Karriere gewesen sei, antwortete der Vertriebler: „Der BSE-Skandal. Nach den ersten Fällen von BSE waren viele Verbraucher hysterisch – Rindfleisch ließ sich kaum noch verkaufen.“

Ingo Stryck erklärte, dass eine Krise für ihn ein externer Effekt sei, der bewältigt werden müsse und der – im Gegensatz zu einem Skandal – nicht durch ein schuldhaftes Verhalten verursacht worden sei. Ein bleibendes Ereignis für ihn sei der damalige Dioxin-Skandal.

Krise vs. Skandal
Am 3. Januar 2011 kam es damals zu Massentötungen von Legehennen, Zehntausende Eier wurden dabei vernichtet. Der wirtschaftliche Schaden war beträchtlich und ging in Millionenhöhe.
Reiner Mihr erinnerte an den Fall Wilke Wurstwaren: „Dass eine Firma so schmutzig produzieren kann, hätte ich nicht für möglich gehalten.“

Die Diskussionsrunde war sich einig, dass sich das Image von Fleisch, Wurst und Geflügel in den vergangenen 30 Jahren stark gewandelt hat. „Es war ein langer Weg, dass Fleisch so ist, wie es heute ist. Es handelt sich letztlich um ein hochsensibles tierisches Produkt – und unterliegt strengsten Kontrollmechanismen. Eine besondere Bedeutung im Sinne des Verbrauchers haben die regelmäßigen Kontrollen durch die Veterinärbehörden“, sagte Poéll.

Dramatische Situation dauert an
Bezüglich der Entwicklung der nächsten fünf Jahre sagte Stryck: „Aus meiner Sicht haben wir im Moment eine dramatische Situation, wie ich sie in den letzten 30 Jahren noch nicht erlebt habe.“ Erst Corona mit all seinen Folgen für die Branche, dann die dramatischen Kostensteigerungen in nahezu allen Bereichen und jetzt noch der Krieg in der Ukraine: Die Folgen – sowohl humanitärer als auch wirtschaftlicher Art – seien gigantisch und zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht einzuschätzen, so Stryck. Ihm zufolge werden diese Themen die nächsten Jahre bestimmen. Ralf Poéll meinte dagegen, dass es eine Chance sei, den Verbraucher an marktgerechte Preise zu gewöhnen. „Wir werden weniger Fleisch essen. Es wird weiterhin Angebote geben, aber letztendlich wird der Kunde mehr zahlen müssen.“ Er ergänzte: „Die Mitarbeiter im Handel werden noch mehr Bedeutung bekommen. Wir müssen uns noch mehr um sie kümmern, denn der Wettbe‧werb um Fachkräfte wird zunehmen.“

Reiner Mihr stimmte ihm zu: „Der Genuss von Fleisch, Wurst und Geflügel sollte auch in Zukunft mit einem guten Gewissen erfolgen. Das fordert auch der Verbraucher. Tierwohl, Qualitätssicherung und Nachverfolgbarkeit müssen umgesetzt werden, um den Verbraucher überzeugen zu können, dass er einen Preis zahlt, der die Wertschätzung für das Produkt Fleisch ausdrückt.“ Sein Fazit: „Wir haben auf unserem Fleischkongress in den nächsten Jahren immer Gesprächsstoff.“

Ein weiterer Programmteil war der Vortrag von Dr. Josef Efken vom Thünen-Institut in Braunschweig zum Thema „Analyse – Trends und Entwicklungen der Fleischmärkte“. Ob die positive Stimmung am Schlachtschweinemarkt so anhalten wird, vermochte Efken nicht zu sagen. Fakt sei aber, dass je stärker das Angebot zurückgeht, der Kampf um die Schweine zunimmt. „Sollten die Energiepreise wieder sinken und sollten sich die Probleme fehlender Lkw-Fahrer ebenfalls entspannen, ist auch von sinkenden Fleischpreisen auszugehen, da international ein größeres Angebot an Geflügel-, Rind- und Schweinefleisch in diesem Jahr gegenüber 2021 vermutet wird.“

Der Trend zu Tierwohl bleibt
Die Rohstoffkrise, die durch den Krieg in der Ukraine ausgelöst wurde, wird den Trend zu mehr Tierwohl nicht umkehren. Mit dieser klaren Botschaft erteilte Prof. Dr. Achim Spiller von der Uni Göttingen aktuellen Stimmungen eine Absage, der Verbraucher werde wegen teurer Energie und Inflation wieder zu billigen Produkten greifen – ohne Rücksicht auf das Tierwohl. Das Thema Tierwohl werde allenfalls kurzzeitig aus dem Fokus der Gesellschaft geraten, erklärte Spiller.

Zum Thema „Zukunft – Die nächsten 30 Jahre ‚Rotes Sortiment‘“ diskutierten außerdem Roland Verdev, Geschäftsführer von The Family Butchers, und Tobias Metten, Geschäftsführer Metten Fleischwaren. Beide Mitwirkende der Runde waren hier der Ansicht, dass die nächste Zeit aufgrund der Herausforderungen in der aktuellen Situation äußerst anspruchsvoll werden wird.