Kaffeekapseln Die Verwandlung

Immer mehr Hersteller vermarkten Kaffeekapseln aus sogenanntem Bio-Kunststoff, der als „kompostierbar“ oder „biologisch abbaubar“ deklariert wird. J. J. Darboven wurde dafür nun abgemahnt.

Freitag, 08. April 2022 - Management
Elena Kuss
Artikelbild Die Verwandlung
Bildquelle: Peter Eilers

Bequemlichkeit und Umweltschutz, zwei tiefe und doch so widersprüchliche Sehnsüchte des Verbrauchers, sollten sich endlich vereinbaren lassen: Die kurze Geschichte der kompostierbaren Kaffeekapsel klingt jedoch eher wie ein Drama, bei dem noch nicht klar ist, ob der Held am Ende stirbt. Die Darboven-Marke Mövenpick bietet seit Mai 2020 mit „Green Cups“ Kapseln aus Bio-Kunststoff im Lebensmitteleinzelhandel an. Das Verpackungsmaterial ist theoretisch industriell kompostierbar. Das belegt auch ein TÜV-Zertifikat. Das Problem: Nur wenige der abfallverarbeitenden Unternehmen in Deutschland können dieses Plastik verwerten, wie J. J. Darboven schriftlich selbst einräumte. Die Kapseln werden deshalb in der Regel vor Kompostierung aussortiert und landen in der Müllverbrennung. Deshalb mahnte der Verbraucherverein Foodwatch die Rösterei mit dieser Begründung für die Kapselwerbung ab. J. J. Darboven unterschrieb eine Unterlassungserklärung.

Greenwashing
Dabei erschien Bio-Plastik als Lösung für das den Umsatz bremsende Müllproblem des Segments. Lavazza stellte als erster großer Hersteller im Herbst 2019 sein Kapselsortiment auf Bio-Plastik um. Start-ups wie Rezemo oder My Cups landeten im Lebensmitteleinzelhandel mit kompostierbaren Kapseln Achtungserfolge. Edeka stellte im September 2020 seine Eigenmarke Gut & Günstig auf Kapseln aus Sonnenblumenkernschalen um. Dallmayr ist mit Gran Verde mit einer kompostierbaren Kapsel im Supermarktregal vertreten. Doch was bedeutet die Abmahnung von J. J. Darboven nun für die Branche? Dario Sarmadi von Foodwatch meint: „Vermeintlich grüne Kaffeekapseln sind ein Versuch von Herstellern, ihr fragwürdiges Geschäftsmodell zu erhalten. Deswegen halten wir die Begriffe ‚kompostierbar‘ und ‚biologisch abbaubar‘ auf Kaffeekapseln für irreführendes Greenwashing – egal von welchem Hersteller.“ Ob nun auch die anderen Hersteller nachziehen und die Werbung für ihre Kapseln unterlassen, ist noch offen. Weder Lavazza noch Dallmayr wollten sich auf Anfrage der Lebensmittel Praxis dazu äußern.

„Auch das noch“, mag der eine oder andere Hersteller vielleicht gedacht haben. Denn der Umsatz mit den Kapseln wächst in Deutschland laut aktuellen Zahlen des Marktforschungsinstituts Nielsen sowieso schon deutlich langsamer als mit anderen Zubereitungsarten. Der selbstständige Kaufmann Akbar Hadafmand kann das nur bestätigen: „Das Geschäft mit Kaffeekapseln läuft nicht so gut wie früher, die Kunden greifen mehr zu Ganze-Bohnen-Kaffee.“ Die Mövenpick „Green Cups“ nahm der Rewe-Händler gar nicht erst ins Sortiment auf.

JDE, laut Nielsen auch 2021 Marktführer im Segment Nespresso-kompatible Kapsel (NCC), sieht in der Kleinstverpackung trotzdem großes Potenzial. Das NCC-Segment sei neben dem Segment Xin1 und Ganze Bohne nach wie vor ein wichtiger Wachstumstreiber auf dem Kaffeemarkt. Auch der Schweizer Kaffeeröster Delica investierte jüngst einen mehrstelligen Millionenbetrag in eine voll automatisierte Maschine, die Alukapseln mit Kaffeepulver befüllt. Die Convenience eines Portionensystems überzeuge international und auch in Deutschland weiterhin viele Konsumenten, heißt es seitens des Unternehmens.

Die Menge macht es
Während die Kritik einfach nicht verstummen will, versuchen Kaffeekapselhersteller, den Fokus von der Verpackung wieder auf den gesamten Prozess zu lenken. Ab 2022 soll beispielsweise jede Tasse Nespresso-Kaffee klimaneutral sein, so das Unternehmen. Das umfasse die gesamte Lieferkette und schließe auch das Recycling der Kapsel mit ein. Andere Unternehmen wie JDE kommunizieren prozentuale Ziele. Ausgehend vom Basisjahr 2020 will der Röster die Emissionen aus den eigenen Betrieben bis 2030 um 25 Prozent reduzieren. Die Emissionen der Wertschöpfungskette sollen um 12,5 Prozent reduziert werden.

Dabei scheint eine Größe im Zusammenhang mit dem Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit besonders relevant: die Kaffeemenge, die pro Tasse verwendet wird. Denn der größte Teil des Fußabdruckes einer Tasse Kaffee stecke in den Bohnen selbst, so die Delica. Es zähle also jedes Zehntelgramm. Kapselsysteme seien in diesem Punkt sehr optimiert unterwegs. Sarmadi von Foodwatch ‧widerspricht: „Grundsätzlich ist das grammweise Verpacken von Kaffee nicht nachhaltig und sollte auch nicht dementsprechend beworben werden. Für die Kaffeezubereitung stehen weitaus ökologischere Methoden zur Verfügung.“

Pads für den Kompost
JDE will auch den Verbrauchertraum der kompostierbaren Verpa‧ckung noch nicht aufgeben. Der Röster setzt jedoch nicht auf die Kaffeekapsel, sondern auf Pads. Senseo gibt es nun auch in biologisch abbaubarer Papierumhüllung und mit nachhaltig zertifiziertem Kaffee. Die Pads bestünden zu über 99 Prozent aus Kaffee und Filterpapier, der restliche Anteil bestehe aus biologisch abbaubaren Fasern, die die Kleinstverpackung zusammenhalten. Hier ergebe es deutlich mehr Sinn, auf Kompostierbarkeit zu setzen, so das Unternehmen.

Jenny Sydow, Marketing-Managerin bei JDE Deutschland, erklärt: „Wir haben uns zum Ziel gesetzt, bis 2025 alle unsere Verpackungen entweder recycelbar, kompostierbar oder wiederverwendbar zu gestalten.“

Bei der Kaffeekapsel ist das Material der Wahl für den Marktführer Aluminium. Das Metall stehe für höchste Kaffeequalität, da es die Kaffeearomen in der Kapsel optimal vor äußeren Einflüssen schütze. Ein Argument, auf das alle Röster hinweisen, die auf Aluminium setzen. Und das werden immer mehr. 75 Prozent der Kapseln im Regal bestehen daraus. 2017 ermöglichte eine Entscheidung des Bundespatentgerichts, dass auch andere Hersteller neben Nespresso ihre Kapseln komplett aus Aluminium produzieren dürfen. Die Delica-Marke Café Royal stellte 2019 auf das Metall um. Dallmayr bietet seit Mai 2021 reine Alukapseln an.
Die Nielsen-Zahlen zeigen, dass sich die Umstellung lohnt. Der Umsatz mit Nespresso-kompatiblen Kapseln aus Aluminium wuchs 2021 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 11,5 Prozent.

Nachhaltig mit Alu
Gleichzeitig wird die Metallkapsel nachhaltiger: Entsorgtes Aluminium kann laut Umweltbundesamt zu 84 Prozent zu Sekundäraluminium verarbeitet werden. Der Energieaufwand sei um 95 Prozent geringer als für Primäraluminium. Generell machen Unternehmen in diesem Punkt Fortschritte: Nespresso-Kapseln bestehen beispielsweise zu 80 Prozent aus recyceltem Aluminium. Die Delica will nachziehen und bereitet eine Kapsel vor, die rezykliertes Aluminium beinhaltet. Ein Einführungstermin stehe noch nicht fest. Auch die Verbraucherorganisation Foodwatch positioniert sich klar: ‧Recycling sei grundsätzlich besser als Kompostierung. Im Vergleich haben Kunststoffkapseln – egal ob bio oder nicht bio – schlechtere Recycling-Quoten als die Variante aus Aluminium.