Interview Wiemer - Rewe Das ganz große Rad gedreht

Auf einer Skala von eins bis zehn bewegt sich die Rewe-Logistik zwischen den Werten fünf bis sechs. Was das bedeutet und wie bis Ende nächsten Jahres daraus eine zehn wird, erklärt Frank Wiemer, als Vorstand der Rewe Group für diese Themen verantwortlich, im LP-Gespräch. Der Top-Manager zieht nach einjähriger Amtszeit eine erste Bilanz.

Freitag, 03. September 2010 - Management
Markus Oess

Vorstand Frank Wiemer treibt die Strukturreform der Rewe-Logistik voran. Aber er hat noch mehr vor. Wie sich die Rewe künftig aufstellt und was Nachhaltigkeit für IT bedeutet.

Herr Wiemer, Sie sind etwas mehr als ein Jahr im Vorstand der Rewe-Group, läuft alles?
Frank Wiemer: Ich bin sehr zufrieden. Die Rewe ist ein tolles Unternehmen und sehr gut aufgestellt. Die Motivation der Mitarbeiter ist in allen Bereichen hervorragend. Die Zusammenarbeit mit meinen Kollegen im Vorstand ist sehr konstruktiv und operativer als in anderen Unternehmen dieser Größenordnung. Es macht Spaß, neue Dinge anzupacken, und es zeigen sich erste Erfolge.

Sie sprechen die Logistik-Offensive an, die Sie vorantreiben. Wo steht die Rewe heute?
Ich würde sagen, auf einer Skala von eins bis zehn bewegen wir uns zwischen fünf und sechs. Ende des Jahres werden wir bei acht stehen und Ende 2011 die zehn erreichen. Dann verfügt die Rewe über eine moderne Logistik-Struktur auf internationalem Niveau. Die operative Verantwortung der Logistik liegt mittlerweile voll und ganz in den Händen der strategischen Geschäftseinheiten (SGE). Zudem haben wir die Basis für weitgehend einheitliche Logistik- und IT-Prozesse über alle Geschäftseinheiten gelegt. Das spart Kosten, auch wenn das in diesem Zusammenhang nicht oberste Priorität besitzt. Wir wollen vielmehr Verantwortlichkeiten dorthin verlagern, wo Sie auch entstehen. Die Logistikleistungen sind auf die Bedürfnisse jeder einzelnen SGE optimal ausgerichtet.

Das heißt was?
Schon heute stimmt die Qualität, wir kommen auf benchmarkfähige Leistungskennziffern. Wir werden aber im Zeitraum von 2007 bis 2013 den Lagerumsatz um 40 Prozent steigen und die Flächenproduktivität um 20 Prozent. Das heißt, wir werden die Lager- und Fuhrparkkosten erheblich senken.

Wie sieht es mit Ihren ausländischen Aktivitäten aus?
Dort sind wir schon historisch bedingt anders unterwegs und verfügen über modernere Strukturen. Nach der Adeg-Integration werden wir die Logistik in Österreich neu aufstellen, die Grundsteine hierfür sind schon gelegt.

Wie wird die neue Struktur dort aussehen?
Aktuell haben wir in Österreich sechs Regionallager plus ein Regionallager der Adeg, sowie je ein Zentrallager von uns und von der Adeg. Künftig werden wir zwei Zentral- und acht Regionallager betreiben.

Was ist mit den anderen Ländern?
Wir prüfen gerade die Strukturen in Italien, dort besitzen wir kein eigenes Logistikzentrum. Außerdem überlegen wir, ob wir in Russland im Großraum Moskau ein erstes Zentrallager betreiben werden. Aber wie gesagt, international stehen wir, was die Lagerstrukturen betrifft, zur Zeit noch besser da als national. Da besteht aktuell kein großer Handlungsbedarf mit hohen Investitionen.

Hier zu Lande wurden Discount und Vollsortimenter getrennt, sind Sie im Plan?
Wir sind voll im Plan. Die Trennung der Verantwortung für die operative Logistik wurde zum Januar eingeleitet. Es entstehen zwei moderne und leistungsfähige Logistiknetze mit eigenen Lagern und eigenen Fuhrparks.

Was ist das für Sie Wichtigste an dem Projekt?
Mit den SGE wurden klare Verantwortungen bzw. Spielregeln für die Zusammenarbeit zwischen der zentralen Logistik und der operativen Logistik der SGE festgelegt. Die zentrale Logistik ist verantwortlich für strategische Projekte und wir kümmern uns um ein einheitliches Logistik-Controlling und sorgen für eine ordentliche Datenbasis, definieren zusammen mit den SGE einheitliche KPIs etc. Wie gesagt, sind die strategischen Geschäftseinheiten für die operative Logistik verantwortlich. Das schafft schlanke Strukturen mit klaren Verhältnissen unter der Leitung von Herrn Moosmüller für die Logistik der SGE Discount und Herrn Bähr für die Logistik des Vollsortiments. Dies sorgt auch für beschleunigte Prozesse. Mit den neuen Lagerstrukturen sind wir näher an den zu beliefernden Märkten und die Flächenproduktivität wird, wie bereits erwähnt, um 20 Prozent steigen. Wir werden mit unserer neuen Logistikstruktur die Kosten spürbar reduzieren, bei gleichzeitiger Erhöhung der Qualität. Und da wir auch noch weniger Kilometer fahren, ist dies auch gut für die Umwelt. Die Telematik, mit der wir dann den kompletten Waren- bzw. Datenverkehr elektronisch verfolgen können, werden wir bis April ausgerollt haben. 


Werden Sie Ihr Budget einhalten?
Wir werden bis 2013 nicht mehr Geld ausgeben als geplant, sondern unser Bau-Budget von 750 Mio. Euro, davon 100 Mio. Euro für die Einrichtung der Lager, deutlich unterschreiten. Zum einen mieten wir einen Lagerstandort im Großraum Stuttgart, wo eigentlich ein Neubau vorgesehen war. Zum anderen hat die Wirtschaftskrise positive Auswirkungen auf die Baukosten.

Welchen Beitrag haben die Lieferanten zu leisten?
Was wir jetzt angehen werden, ist die Einführung einer integrierten Beschaffungslogistik, das heißt, wir wollen die Prozesshoheit von der Rampe des Lieferanten bis in den Markt selbst in den Händen halten. Was wir erwarten ist, dass uns die Industrie für diese Dienstleistung das Gleiche zahlt, was sie selbst für ihre eigenen Logistikkosten im Streckengeschäft bzw. für die Belieferung unserer Lager veranschlagt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

was passiert bei der IT?
Auch hier haben wir Einiges erreicht. Wir haben unser vom EHI preisgekröntes Warenwirtschaftssystem ZAM weitgehend in den SGEn Vollsortiment und Discount ausgerollt. Es fehlen noch ein paar Märkte, aber Ende April sind wir durch. Bis Mitte 2011 werden wir Toom aufgeschaltet haben, so dass wir dann im Food-Sektor ein durchgängig einheitliches Warenwirtschaftssystem im Einsatz haben werden. Mit T-Systems installierten wir ein neues nationales Netzwerk, das uns Einsparungen im mittleren Mio.-Bereich bringen wird. Schließlich entwickelten wir ein neues, schnelleres Kassensystem in Kooperation mit Wincor Nixdorf, die Rewe Box IV, das uns Einsparungen von 1 Mio. Euro pro Jahr bringt. Und wir haben uns schließlich mit einer offenen Service-Architektur von Großrechnern unabhängig gemacht. Die Rewe setzt auf Green IT. Unterstützt wird die Rewe Informationssysteme (RIS) durch die IBM. Das Projekt wurde vor zwei Jahren gestartet. Jetzt setzen wir auf kleinere, aber schnellere Rechner und verwenden JAVA als neue Programmiersprache. Dank dieser Maßnahme können wir durch Effizienzsteigerung und Kostenreduktion einen hohen zweistelligen Mio.-Betrag einsparen. Unser Rechenzentrum unter Leitung unserer IT-Einheit RIS, das immerhin mehrere Hundert Mitarbeiter beschäftigt, wurde vergangenen Dezember vom TÜV Rheinland als eines von fünf großen energie-effizienten Rechenzentren ausgezeichnet.

Zwischenzeitlich ist der RFID-Hype abgeebbt, was läuft bei Ihnen?
Wie Sie wissen, testen wir mit 50 Lieferanten RFID-Tags an Paletten in Norderstedt, Wiesloch und Rosbach. Ich sehe in nächster Zeit nicht, dass die Tags auch auf dem Joghurt-Becher Einzug in unsere Supermärkte halten werden. Das ist mit Blick auf den Preis solcher Tags nicht möglich. Auf hochwertigen Produkten wie Textilien in Kombination mit Artikelsicherung sieht das wieder anders aus. Aus diesem Grund haben wir uns auch entschlossen, das bestehende RFID-Projekt zwar weiterlaufen zu lassen, aber vorerst keine weiteren Lieferanten aufzuschalten. Wir geben RFID nicht auf, sondern setzen die Technik dort ein, wo sie bezahlbar und sinnvoll ist. Wir haben RFID an eigenen Ladungsträgern wie Fleischkisten, Tiefkühlboxen oder Rollcontainern im Einsatz. Die Ladungsträger sind zur Sicherheit noch mit Barcode und Klarschrift versehen. In Buttenheim haben wir auch ein neues Lesesystem „Mojix“ im Einsatz, das den gesamten Bereich förmlich abscannt und dadurch die Leserate noch einmal steigert. Mit diesem Projekt erhalten wir genauere Daten von Umschlagshäufigkeit, Schwund und Reparatur der Behälter.
Discountboom, wohnortnahe Versorgung, Ressourcenknappheit zwingen zum Umdenken.

Wie wird sich die Rewe in der Logistik den Herausforderungen der Zukunft stellen?
Wenn wir mit unserer Logistik-Strukturreform vollständig durch sind, verfügen wir über eines der modernsten und leistungsfähigsten Lagernetzwerke in Deutschland. Wir setzen an einigen Standorten bereits Photovoltaik ein, nicht als Nice-to-have, sondern weil nachhaltiges Wirtschaften Teil unserer Philosophie ist. Wir werden über die Jahre immer wieder Anpassungen vornehmen, aber das ganz große Rad wird dann gedreht sein. Die Themen Nachhaltigkeit und Energieverbrauch, vor allem aber die steigenden Energiekosten, werden uns weiter verfolgen, mit der Konsequenz, dass die Lager tendenziell wieder näher zu den Menschen wandern. Allerdings muss sich auch die Politik etwa bei der Belieferung wohnortnaher Märkte bewegen und nicht nur von globalen Vorgaben sprechen. Wir müssen die Chance haben, wohnortnahe Märkte und Märkte in den Innenstädten adäquat beliefern zu können.

Das komplette Interview unter www.lpvnet.de/titelstory„Wir werden über eines der modernsten Lagernetzwerke in Deutschland verfügen.“

{tab=Unternehmen}

  • Die Rewe Group, 1927 gegründet, beschäftigt 320.000 Menschen in 16 Ländern Europas.
  • In Deutschland arbeiten für die Rewe 210.000 Menschen in 10.000 Märkten (Supermärkte, Discounter, SB-Warenhäuser, Fachmärkte, Reisebüros), Umsatz rund 34 Mrd. Euro.
  • Im Bereich B2B liegt der Umsatz in Europa bei mehr als 6 Mrd. Euro.
  • Der Gesamtumsatz erreicht mehr als 50 Mrd. Euro.

{tab=Zur Person}

  • Name Frank Wiemer
  • Job Vorstand Rewe Group (Logistik, Immobilien, IT, Unternehmenssicherheit)
  • Geboren 1959 in Mainz
  • Ausbildung Lehre im elterlichen Betrieb, Karriere-Start bei Werner & Mertz, Abendstudium zum Verkehrsfachwirt, Führungspositionen bei Nestlé, Interspe/Codis, Metro Group

Marketing