Interview Wiemer - Rewe Das ganz große Rad gedreht - Seite 2

Auf einer Skala von eins bis zehn bewegt sich die Rewe-Logistik zwischen den Werten fünf bis sechs. Was das bedeutet und wie bis Ende nächsten Jahres daraus eine zehn wird, erklärt Frank Wiemer, als Vorstand der Rewe Group für diese Themen verantwortlich, im LP-Gespräch. Der Top-Manager zieht nach einjähriger Amtszeit eine erste Bilanz.

Freitag, 03. September 2010 - Management
Markus Oess

Werden Sie Ihr Budget einhalten?
Wir werden bis 2013 nicht mehr Geld ausgeben als geplant, sondern unser Bau-Budget von 750 Mio. Euro, davon 100 Mio. Euro für die Einrichtung der Lager, deutlich unterschreiten. Zum einen mieten wir einen Lagerstandort im Großraum Stuttgart, wo eigentlich ein Neubau vorgesehen war. Zum anderen hat die Wirtschaftskrise positive Auswirkungen auf die Baukosten.

Welchen Beitrag haben die Lieferanten zu leisten?
Was wir jetzt angehen werden, ist die Einführung einer integrierten Beschaffungslogistik, das heißt, wir wollen die Prozesshoheit von der Rampe des Lieferanten bis in den Markt selbst in den Händen halten. Was wir erwarten ist, dass uns die Industrie für diese Dienstleistung das Gleiche zahlt, was sie selbst für ihre eigenen Logistikkosten im Streckengeschäft bzw. für die Belieferung unserer Lager veranschlagt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

was passiert bei der IT?
Auch hier haben wir Einiges erreicht. Wir haben unser vom EHI preisgekröntes Warenwirtschaftssystem ZAM weitgehend in den SGEn Vollsortiment und Discount ausgerollt. Es fehlen noch ein paar Märkte, aber Ende April sind wir durch. Bis Mitte 2011 werden wir Toom aufgeschaltet haben, so dass wir dann im Food-Sektor ein durchgängig einheitliches Warenwirtschaftssystem im Einsatz haben werden. Mit T-Systems installierten wir ein neues nationales Netzwerk, das uns Einsparungen im mittleren Mio.-Bereich bringen wird. Schließlich entwickelten wir ein neues, schnelleres Kassensystem in Kooperation mit Wincor Nixdorf, die Rewe Box IV, das uns Einsparungen von 1 Mio. Euro pro Jahr bringt. Und wir haben uns schließlich mit einer offenen Service-Architektur von Großrechnern unabhängig gemacht. Die Rewe setzt auf Green IT. Unterstützt wird die Rewe Informationssysteme (RIS) durch die IBM. Das Projekt wurde vor zwei Jahren gestartet. Jetzt setzen wir auf kleinere, aber schnellere Rechner und verwenden JAVA als neue Programmiersprache. Dank dieser Maßnahme können wir durch Effizienzsteigerung und Kostenreduktion einen hohen zweistelligen Mio.-Betrag einsparen. Unser Rechenzentrum unter Leitung unserer IT-Einheit RIS, das immerhin mehrere Hundert Mitarbeiter beschäftigt, wurde vergangenen Dezember vom TÜV Rheinland als eines von fünf großen energie-effizienten Rechenzentren ausgezeichnet.

Zwischenzeitlich ist der RFID-Hype abgeebbt, was läuft bei Ihnen?
Wie Sie wissen, testen wir mit 50 Lieferanten RFID-Tags an Paletten in Norderstedt, Wiesloch und Rosbach. Ich sehe in nächster Zeit nicht, dass die Tags auch auf dem Joghurt-Becher Einzug in unsere Supermärkte halten werden. Das ist mit Blick auf den Preis solcher Tags nicht möglich. Auf hochwertigen Produkten wie Textilien in Kombination mit Artikelsicherung sieht das wieder anders aus. Aus diesem Grund haben wir uns auch entschlossen, das bestehende RFID-Projekt zwar weiterlaufen zu lassen, aber vorerst keine weiteren Lieferanten aufzuschalten. Wir geben RFID nicht auf, sondern setzen die Technik dort ein, wo sie bezahlbar und sinnvoll ist. Wir haben RFID an eigenen Ladungsträgern wie Fleischkisten, Tiefkühlboxen oder Rollcontainern im Einsatz. Die Ladungsträger sind zur Sicherheit noch mit Barcode und Klarschrift versehen. In Buttenheim haben wir auch ein neues Lesesystem „Mojix“ im Einsatz, das den gesamten Bereich förmlich abscannt und dadurch die Leserate noch einmal steigert. Mit diesem Projekt erhalten wir genauere Daten von Umschlagshäufigkeit, Schwund und Reparatur der Behälter.
Discountboom, wohnortnahe Versorgung, Ressourcenknappheit zwingen zum Umdenken.

Wie wird sich die Rewe in der Logistik den Herausforderungen der Zukunft stellen?
Wenn wir mit unserer Logistik-Strukturreform vollständig durch sind, verfügen wir über eines der modernsten und leistungsfähigsten Lagernetzwerke in Deutschland. Wir setzen an einigen Standorten bereits Photovoltaik ein, nicht als Nice-to-have, sondern weil nachhaltiges Wirtschaften Teil unserer Philosophie ist. Wir werden über die Jahre immer wieder Anpassungen vornehmen, aber das ganz große Rad wird dann gedreht sein. Die Themen Nachhaltigkeit und Energieverbrauch, vor allem aber die steigenden Energiekosten, werden uns weiter verfolgen, mit der Konsequenz, dass die Lager tendenziell wieder näher zu den Menschen wandern. Allerdings muss sich auch die Politik etwa bei der Belieferung wohnortnaher Märkte bewegen und nicht nur von globalen Vorgaben sprechen. Wir müssen die Chance haben, wohnortnahe Märkte und Märkte in den Innenstädten adäquat beliefern zu können.

Das komplette Interview unter www.lpvnet.de/titelstory„Wir werden über eines der modernsten Lagernetzwerke in Deutschland verfügen.“

{tab=Unternehmen}

  • Die Rewe Group, 1927 gegründet, beschäftigt 320.000 Menschen in 16 Ländern Europas.
  • In Deutschland arbeiten für die Rewe 210.000 Menschen in 10.000 Märkten (Supermärkte, Discounter, SB-Warenhäuser, Fachmärkte, Reisebüros), Umsatz rund 34 Mrd. Euro.
  • Im Bereich B2B liegt der Umsatz in Europa bei mehr als 6 Mrd. Euro.
  • Der Gesamtumsatz erreicht mehr als 50 Mrd. Euro.

{tab=Zur Person}

  • Name Frank Wiemer
  • Job Vorstand Rewe Group (Logistik, Immobilien, IT, Unternehmenssicherheit)
  • Geboren 1959 in Mainz
  • Ausbildung Lehre im elterlichen Betrieb, Karriere-Start bei Werner & Mertz, Abendstudium zum Verkehrsfachwirt, Führungspositionen bei Nestlé, Interspe/Codis, Metro Group

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