Tiefkühl-Star 2020 Von wegen unterkühlt

Der Boom bei Tiefkühlkost flacht zwar derzeit etwas ab, doch das gesamte Segment wird nach Ansicht der Shopper-Experten von GS1 Germany weiterhin sehr stark bleiben.

Freitag, 27. November 2020 - Management
Andrea Kurtz
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„Der Shopper brennt für Tiefkühlkost“: So visionär hatte es Birgit Schröder, Lead Shopper Experience bei GS1 Germany in Köln vor der Corona-Krise postuliert. Inzwischen geben ihr alle Marktforschungsinstitute recht – und das Shopper-Verhalten hat sich in Sachen TK nachhaltig verändert. Beispielsweise habe sich die Einkaufshäufigkeit in der ersten (und derzeit wieder aktiven) Hamsterphase deutlich erhöht – ganz im Gegensatz zu den eher rückläufigen Einkäufen vor Corona. Trotz, aber auch gerade wegen der Corona-Umstände, reagierten die Kunden also offenbar auf den größeren Bedarf in ihren Haushalten, meint Schröder: „Die Außer-Haus-Versorgung, auch in den Schulen oder Kitas, brach komplett weg.“ Auch jetzt arbeiteten ja die meisten Kunden schwerpunktmäßig weiter von zu Hause aus und würden daher ihre tägliche und wöchentliche Bevorratung ganz anders steuern. Aber im Gegensatz dazu wird das One-Stop-Shopping stärker: Es würden weniger Einkaufsstätten aufgesucht, man versuche, alles möglichst an einem Ort zu besorgen. Dadurch haben insbesondere die Vollsortimenter stark gewonnen – im Gegensatz zum Discounter und auch zu den Drogeriemärkten. Der Kunde vermisse hier die kompletten Sortimente. Diese Tendenz werde jetzt zum Herbst durch die steigenden Infektionszahlen sowie den Lockdown light stärker werden.

Corona-Effekt ab März
Der Markt für FMCG, erläutert Birgit Schröder mit Blick auf die GfK-Ergebnisse, wachse insgesamt um um 11,4 Prozent im Zeitraum Januar–September 2020 versus Vorjahr (ohne Fachhandel). Die Vollsortimenter entwickeln sich mit 16,5 Prozent überproportional. Alle anderen Vertriebsschienen liegen unter diesem Wert. „Im vergangenen Jahr hat sich diese Tendenz schon abgezeichnet: Die Vollsortimenter machen einfach einen guten Job“, sagt Schröder. Bisher habe sich auch noch nicht gezeigt, dass Kunden extrem sparen würden. Die Sicherheit bei einem One-Stop-Shopping zähle offenbar mehr als die möglichen Preisvorteile beim Aufsuchen verschiedener Einkaufsstätten.

Schaut man auf die einzelnen Kategorien im Lebensmittelhandel, wuchs der Markt laut GfK sogar um 12,2 Prozent. Die Tiefkühlkost liegt an fünfter Stelle dieser Entwicklung, hinter den Frischekategorien, den alkoholhaltigen Getränken und sonstigen Nahrungsmitteln. Die Kategorie liegt mit 13,7 Prozent gut über dem Durchschnitt. Vor allem der hohe Convenience-Grad scheint die Kunden weiter zu überzeugen. „Wer im Homeoffice arbeitet oder die Kinder zu Hause betreut, braucht manchmal schnell etwas zu essen“, beschreibt Schröder. So erkläre sich der Siegeszug von Pizza oder Fischstäbchen. Doch es gebe auch die Gegenentwicklung: Das Interesse am Kochen wachse, weil Menschen zwangsweise mehr zu Hause blieben und in Zeiten einer Pandemie die Grundbedürfnisse wieder stärker in den Fokus rückten. Diese guten Voraussetzungen würden auch weiterhin einen stabilen Boom von Tiefkühlkost plausibel machen. „Die Zahlen werden auf jeden Fall noch länger über dem Ausgangsniveau vor dem Corona-Effekt bleiben“, prognostiziert Birgit Schröder.

Sortiment ausbauen
Dem Handel empfiehlt die GS1-Expertin auf jeden Fall, sein TK-Sortiment mit großer Vielfalt und Innovationen auszubauen: „Kunden wird es rasch einmal langweilig, daher sollten Einzelhändler immer die Abwechslung und die Variationsmöglichkeiten im Blick haben.“ Das spiele auch wieder die Stärke des Vollsortimenters aus, denn diese Möglichkeit hätte der Discount beispielsweise einfach nicht in dem Umfang wie die Händler mit größeren Flächen. Es könnte dabei hilfreich sein, die Kundenvorlieben bei der Außer-Haus-Verpflegung im Auge zu haben und ein ähnliches Angebot vorzuhalten. „Wer sich fragt, wie kann ich dem Kunden denn etwas Gutes tun, kommt mit Blick auf die Gastronomie sicher auf gute Ideen“, meint Schröder. Allerdings sei im Moment ein funktionales Ladenlayout für die meisten Kunden sicher verlockender, weil es Schnelligkeit vermittele. „Für Zweitplatzierungen oder aufwendige Dekorationen hat der Kunden in meinen Augen derzeit eher keinen Blick“, vermutet Schröder.

Ein erfreuliches Segment innerhalb der Tiefkühlkost sind übrigens die Süßspeisen – und damit ist nicht Speiseeis gemeint, sondern eher Mousse-Spezialitäten oder andere Cremes. Allein im August hatte dieses Segment ein Plus von rund 16 Prozent – wohl weil die Kunden sich in den Ferien des Corona-Jahrs den ein oder anderen Nachtisch mehr gönnten. Im September hat das anhaltend schöne Wetter dem Speiseeis noch einmal einen Push beschert. Aber auch die TK-Fertiggerichte und -Snacks, TK-Backwaren sowie TK-Obst und -Säfte wachsen weiterhin deutlich gegenüber dem Vorjahr.