Tierwoh-umfrage Wohl der Tiere?

Das Ernährungsbewusstsein steigt – auch der Wunsch nach Fleischprodukten aus artgerechter Tierhaltung. Einige wollen dafür sogar mehr zahlen.

Donnerstag, 21. September 2017, 22:04 Uhr
Reiner Mihr
Artikelbild Wohl der Tiere?

Herkunft, Aufzucht, Anbau sind für fast ein Drittel der deutschen Kunden beim Einkauf wichtig. Aber auch Themen wie Regionalität und Nachhaltigkeit fördern den Wunsch der Verbraucher nach Fleischprodukten aus artgerechter Haltung. Und immerhin würden 27 Prozent der Deutschen mehr Fleisch und Wurst essen, sofern es ausreichend Produkte gibt, die aus artgerechter Haltung stammen. So lautet das Ergebnis einer Umfrage der Lebensmittel Praxis in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsunternehmen You-Gov.

Drei Vorteile
  • 30 Prozent weniger Kosten
  • individuelles Design möglich
  • weniger Energieverbrauch

Gleichzeitig sinkt aktuell der Fleisch- und Wurstkonsum. 38 Prozent derjenigen, die weniger Wurst und Fleisch essen, geben an, dass sie dies deshalb tun, weil sie mehr über die Haltungsbedingungen erfahren haben. In der Gruppe derjenigen, die für artgerechte Haltung mehr ausgeben würden, haben sogar 47 Prozent ihren Fleischkonsum reduziert. Nicht artgerechte Tierhaltung ist also wesentlich mitverantwortlich für den Rückgang des Konsums. Leider würden nur 47 Prozent der Befragten auch mehr Geld für Produkte aus artgerechter Haltung ausgeben – aber immerhin. Fast naturgemäß sind diese auch mit mehr Haushaltsnettoeinkommen ausgestattet. Aber es sind vor allem die Jüngeren, die das wollen. Alles in allem eine vielversprechende Zielgruppe.

Die Meinung der Parteien

Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) hat auf unsere Anfrage bis Redaktionschluss nicht reagiert.

CDU und CSU: Nutztierstrategie
CDU und CSU sehen in Landwirtschaft und Tierschutz keine Gegensätze. Ziel sei eine zukunftsfähige Tierhaltung: „Es ist uns wichtig, dass die Tierhaltung in der Hand und im Eigentum bäuerlicher Familienbetriebe bleibt. Wir werden eine Nutztierhaltungsstrategie umsetzen, die das Tierwohl stärker berücksichtigt, gesellschaftliche Akzeptanz herstellt und die Investitions- und Planungssicherheit der Betriebe erhöht. Dabei geht es z. B. um die Förderung des Baus tiergrechter Ställe, die Erarbeitung von Tierwohlindikatoren und mehr Forschung. Wir wollen ein neues staatliches Tierwohllabel. Höhere Leistungen im Tierschutz müssen zu mehr Erlösen führen.“

Die Grünen: Drei Säulen
Die Grünen wollen mehr Tierwohl durchsetzen und Tierschutz in der Landwirtschaft auf drei Füße stellen: „1. Wir sorgen dafür, dass die Regeln stimmen. Mehr Platz, Auslauf, Licht und Beschäftigung. Wir beenden Tierleid, Kükentöten, Amputationen und Qualzucht. 2. Wir sorgen dafür, dass die Förderung stimmt. Die Bäuer*innen müssen diesen Umbau mitgehen können. Gute Tierhaltung muss sich auch wirtschaftlich lohnen. Durch gezielte Förderung. 3. Wir sorgen dafür, dass die Bürger*innen wissen, was sie kaufen. Wir wollen bei Fleisch und Milch eine verbindliche Tierhaltungskennzeichnung einführen.“

Die AfD: Kurze Wege
Die AfD setzt sich für eine Belebung regionaler Versorgungsnetzwerke und Stärkung der heimischen landwirtschaftlichen Erzeugung mit kurzen Wegen zum Verbraucher ein. „Die größte Gefahr für das Tierwohl ist das weltweite Preisdumping, das zu Massentierhaltung und lndustrialisierung der Landwirtschaft führt. Tierwohl erfordert Wertschätzung, die sich auch in der Honorierung von Kosten für erhöhte lnvestitionen ausdrückt. Eine alleinige Verschärfung von Vorschriften führt bei fehlender Finanzierung zur Abwanderung der Betriebe ins Ausland und weiteren Konzentrationsprozessen in der Tierhaltung. Schächtung von Tieren lehnen wir grundsätzlich ab.“

Die FDP: Nicht so starr
Die FDP setzt sich für eine artgerechte Tierhaltung und Tierernährung ein: „Wünschenswerte Verbesserungen bei der Nutztierhaltung wollen wir durch eine gezielte Agrarinvestitionsförderung erreichen. Starre ordnungsrechtliche Vorgaben oder zu ehrgeizige Tierwohl- Zertifizierungen überfordern hingegen vor allem kleine Landwirtschaftsbetriebe. Wir wollen eine Fischerei, welche die Bestände erhält und den Naturund Tierschutz sichert. Dazu  soll die Grundschleppnetz- Fischerei beschränkt werden. Das Grundnahrungsmittel Fisch ist durch die Überfischung der Meere gefährdet. Moderne Aquakultur ist ein Schlüssel zur Lösung.“

Die Linke: Ethisch gerechter
Die Linke will einen gesetzlichen Rahmen: Verbraucher müssen bei jedem Lebensmittel mit tierischen Bestandteilen Klarheit über den Tierschutz haben. „Die industrielle Tierhaltung in Großställen ist weder tiergerecht noch ethisch vertretbar. Wir fordern daher generell deutlich kleinere Tierbestände. Die Haltung von Legehennen in Kleingruppen-Käfigen ist zu untersagen. Neue hohe Standards für die Tierhaltung müssen ein Verbot der Qualzucht und von Amputationen (Schnäbel, Hörner, Schwänze) beinhalten. Die betäubungslose Kastration männlicher Ferkel muss untersagt werden. Lebendtiertransporte von mehr als vier Stunden dürfen nicht mehr durchgeführt werden.“

Glückliche Tiere, glückliche Kunden?

Das Marktforschungsunternehmen You-Gov fragt die Deutschen zu fast jedem Thema: in Zusammenarbeit mit der LP auch zum Thema Tierwohl:

Die Deutschen sind ein Volk von Tierliebhabern. Kein Wunder also, dass etwa acht von zehn noch mehr Regeln und Gesetze zur artgerechten Tierhaltung fordern. An der Kasse im LEH hört die Tierliebe für viele Kunden aber erstaunlicherweise auf: Mehr als jeder zweite Deutsche würde jedenfalls nicht mehr Geld ausgeben wollen für die Fleischprodukte aus artgerechterer Haltung.

Klar ist also: Die aus der Tierwohldebatte suggerierte Notwendigkeit einer drastischen Sortimentsumstellung auf vollkommen „artgerecht“ geht am Verbraucher vorbei. Was bedeuten unsere Ergebnisse für den Handel? Zum einen ist ein Engagement in Sachen Tierwohl grundsätzlich unerlässlich – das gilt für alle Produktkategorien und Preisstufen.

Das Siegel der Initiative Tierwohl ist hier derzeit allerdings noch nicht zielführend – mangelnde Bekanntheit, mangelndes Vertrauen. Zum anderen gilt es die unterschiedliche Zahlungsbereitschaft der Konsumenten zu nutzen und gerade den potenziellen Mehrzahlern das richtige Angebot zu machen.

Die Größe dieser Gruppe (fast jeder Zweite) verspricht ein großes Potenzial. Einhergehend mit der entsprechenden Kommunikation – die wiederum auf alle Kundengruppen abstrahlen dürfte.

Das lohnt sich, denn die Zielgruppe ist – das zeigt unsere Analyse detailliert – sehr attraktiv, da sie ohnehin bereits zu den guten Kunden zählt.