Testeinkauf Wochenmarkt besser als Supermarkt?

Hygiene und Beratung an der Frischetheke im Supermarkt sind Spitze! Jedenfalls besser als anderswo. Vor allem aber besser als auf dem Wochenmarkt! Tatsächlich? Die LEBENSMITTEL PRAXIS anonym mit der „Kundenbrille“ unterwegs.

Freitag, 17. Juli 2015 - Management
Reiner Mihr

Wochenmarkt oder Supermarkt – wer ist besser? Vor allem was die fachliche Beratung und Sicherung der Hygienestandards angeht? Erleben kann man beim Testkauf viel: Schmutziges T-Shirt, verschmierte Werkzeuge, ungepflegte Hände, mal mit – mal ohne Handschuhe, Unfreundlichkeit….. Gottlob aber eher selten. Dabei nehmen sich Theke oder Verkaufswagen wenig. Übrigens: Der absolute Spitzenreiter beim Testeinkauf auf Wochen- und in Supermärkten war eine Metzgerei, nämlich die Metzgerei Wolf im Allee Center in Magdeburg. Sie erreichte 95,5 Prozent der möglichen Testpunkte. Auf dem zweiten Platz lag Galeria Gourmet (91,9 Prozent). Das Schlusslicht bildet wieder eine Fleischerei, die Fleischerei Müller in Leipzig mit nur 52,4 Prozent. Warum? Leergut hinterm Wagen, offene Verkaufstür, kein Personal im Wagen und als es dann kam, war es mit dem (eher) schmuddeligen T-Shirt nicht als solches auszumachen.

Das A und O des Verkaufs – sowohl an Theke als auch am Wagen – sollte absolute Sauberkeit sein. Viele Kunden achten dabei darauf, dass „ihre“ Ware nicht mit bloßen Händen angefasst wird. Verständlich. Dabei ist nicht mehr strittig, dass es hygienischer ist, mit Hilfsmitteln wie Gabeln oder Zangen zu arbeiten und die Ware nicht direkt anzufassen. Wer überzeugte hier im Test? Die Metzgerei Wolf. Die Ware wurde mit Folie gegriffen. So konnte ohne Bedenken kassiert werden. Die anderen besuchten Märkte haben hier alle Nachholbedarf. Mal gab es Handschuhe, mal nicht. Wenn dann wurden sie beim Zugreifen, Verpacken und Kassieren getragen, aber nicht gewechselt. Und ohne Handschuhwechsel wurde der nächste Kunde bedient.

Zur Hygiene zählt auch, wie sich das Verkaufspersonal – abgesehen von der Handhabung der Handschuhe – präsentiert. Das Erscheinungsbild der Verkäufer im Supermarkt überzeugte. Aber auch Wochenmarkthändler verstehen Berufsbekleidung als Verkaufskriterium. Einzig auf dem Leipziger Wochenmarkt waren Verkäufer kaum als solche auszumachen.

Namensschilder sind auf Wochenmärkten übrigens eine Rarität. Im Supermarkt ist das Tragen des Namensschilds dagegen nahezu Standard. Auch bei der Metzgerei Wolf gehört es zum guten Ton.

Der sauberste Eindruck wird allerdings wenig beim Verkaufen nutzen, wenn nicht fachlich beraten wird. Aktuell will der Verbraucher möglichst wenige Zusatzstoffe in seinen Lebensmitteln. „Frei von“ ist die Devise. Auf die Frage: „Ist im Bierschinken Gluten?“ sollte also ein gewitzter Verkäufer eine Antwort haben. Absolut überzeugend reagierte die Verkäuferin der schon gelobten Metzgerei Wolf mit einem sofortigen „nein“. Als Einzige benötigte sie keine Hilfe. Auf dem Hallenser Wochenmarkt wusste es die bedienende Verkäuferin nicht. Sie bat um Geduld, um nachzulesen. Das brauchte sie nicht. Ihre Kollegin hatte mitgehört und kam mit einem „nein“ zur Hilfe. In Ordnung.

Im Leipziger Konsum rief die Mitarbeiterin den Artikel in der Waage auf. „Hier steht ohne Allergene, aber ich schaue lieber noch mal nach.“ Nach der Devise „Gewusst wo“ informierte sich auch das Fachpersonal auf dem Magdeburger und Hallenser Wochenmarkt sowie bei Galeria Gourmet. Prima.

Die Getesteten Märkte

Die getesteten MärkteGetestet wurden in den Bun desländern Sachsen und Sachsen-Anhalt die Frischetheken in den Supermärkten:

  • von Edeka Wollmann in Dessau,
  • von Galeria gourmet in Halle,
  • vom Konsum in der Leipziger
  • Dufourstraße und der
  • Metzgerei Wolf im Magdeburger Allee Center

und die Verkaufswagen:

  • der Landfleischerei Krüssel in Magdeburg,
  • der Fleischerei Wildgrube in Dessau,
  • der Landfleischerei Broda in Halle und
  • der Fleischerei Müller in Leipzig.

Keine Antwort gab es bei Edeka Wollmann und auf dem Leipziger Wochenmarkt. Im Edeka Markt verschwand die Verkäuferin ohne Kommentar. Kam mit einem Bierschinken zurück, las für sich und hob die Wurst über die Theke. Sie wollte auf Nummer sicher gehen. Der Kunde sollte selber lesen. Dann kam jedoch ein: „Ich weiß es nicht.“ Das war ehrlich.

Beim Besuch des Magdeburger Wochenmarkts fiel die Wahl auf den Verkaufswagen vom Geflügelhof Engelbrecht. Leider war er unbesetzt. Auch beharrliches Warten wurde nicht belohnt. Bei der Landfleischerei Krüssel gab es ein: „Äh, hm, weiß nicht“. Zum Glück war die Verkäuferin nicht alleine. Die Kollegin holte ihr den Info-Ordner. Dann klappte es mit einer Antwort. Auf dem Leipziger Wochenmarkt hörte die Testerin: „Sie sind heute schon die Zweite, die so was wissen will, aber der Chef gibt uns keine Zutatenliste“. Dabei gab es am Wagen Aufkleber, die die Einsicht in die Liste der Inhaltsstoffe anpriesen. Übrigens wie bei Edeka Wollmann.

Wie anziehend wirkten die besuchten Märkte? Im Markt selber überzeugte Galeria Gourmet. Ein großzügiger, gut zu überblickender Markt mit ansprechenden Warenaufbauten. Leider das genaue Gegenteil Edeka: Dunkel, viele enge Gänge, mehr als nur Grifflücken im Trockensortiment. Ein ähnliches Bild bot der Konsum: Eng, verwinkelt und die meisten Gänge voll gestellt. Die Metzgerei Wolf präsentierte sich bestens: Die Theke voll präsent, aufgeräumte rückwärtige Ablagen, genügend ansprechend gekleidetes Personal dahinter und die Beleuchtung im Shop ließ die Ware wirken.

Mängel dagegen auf den Wochenmärkten. Der Dessauer Wochenmarkt ist schlecht begehbar. An Menschen mit Beeinträchtigungen und Kunden mit Kinderwagen oder anderem Gefährt wurde bei der Standortwahl nicht gedacht. Dazu die geringe Anzahl der Händler: Die Auswahl in den Sortimenten schlicht unattraktiv. Der Wochenmarkt in Leipzig lebt von seinem Standort. Er befindet sich vor einer großen Filiale der Bäckerei Lukas mit einer riesigen Außenterrasse gegenüber vom Bayrischen Bahnhof. Die wenigen Händler (Imbiss, zwei Obsthändler und zwei Flatterstände mit diversem Kleinkram) laden nicht zum Besuch ein. Die Wochenmärkte in Halle und Magdeburg überzeugten mit gekonntem Marktaufbau: Breite, gut einsehbare Gassen. Anzahl und Mix der Stände sprachen an.

Ein großes Manko auf allen Wochenmärkten: Nicht oder nur ungenügend abgedeckte Elektrozuleitungen. Gab es auch bei Edeka: Eine nicht abgedeckte Elektrozuleitung zum mobilen Imbisstand vor dem Markt ist alles andere als sicher.

Die Ausgangsthese hat sich nicht bestätigt. Der Wochenmarkt ist nicht unbedingt schlechter als der Supermarkt. Aber: Das Testergebnis ist wie immer eine Momentaufnahme, das von objektiven (zum Beispiel dem Wetter) aber auch subjektiven Faktoren (zum Beispiel welcher Verkäufer) abhängig ist.

Was auf den Püfstand kam:
  • Marktumfeld: Hinweise zum Markt, Ordnung, Sauberkeit, Eingänge...
  • Marktinneres: Überblick, Verkehrswege, Sicherheit, Angebot...
  • Theke/Wagen: Ordnung, Sauberkeit, Arbeitsmittel, Hygiene,...
  • Ware: Präsenz, Preisauszeichnung, Auswahl...
  • Personal: Organisiertheit, Privatgespräche, Erkennbarkeit, Hygienekleidung...
  • Einkauf: Kommunikation, Umgang mit der Ware...
  • Schwerpunkt Beratung: „Ist im Bierschinken (Galeria Gourmet – Mortadella) Gluten?