Inhaltsübersicht
Ist das Thema Patente auf Lebensmittel bei Ihren Kunden und Lieferanten schon präsent?
Büchel: Beim Verbraucher ist das Thema noch nicht angekommen. Unsere Kunden möchten Vielfalt genießen. Das Thema Patente ist für Verbraucher schwierig, ähnlich wie TTIP. Auch bei unseren Lieferanten sind Patente noch kein bestimmendes Thema. Hier sind eher Tierwohl und Gentechnik in der Diskussion.
Weber: Auch wir sehen nicht, dass die Auswirkungen von Patenten bereits in der breiten Öffentlichkeit angekommen sind. Das Thema Patente wird derzeit nur von einer ausgewählten, meinungsbildenden Gruppe aufgenommen. Auch für unsere Kunden ist Gentechnik jedoch ein wichtiges Thema.
Bisher wurden bereits einige Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen genehmigt. Herr Dr. Then, wie weit geht der Patentschutz dabei?
Then: Im Brokkoli-Fall geht es um eine Züchtung mit einem höheren Gehalt an bestimmten, vermeintlich gesundheitsfördernden Inhaltsstoffen. Das Patent erstreckt sich über das Saatgut bis zum Lebensmittel, das im Supermarkt verkauft wird. Erhältlich ist die Brokkoli-Sorte bereits unter dem Namen Beneforté in den USA und England. Das Patent gehört Monsanto nicht, der Konzern nutzt es aber. Das Patent erstreckt sich auch auf alle anderen Brokkoli-Sorten, die einen ähnlichen Gehalt an besagten gesundheitsfördernden Inhaltsstoffen haben, auch wenn diese auf andere Weise gezüchtet werden. Auch in anderen Fällen betreffen die Patente die ganze Kette der Nahrungsmittelerzeugung, von der Züchtung über die Ernte bis zum verarbeiteten Lebensmittel wie Brot und Bier.
Wie bewerten Sie die Tatsache, dass Patente so weitreichend erteilt werden, bis zum Lebensmittel, das der Verbraucher im Supermarkt kauft?
Büchel: Die Patentierung der natürlichen Genetik ist für mich überhaupt nicht nachvollziehbar. Die Diskussion um die Erteilung von Patenten für neue Methoden hingegen ist eher nachvollziehbar, obwohl ich meine, dass auch hier der Sortenschutz ausreichen müsste. Uns macht dabei vor allem Sorge, dass Marktzugänge eingeschränkt werden. Wir wollen Vielfalt erhalten. Und hierfür ist Wettbewerb essenziell.
Wie hoch sind die Kosten für die Entwicklung einer neuen Sorte im Schnitt, Herr Hefner?
Hefner: Die Investitionskosten betragen bis zu 20 Mio. Euro, vor allem für die teilweise sehr intensive Vorzüchtung. Eine funktionale Kopie ist, wie bereits dargestellt, danach innerhalb kürzester Zeit möglich. Daran wird schnell deutlich, dass der Anreiz für den Züchter, Fortschritt zu betreiben, an die heutigen Bedingungen angepasst werden muss. Patente können hier besser helfen, die finanziellen Mittel zu erwirtschaften, die für die weitere Züchtungsforschung benötigt werden. Ich möchte an dieser Stelle klar machen, dass Patente nur in der Geschäftsbeziehung zwischen Züchterhäusern eine Rolle spielen. Nach der Erteilung des Patentzugangs an den Züchter ist der Patentschutz aufgehoben, man sagt, „das Patent ist erschöpft“. Das bedeutet, über die dann gewonnen Pflanzen und Produkte kann der Anbauer bzw. Verarbeiter in Deutschland frei verfügen. Sogar der Züchter kann diese frei nutzen. Erst wenn daraus eine neue Sorte mit den zuvor patentierten Eige nschaften entsteht, fallen Lizenzgebühren nur für den Fall an, dass sie auch vermarktet werden.
Then: Natürlich müssen Züchter für ihre Leistung bezahlt werden. Aber wenn wir uns die angemeldeten Patente anschauen, dann geht es um triviale technische Schritte wie die Analyse der natürlichen genetischen Anlagen, Wuchsmerkmale, natürlicherweise vorkommende Mutationen, die Messung von Inhaltsstoffen wie den Ölgehalt etc. Die Leistungen, die dahinter stehen, sind durch den Sortenschutz abgedeckt. Patente benötigt man hierfür nicht. Die Patente dienen dazu, die biologische Vielfalt in Besitz zu nehmen und nicht um Erfindungen zu schützen und einen ausreichenden Wettbewerb zwischen Züchtern zu verhindern. Ohne diese Patente hätte Monsanto nicht eine so dominierende Position auf dem Markt.
Hefner: Ich kenne keine Sitzung in unserem Hause, wo es darum ging, wie wir über Patente mehr Marktmacht generieren können! Patente sind kein Instrument, um Marktkonzentration voranzutreiben. Ich bin ganz bei Ihnen, was den freien Zugang betrifft. Wir müssen darüber sprechen, wie dies zu gewährleisten ist. Der Vorteil von Patenten ist aber ja gerade, dass sie automatisch eine Offenlegung des Wissens mitbringen. Sie ermöglichen also den Zugang zu Wissen rund um neue Technologien. Mit vernünftigen Regeln sehe ich keine Gefahr, dass die Vielfalt eingeschränkt wird. Es gibt bereits bemerkenswerte Initiativen wie die bereits erwähnte Internet-Plattform ILP.
Then: Monsanto übernimmt aber ja möglicherweise bald Syngenta. Und die machen nicht mit bei der Initiative. Dann darf auch Syngenta nicht mehr bei dieser Plattform mitmachen. Es handelt sich hier auch nur um einen kleinen Ausschnitt, um den Gemüsesektor. Die Beteiligung ist freiwillig. Wir brauchen aber Rechtssicherheit! Die Erfahrung zeigt nämlich, dass man der Wirtschaft nicht trauen kann. Immer mehr Firmen und Genbanken werden aufgekauft, die Zahl der Patentanmeldungen nimmt zu. Die Marktlogik sagt: Dies wird dazu führen, dass versucht wird, frei verfügbares Saatgut mehr und mehr durch patentiertes zu ersetzen.