Lösungssuche Duale Systeme vor dem Kollaps - „Wir brauchen klare Regeln für alle Akteure“

Die dualen Systeme in Deutschland stehen vor dem Zusammenbruch. Der Grund: Die Finanzierung ist derzeit nicht gesichert. Für den Handel könnte das sehr teuer werden. Nach Lösungen wird fieberhaft gesucht.

Freitag, 06. Juni 2014 - Management
Reiner Mihr
Artikelbild Duale Systeme vor dem Kollaps - „Wir brauchen klare Regeln für alle Akteure“
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„Wir brauchen klare Regeln für alle Akteure“

Marion Sollbach vom Umweltausschuss des Handelsverband Deutschland (HDE) über die Misere bei den dualen Systemen und die Risiken für den Handel.

Frau Sollbach, die Bundesregierung hat die Schwächen des dualen Systems offenbar erkannt und novelliert die Verpackungsverordnung. Ist damit alles in Butter?
Marion Sollbach: Nein, leider nicht. Die Novelle ist sicher ein Anfang, um das duale System zu stabilisieren, aber zu viele Fragen sind noch offen.

Welche?
Leider viele. Der Kern des Problems ist aus meiner Sicht mangelnde Transparenz bei allen Beteiligten gepaart mit einem geringen Risiko, bei Verstößen erwischt zu werden. Die Novelle bietet beispielsweise keine Lösung dafür, wie man die Trittbrettfahrer ins System bekommt. Es gibt Verpflichtete, die ihre Verkaufsverpackungen gar nicht oder nicht vollständig lizensieren. Auch die Regeln für die Mengenmeldungen der dualen Systeme an die Clearingstelle klärt die Novelle nicht. Hier müssen sich die Verpflichteten aus Industrie und Handel und die dualen Systeme untereinander auf mehr Transparenz einigen.

Werden denn die Mengenmeldungen der Unternehmen kontrolliert?
Eine Überprüfung durch die zuständigen Behörden gibt es derzeit kaum. Zuständig sind zudem die Landesbehörden, die aber nur im jeweiligen Bundesland prüfen dürfen. Wir brauchen aber eine bundeseinheitliche Kontrolle. Die Kontrolle erfolgt derzeit vor allem durch Prüfer und Sachverständige, die vor allem die Vollständigkeitserklärungen von knapp 3.500 Unternehmen aus Industrie und Handel jährlich prüfen. Nicht jeder, der zur Prüfung berechtigt ist, verfügt auch über die notwendige Qualifikation und Erfahrung.

Sind Branchenlösungen oder Eigenrücknahme die falschen Wege, weil sie zur Unter-Lizenzierung führen?
Es gibt de facto Verkaufsverpackungen, die nicht über die Gelbe Tonne entsorgt werden, sondern über eigene Behälter beispielsweise an Kantinen oder bei Gewerbebetrieben. Auch lässt der Kunde Verpackungen im Handel zurück oder schickt sie im Online-Handel zurück. Über die tatsächlichen Mengen gibt es aber zu wenig genaue Zahlen. Die Eigenrücknahme wird mit der Novelle abgeschafft, und für die Branchenlösungen gibt es erweiterte Nachweispflichten. Gerade letzteres ist unserer Meinung nach der richtige Weg, auch wenn wir uns als HDE eine einheitliche Studie zur Festlegung der Branchenmengen gewünscht hätten.

Derzeit ist das duale System unterfinanziert. Was muss geschehen?
Zunächst müssen sich die Unternehmen des Dualen Systems auf Lösungsansätze einigen. Positiv ist, dass die Kooperationsbereitschaft untereinander größer geworden ist. Ich glaube, der Leidensdruck ist jetzt deutlich stärker als noch zu Anfang des Jahres.

Und wenn es nicht klappt….
.. dann greifen andere Mechanismen. Wenn es gar kein duales System mehr geben sollte, würde der Handel zur Rücknahme der Verpackungen verpflichtet. Das würde Aufwand und Kapitaleinsatz bedeuten. Letztlich würde wohl eine kommunale Rücknahme und Entsorgung greifen, die über Gebühren finanziert wird. Die Kommunen finden das übrigens ganz spannend. Sie könnten damit nicht nur zusätzliche Müllgebühren einnehmen, sondern auch die vorhandenen Kapazitäten der Müll-Verbrennungsanlagen besser auslasten Das würde weniger Recycling bedeuten. Ein bedauerlicher Rückschritt hinter einst gesetzte ökologische Ziele.

Was wäre eine vernünftige Lösung?
Industrie und Handel haben sehr viel Geld – und Engagement – für den Aufbau des Systems investiert. Es ist Benchmark in Europa, das zudem noch hohe ökologische Ziele erreicht. Eine Erhaltung des dualen Systems lohnt allemal. Dazu muss das System zuerst finanziell stabilisiert werden. Dann brauchen wir klare Regeln für alle Akteure, die für maximale Transparenz sorgen. Hierfür könnte ein Wertstoffgesetz sorgen, mit Registrierungspflicht für Handel und Industrie und Anmeldung der Mengen an Verkaufsverpackungen, die in Verkehr kommen. Ein Gesetz hat gegenüber der Verordnung den Vorteil, dass die Regeln bundeseinheitlich umgesetzt und von einer zentralen Stelle geprüft werden könnten. Der HDE hat bereits vor zwei Jahren zusammen mit BVE und Markenverband eine Gesellschaft gegründet, die eine solche Zentrale Stelle aufbauen soll, sobald ein Entwurf für ein Wertstoffgesetz vorliegt. Das Bundesumweltministerium hat einen Entwurf für Herbst 2014 angek