Michael Glück ist sich sicher: „Das wird kein Trend, sondern ist es schon längst.“ Eine aktuelle Befragung des Deutschen Weininstituts gibt Glück nicht unbedingt recht: Nur 15 Prozent der Verbraucher kannten alkoholfreien Weißwein. Noch weniger gaben an, alkoholfreien Rotwein (12 Prozent) oder Rosé (9 Prozent) zu kennen. Bei alkoholfreiem Sekt sieht es deutlich besser aus. Eine Befragung durch das Marktforschungsinstitut Nielsen ergab, dass 53 Prozent wissen, dass es alkoholfreien Sekt gibt.
Wie wird Wein alkoholfrei?
Alkohol hat einen besonders großen Einfluss auf den Geschmack und das Bouquet von Wein. Deshalb kann bei der Herstellung auch nicht auf den Gärprozess verzichtet oder dieser frühzeitig unterbrochen werden. Stattdessen wird dem normalen Wein der Alkohol nach seiner Herstellung wieder entzogen. Dieses Verfahren wird in der Regel auch bei alkoholfreiem Bier oder Sekt angewandt.
Es gibt verschiedene Methoden zur Entalkoholisierung. Erstens: Vakuumdestilation. Im Vakuum verdampft der Alkohol schon bei rund 27 Grad Celsius. Unter Raumluft passiert das erst bei etwa 78 Grad Celsius. Die geringe Temperatur bei diesem Destillationsverfahren schont das Weinaroma, sodass das Endprodukt einem echten Wein geschmacklich recht nahekommt.
Spinning-Cone-Technologie
Eine Variante der Vakuumdestillation ist die Spinning-Cone-Technologie. Dabei wird der Wein in Wasser, Alkohol und verschiedene Aromagruppen zerlegt. Der Wein wird ebenfalls unter Vakuum erhitzt. Durch unterschiedliche Siedepunkte der einzelnen Fraktionen können diese zu unterschiedlichen Zeitpunkten abgetrennt werden. Danach werden einzelne Fraktionen wieder hinzugefügt und nicht erwünschte – in diesem Fall Alkohol – weggelassen.
Aroma zurückführen
Dem durch Vakuumdestillation entzogenen Alkohol kann wiederum das sogenannte Weinwasser entzogen werden. Dieses enthält viele Aromastoffe, die dann dem Wein zurückgegeben werden können. Zum Schluss verfeinert die Kellerei den alkoholfreien Wein mit Most, Zucker oder weiteren Aromen wie Holzchips. Solche Weine nennt man (eher abfällig) auch „Kolonnenweine“.
Durch die Membran
Methode zwei: Umkehrosmose. Das Verfahren ist auch unter dem Begriff Dialyse bekannt. Hierbei fließt der Wein über mehrere Stunden durch eine äußerst feinporige Membran, welche die Alkoholmoleküle von denen der übrigen Flüssigkeiten trennt.
Ein drittes Herstellungsverfahren von alkoholfreiem Wein ist die sogenannte Dünnschichtverdampfung. Bei hohen Temperaturen von rund 78 Grad Celsius verdampft wie oben beschrieben der Alkohol, und gleichzeitig gehen die Aromen verloren. Um diesen Verlust wieder auszugleichen, werden dem alkoholfreien Wein Traubensaft und Kohlensäure hinzugefügt. Der ursprüngliche Geschmack ist hierbei kaum wiederherzustellen.
Dem Vergleich zu richtigem Wein kann letztendlich keine Variante standhalten. Vor allem erfahrene Weinkenner schmecken den Unterschied sofort. Die verlorene Süße kann teilweise durch Zucker oder Most ausgeglichen werden.
Welche Rebsorten?
Prinzipiell eignet sich jede Sorte. Philip Rößle, Geschäftsführer des Start-ups Kolonne Null, findet die Qualität des Traubenmaterials, die Art und Weise der Vinifizierung sowie der Lagerung wichtig. Um das in kleinen Chargen testen zu können, hat sich das Start-up eine Vakuumdestillationsanlage geliehen. Weltweit gibt es sechs Geräte dieser Art.
Bei Kolonne Null haben Trauben mit reichlich Säure wie Riesling den Anfang gemacht. Cheftechniker Felix Fischer hält jedoch die Rotweine für besonders aussichtsreich. Getestet wurden unter anderem Spätburgunder und Merlot. Alkoholfreier Rotwein ist dabei eine besondere Herausforderung. „Er liegt länger auf der Maische, dadurch ist es wirklich schwierig, den Wein ohne Alkohol schmackhaft zu halten“, erklärt Fischer. Alkohol gibt Wein Süße, aber auch einen Körper. Kolonne Null verfeinert deshalb mit Zucker, andere Kellereien nutzen Most.
Ein eigenes Regal
Alkoholfreie Weine und Spirituosen sind eine noch junge Kategorie, die sichtbar sein muss, um gefunden zu werden. Viele Händler setzen deshalb auf ein separates Regal.
Durch den Erfolg des alkoholfreien Biers inspiriert, setzt die Weinbranche weiter auf Alkoholfreies.
Beim Sekt ist der Marktanteil der alkoholfreien Angebote mit rund fünf Prozent deutlich höher als der von alkoholfreien Weinen. Dieser dürfte sich noch unter einem Prozent bewegen, schätzten die Weinexperten. Aber das Angebot alkoholfreier Weine und Schaumweine von Weingütern, Winzergenossenschaften und Handelskellereien habe in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Nahezu alle Anbieter berichteten über steigende Absatzzahlen.
Wie platziere ich die Alternative?
Alkoholfreie Weine und Spirituosen sind eine noch junge Kategorie, die sichtbar sein müsse, findet Phillip Rößle, Geschäftsführer von Kolonne Null. Neben dem Alkoholhaltigen gingen die Produkte oft unter, selbst wenn die Kunden gezielt danach suchten. „Daher präferieren wir ein Extra-Regal für Alkoholfrei wie es größere Märkte der Edeka, Metro, Galeria Kaufhof oder KaDeWe bereits haben“, so der Geschäftsführer. Im Regal wird dann meistens nach Herstellern sortiert. Die Rebsorte wird bei sortenreinen Weinen angegeben. Oft handelt es sich aber um Cuvées. Alkoholfreier Sekt und alkoholfreier Wein werden meist zusammen platziert. Manchmal finden sich auch alkoholfreie Spirituosen im Regal.
Mit einem Anteil von 60 bis 66 Prozent konsumieren tendenziell mehr Frauen alkoholfreien Wein und Sekt als Männer. Als wichtigstes Motiv, alkoholfreien Wein und Sekt zu trinken, wurde in einer Befragung des Deutschen Weininstituts die Teilnahme am Straßenverkehr genannt. Aber auch der generelle Verzicht auf Alkohol spielt eine Rolle. Wichtig ist in diesem Zusammenhang: Der Zusatz „alkoholfrei“ bedeutet nicht, dass das Getränk überhaupt keinen Alkohol enthält. Für einen möglichst authentischen Geschmack weist alkoholfreier Wein häufig einen Wert von rund 0,4 Prozent Volumenprozent auf.
Welche Methode ist die Beste?
Welche Anlagenart den besten alkoholfreien Wein erzeugt, könne nicht pauschal beantwortet werden, findet Rößle von Kolonne Null. Fest stehe: Mit jeder Technik ließe sich bei sorgsamer Bedienung ein gutes Ergebnis erzielen. Rößle erklärt weiter: „Nach unserer Einschätzung ist Spinning Cone spannend, weil man den Wein tatsächlich in seine Bestandteile zerlegen kann. Kolonne Null geht den Weg der Forschung weiter mit dem Ziel, bestehende Techniken weiterzuentwickeln.“
Wie lange ist der Wein haltbar?
Alkoholfreie Weine haben im Regelfall eine Mindesthaltbarkeit von drei Jahren ab Abfüllung. Wobei das auch schwanken kann. Meist finden sich entsprechende Angaben wie Abfülldatum und Mindesthaltbarkeit des Weins auf dem Etikett der Flasche.
Wissen Checken
Wer aufmerksam gelesen hat, kann die folgenden Fragen beantworten.
{tab=Fragen}
- Bei wie viel Grad Celsius verdampft Alkohol normalerweise?
- Was ist das Besondere an der Spinning-Cone Technologie?
- Warum greifen Konsumenten zu Alkoholfreiem?
{tab=Antworten}
- An frischer Luft passiert das erst bei etwa 78 Grad Celsius.
- Durch unterschiedliche Siedepunkte der einzelnen Fraktionen können diese zu unterschiedlichen Zeitpunkten abgetrennt werden.
- Als wichtigstes Motiv wurde laut DWI die Teilnahme am Straßenverkehr genannt.