Warenverkaufskunde Appenzeller

In rund 50 Dorfkäsereien entsteht Appenzeller. Nichts wird dem Zufall überlassen, von der Haltung der Kühe bis zur Veredelung der Käselaibe ist alles strikt geregelt. Ein Blick auf die traditionelle Herstellung.

Freitag, 09. Oktober 2020 - Warenkunden
Heidrun Mittler
Artikelbild Appenzeller
Typisch Schweiz: Braunvieh grast auf der Weide (hier im Sommer auf einer Alm).
Bildquelle: Switzerland Cheese Marketing GmbH, Baldham

Die Region prägt den Käse, genauso, wie die Käseherstellung die Region prägt: Das Appenzellerland, Ursprungsgebiet für die Herstellung dieses besonderen Käses, liegt zwischen dem Bodensee und dem Säntis. Von der sanften Hügelzone des Appenzeller Vorderlandes wird es immer steiler und alpiner bis zum höchsten Punkt, dem Säntis, mit 2.502 Meter Höhe über Meer. Wiesen und Streusiedlungen prägen das Landschaftsbild.

Die dortigen Bauernhöfe sind für den schweizerischen Durchschnitt eher klein. Die meisten Bauern haben zwischen 30 und 50 Kühe, vorwiegend Braunvieh. Die Kühe sind der große Stolz eines Landwirtes und sogar „Teil der bäuerlichen Familie“, wie man im Appenzellerland sagt.

Wann immer es das Wetter zulässt, dürfen die Kühe auf die Weiden. Das ermöglicht es den Kühen, sich frei zu bewegen und dem artgerechten Herdenverhalten nachzugehen. Der Weidegang beeinflusst die Entwicklung der Flora, insbesondere weil die Ausscheidungen der Tiere den Boden auf natürliche Weise bereichern und das mikrobielle Leben im Boden fördern. Ohne die Präsenz der Milchkühe wäre die Landschaft eine andere, sie würde sich allmählich in Wälder verwandeln. Der größte Teil des Futters für die Winterzeit wird entweder direkt auf dem Betrieb oder in seiner unmittelbaren Umgebung produziert.

Futter ohne Silage
Für die Käseproduktion ist es wichtig, dass die Kühe silagefreies Futter fressen. Denn in Silage ist die Wahrscheinlichkeit, dass Buttersäurebakterien enthalten sind, ziemlich groß. Das ist für uns Menschen zwar ungefährlich. Aber die Käselaibe würden sich bei der Reifung unschön verformen, so dass sie aussähen wie Fußbälle.

Für Appenzeller aber will man gleichmäßige Laibe mit leichter Lochung. Deshalb werden die Kühe ausschließlich mit Heu, frischem Gras, ein wenig getrocknetem Getreide und Wasser gefüttert.

Herstellung genau geregelt
Bei der Herstellung von Appenzeller wird vieles noch genauso gemacht, wie schon vor vielen hundert Jahren. Die Produktion erfolgt in 50 kleinen Käsereien, und zwar in folgenden neun Schritten:

1. Die Milch als Basis
Schweizer Käse wird aus frischer Mich hergestellt, die zweimal täglich vom Bauernhof an die Käsereien geliefert wird. Die Eigenschaften der Milch sind bereits mitverantwortlich für den endgültigen Charakter und Geschmack des Käses.

2. Milchauswahl und -behandlung
Bei der Anlieferung wird die Milch zuerst auf ihre Qualität geprüft und gesiebt. Appenzeller wird mit Rohmilch hergestellt. Diese wird besonders intensiv getestet – und darf nicht pasteurisiert werden.

3. Gerinnung der Milch
Die Milch wird ins Kessi (so heißt der Kupferkessel) gegeben und unter Rühren langsam erwärmt. Danach kommen Milchsäurebakterien und Lab dazu und lösen die Gerinnung aus. So wird die Milch dick, es entsteht eine gallertartige Masse.

4. Bruchbearbeitung
Jetzt kommt die Käseharfe ins Spiel: Mit ihr wird die Gallerte zerschnitten und der Käsebruch entsteht. Diese Körner bestimmen den Käsetyp entscheidend mit, ebenso wie die Konsistenz des Teiges.

5. Vorkäsen
Die Käsekörner werden gerührt und erwärmt – je härter der fertige Käse sein soll, umso höher die Temperatur. So wird der Käsebruch immer fester und fester.

6. Formen und Pressen
Die Käsemasse wird bei gewünschter Festigkeit in eine Form abgefüllt – durch die Löcher im Boden und an der Seite kann die Molke abfließen. Zusätzlich wird das Ganze gepresst, so dass noch mehr Flüssigkeit ausgeschieden wird. Dann wird der Käsepass aufgelegt (siehe S. 88).

7. Salzbad
Im nächsten Schritt folgt das Salzbad: Der schwimmende Käse nimmt hier während 48 Stunden Salz auf und gibt Molke ab. Langsam bildet sich die Rinde und sein Geschmack wird intensiver.

8. Reifung und Affinage
Im Reifekeller erfährt der Käse einige Veränderungen: Die Rinde bildet sich stärker aus, außerdem entsteht auf der Rinde die Käseschmiere. Das Innere verändert seine Farbe, Löcher entstehen und der Käse wird fest.
Während der ersten zehn Tage reibt der Käser seinen Käse täglich mit Salzwasser ab und wendet ihn. Nach vier bis fünf Wochen kommt er zum Käsehändler und lagert ab dann auf Fichtenbrettern. Hier reibt ein Affineur den Käse mit einer speziellen Kräutersulz ein (siehe S. 88).

9. Qualitätskontrolle
Im letzten Schritt wird der Käse verschiedenen Prüfungen unterzogen. Dabei zählen Lochbildung, Teigqualität, Geruch und Geschmack und Äußeres. Danach ist der Käse verkaufsfertig.

Ein eigener Pass
Nur zwei Menschen in der Schweiz kennen es: das Rezept der Kräutersulz. Sie verleiht dem Appenzeller ein einzigartiges Aroma. Wenn der Käse seine Rinde ausgebildet hat, pflegt der Affineur seine Laibe noch monatelang: Er bürstet sie und schmiert sie mit einer speziellen Sulz ein. Was genau die Mischung beinhaltet, wird nicht verraten, das Rezept wird von Generation zu Generation weitergegeben. So viel sei gesagt: Sie besteht aus einer Mischung von Kräutern, Wurzeln, Blättern, Blüten, Samen und Rinden. Jeder, der an der Käse-Bedienungstheke arbeitet, kann sich überzeugen, dass er einen original Appenzeller verkauft. Jeder einzelne Laib trägt einen Käsepass.

Bei der Herstellung wird zwischen der ersten und zweiten Pressung die Wanne geöffnet, um die Pässe aufzulegen. Der Käsepass ist wie eine Geburtsurkunde, die unfälschbare Garantie für den Herstellungsort (EU-Nr.), das Herstellungsdatum, Echtheitszertifikat für die eingetragene Käsesorte Appenzeller und wird seit dem 1. Juli 2005 eingesetzt. Es handelt sich um ein bedrucktes Schild aus Kasein (eingefärbtes Eiweiss) und verwächst während der Reifung mit der Käserinde.

Zudem wird seit Juli 2015 eine ganz besondere Kultur verwendet. Im verkaufsreifen Käse kann diese „Herkunftsnachweiskultur“ nachgewiesen werden. Somit existiert ein weiteres Instrument zur Prüfung der Echtheit – allerdings ist sie nur im Labor nachweisbar.

Unterschiedlich lange gereift
Im Alter von etwa zehn Wochen wird der Käse von einer Kommission überprüft. Dazu bohren die Käsefachleute einen Laib an und begutachten unter anderem auf folgende Kriterien: Lochung, Teig und Farbe, Geruch und Geschmack, Aroma sowie Aussehen des Laibs. Die besten Produktions-Chargen reifen weiter.

Grundsätzlich gilt: Je länger der Käse reift, desto ausgeprägter entwickelt sich sein Aroma.

An der Käse-Bedienungstheke zählt Appenzeller zu den Bestsellern, er gehört zu den zehn meistverkauften Sorten. Im Angebot sind mehrere Altersstufen, die man optisch gut unterscheiden kann, weil sie unterschiedlich gefärbte Etiketten tragen.

Vor Kurzem ist ein Appenzeller Rahmkäse hinzugekommen. Sein Teig hat einen etwas höheren Fettgehalt (55 Prozent Fett in der Trockenmasse), er ist mindestens drei Monate gereift (also recht jung), wenn er in den Verkauf kommt.
Eine Besonderheit ist der Bio-Käse, der aus Milch gekäst wird, die den Bio-Suisse-Richtlinen entspricht. Es gibt ihn in der Ausprägung mild-würzig (mindestens drei Monate) und kräftig-würzig (vier bis fünf Monate) gereift.

Ohne Verlust aufschneiden
Wie rückt man dem Käse zu Laibe? Dabei sollen die Stücke nicht nur optisch schön aussehen, sondern auch möglichst ohne Verlust aufgeschnitten werden!

Für mittelgroße Laibe eignet sich ein Doppelgriff-Messer besonders gut, um den Laib zu halbieren. Vorher sollte man das Etikett mit einem scharfen Messer einritzen, damit es nicht in den Teig gezogen wird. Tipp: Den Laib 20 bis 30 Minuten temperieren lassen, dann geht es besser.

Ein weiterer Schnitt macht aus der Hälfte ein Viertel. Dieses Viertel teilt man in gleichgroße Stücke, so wie man eine Torte schneidet. Dafür kann man entweder einen Käsespaten einsetzen oder auch ein Eingriff-Messer. Die Form der Tortenstücke gewährleistet, dass jedes Stück einen gleich großen Anteil Rinde trägt. Die Etikette soll auf dem Käsestück bleiben, damit der Kunde weiß, was er gekauft hat. Wichtig ist es, die Werkzeuge sauber zu halten. Kein Kunde will ein Stück, an dem noch Teigreste von der Bestellung davor kleben! Außerdem empfiehlt es sich, die Messer immer wieder nachzuschärfen. Nur mit einem ordnungsgemäßen Messer gelingt eine saubere Schnittfläche. 

Wissen Checken

Wer aufmerksam gelesen hat, kann die folgenden Fragen beantworten.

Die Warenverkaufskunde erscheint regelmäßig als Sonderteil im Magazin Lebensmittel Praxis. Wir danken Switzerland Cheese Marketing GmbH, Baldham (www.schweizerkaese.de), für den fachlichen Rat und das zur Verfügung gestellte Material.

Bilder zum Artikel

Bild öffnen Er gehört zu den Bestsellern an deutschen Käse-Bedienungstheken: Appenzeller.
Bild öffnen Typisch Schweiz: Braunvieh grast auf der Weide (hier im Sommer auf einer Alm).
Bild öffnen Die Rohmilch wird geprüft, dann mit Milchsäurebakterien und Lab versetzt, dadurch wird sie dick.
Bild öffnen Hier schneidet die Käseharfe die Gallerte, es entstehen Bruch und Molke.
Bild öffnen Der Bruch wird abgefüllt und gepresst.
Bild öffnen Der Käse wird mit Salzwasser gebürstet.
Bild öffnen Der Käse bildet im Lager eine Rinde aus.
Bild öffnen Verwächst mit der Rinde: die Kaseinmarke.

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