Supermarkt des Jahres 2010 Pokal-Finale

Beim 18. SuperMarkt des Jahres erlebten im Kölner Tanzbrunnen rund 700 Gäste unterhaltsame Vorträge, eine knisternde Preisverleihung sowie eine fetzig-launige Party, die erst im Morgengrauen endete. Eine Branche in Feierstimmung.

Montag, 30. August 2010 - Rückblick
Christina Steinheuer

Die Spannung im Saal war zu spüren, die Anspannung der Nominierten-Teams erst recht. Dieser 18. Mai hat Rewe-Händler Axel Schroff aus Moers am Niederrhein verändert. Mit der Mannschaft seines 800 qm kleinen Supermarktes hatte der große Blonde mit den langen Haaren, der vor einigen Jahren von Casserole als Quereinsteiger in den LEH kam, eine Wette laufen: „Wenn wir SuperMarkt des Jahres werden, kommt die Mähne ab.“ Er war sich so sicher, er hätte es beim Live-Auftitt vor der Jury „versaut“, und wohl deshalb hat keiner so gejubelt wie Axel Schroff. Seine Frau hat er geküsst, seine ganze Mannschaft umarmt und abgeklatscht, an Kollege Kai Scholand, der ihm um den Hals fiel, kam er nicht vorbei, und so vergingen satte drei Minuten, bis er auf der Bühne ankam und seinen Pokal abholte. Gewonnen und doch verloren, denn noch am selben Abend legte die LP Hand an und ließ die blonde Mähne runterrieseln.

Dass ein Händler Herz braucht, hatte in seiner Rede („Ein Händler braucht Kopf, Herz und Bauch“) kurz zuvor auch Alain Caparros unterhaltsam erläutert. Der Rewe-Chef hielt ein flammendes Plädoyer für mehr Kundenorientierung und Kundenbindung: „Wir brauchen echte Herzlichkeit, Freundlichkeit gibt es überall.“ Kunden würden heute Unterhaltung und Zuhörer suchen. Der Handel brauche Menschen mit Gespür und Neugier. Als Händler müsse man den Mut haben, ausgetretene Pfade zu verlassen, neue Dinge zu wagen und Gewohnheiten zu hinterfragen. Händler dürften keine Truthähne sein. Ein Truthahn, der 1.000 Tage lang gemästet und umsorgt werde, so Caparros, fühlt sich wohl, werde aber dennoch am 1.001. Tag geschlachtet. „Wie oft sind wir Truthähne?“, fragte der Rewe-Chef ketzerisch und durchaus auch selbstkritisch das Publikum.

Wie oft seien wir wie der Truthahn, der immer nur Aussagen über die Vergangenheit gemacht und daraus Schlüsse für die Zukunft gezogen hat, solange, bis er keinen Ton mehr von sich geben konnte. Caparros' Fazit: Nicht linear denken und nicht langweilen! Sein Vortrag war ein Beispiel, dass dies machbar ist, denn das Publikum (46 Prozent Händler, 35 Prozent Industrie, 19 Prozent Presse, Werbung, Andere) hatte der Franzose in seinen Bann gezogen. Seinen Appell „Genießen Sie Ihr Leben jeden Tag, es ist später als Sie denken!“ werteten die 700 Gäste als konkrete Aufforderung und feierten, wie es sich im Rheinland gehört, ausgiebig.


Ist die Krise jetzt da oder nicht? Oder schon überwunden? Sehr unterschiedliche Einschätzungen geben Experten in diesen Tagen von sich. Aber auch Krisenzeiten bieten Perspektiven. Die Potenziale des europäischen Lebensmittelhandels zeigte Volker Bosse, Director of Food Retail - Western European Equity Research bei Unicredit, den Teilnehmern des Supermarkt-Forums auf. „Retail nach dem Absturz“ titelte er. Den schlimmsten Wirtschaftseinbruch der deutschen Nachkriegsgeschichte hat der deutsche Einzelhandel nach Meinung von Bosse mit einem Rückgang von 2 Prozent gut überstanden. Aber: „Die Rezession liegt hinter uns, jedoch der Konsum wird hinterherhinken.“ Wenig Rückenwind für den deutschen Einzelhandel. Auf Konsumentenseite registriert Bosse Unsicherheit und daraus resultierend veränderte Einkaufsgewohnheiten, bei erhöhter Preissensibilität, rückläufiger Einkaufsfrequenz sowie niedrigeren Durchschnittsbons.

Auch auf europäischer Ebene fällt das prognostizierte LEH-Wachstum mit 2,5 Prozent moderat aus (Zeitraum: 2008 bis 2013). Die stärkste Volatilität zeigt Osteuropa mit einem Plus von 5 Prozent. „In den industrialisierten westlichen Ländern wird der LEH zum Nullsummenspiel“, sagt Bosse. Bei limitierten Möglichkeiten zur Flächenexpansion sei flächenbereinigtes Wachstum der Maßstab. Der wesentliche Erfolgsfaktor sei, einem unverändert preissensiblen Kunden Mehrwert für sein Geld zu bieten. Der Siegeszug von discount-orientierten Formaten und Eigenmarken werde sich innerhalb Europas fortsetzen. Also eingeschränkte Perspektiven. Chancen bietet die Internationalisierung, wobei China, Indien, Russland und Brasilien als global stärkste Wachstumsmärkte hervorstechen. „Die Internationalsierung des LEH wird sich ab 2011 wieder beschleunigen“, prognostiziert Bosse.

Internationalisierung ist für die luxemburgische Handelsgruppe Cactus kein Thema. Sie ist auf heimischem Terrain gut beschäftigt. 113 Konkurrenzstandorte (Delhaize, Cora, Aldi, Lidl, Schlecker. Auchan usw.) buhlen um Käufer und Kaufkraft, wobei der „Familienbetrieb“ Cactus marktprägend ist. Dabei wurde das Rad nicht neu erfunden, sondern Konzepte nachhaltig, für den Verbraucher glaubhaft und mit Bezug auf Luxemburg aufgelegt. Alles unter dem Aspekt Markenpflege. „Cactus strebte schon immer dazu, eine wichtige Rolle im täglichen Leben seiner Kunden zu spielen“, sagt Laurent Schonckert, CEO der Cactus-Gruppe. Dazu zählen u. a. die Unterstützung von Vereinen in der Nachbarschaft und das Engagement in gemeinnützigen Bereichen. Der Ansatz Nachhaltigkeit wird unter dem Logo „natierlech“ zusammengefasst. Das Bio-Sortiment z. B. ist seit 1994 auf mehr als 1.800 Artikel gewachsen. 50 Prozent der Luxemburger Bio-Produktion werden über Cactus abgesetzt. Auch Regionalitär wird schon länger gelebt. Bereits 1996 wurde das Qualitätslabel „Vom Lëtzebuerger Bauer“ eingeführt. Kleinen regionalen Produzenten werden seit zwei Jahren Partnerschaftsverträge und Unterstützung u. a. bei Werbung und Marketing angeboten.


Ganz andere Ausrichtungen und Größenverhältnisse bei Google. Die Mission: „Die Informationen der Welt organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Das bietet auch Nutzen sowie Potenzial für den LEH“, sagt Jens Monsees, Industry Leader Consumer Goods? /? LEH? /? Health Care bei Google Deutschland. Die enorme Bedeutung der Suchmaschine und die damit verbundenen Veränderungen des Kaufverhaltens seien im Handel noch nicht ubiquitär bewusst, sagt der Ex-Henkel-Manager. Er ist überzeugt, dass in den nächsten fünf bis acht Jahren mehr als 40 Prozent aller Käufe direkt im Netz durchgeführt oder von ihm beeinflusst sind. Der Trend ist zu belegen. Die Zahl der Suchanfragen im Bereich Lebensmittel und Getränke stieg von 2006 bis Mitte 2009 um 256 Prozent. In diesem Jahr wird hier ein weiteres Wachstums von ca. 50 Prozent erwartet.

In jeder Sekunde werden in Deutschland mehr als 500 Suchanfragen für Konsumgüter und LEH eingegeben. Stärkste Kategorie ist in diesem Zusammenhang Kosmetik/Körperpflege gefolgt von Lebensmittel/Rezepte/Kochen/Backen. An dritter Position rangiert die Kategorie Haustier, -Futter, -Produkte. Es folgen alkoholfreie Getränke/Wasser, alkoholische Getränke, Babypflege, Kaffee/Tee, Ernährung/Bio/Cerealien.

Höchstes Interesse bei der Suche unter den LEH-Vertriebslinien erfahren, wenn wundert's, die Discounter. Für Aldi laufen im Durchschnitt monatlich 10,3 Mio. Suchen auf, z.B. für die Kategorien Shop, Laptop, Angebote, Filialen, Fotos und Jobs. Lidl bringt es auf 9,1 Mio. Suchen. Deutlich dahinter liegen Rewe mit durchschnittlich 4,1 Mio. und Edeka mit 3,1 Mio. Die meisten Suchanfragen laufen montags und nehmen zum Wochenende, mit einem leichten Zwischenhoch am Donnerstag, ab. Die Suchmaschine ist also inzwischen fester Bestandteil der Kaufentscheidung und Info-Quelle. Aber das Potenzial werde im LEH noch vielfach nicht genutzt.


Die Referenten

Der LEH aus Sicht von Google – für die Händler, aber auch die Hersteller ein spannender Blick über den Tellerrand. Eine strategische Betrachtung zum Thema Internationalisierung und der Praxisbericht eines Händlers machten den Vortragsteil zu einer runden Sache.

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Ab 2011 wird sich die Internationalisierung beschleunigen. Volker Bosse,Head of Food Retail, UniCredit

Nach Konsumgütern wird jede Sekunde 500 Mal gesucht. Jens Monsees, Industry Leader Consumer Goods/LEH, Google

Die Cactus- Eigenmarke ist nicht immer billiger als der Markenartikel. Laurent Schonckert, CEO Cactus-Gruppe Luxemburg

Die Jury
Roger Ulke, Konsum Dresden
2 Petra Schumann, Konsum Leipzig
Herbert Kuhn, Trade Dimensions
Reiner Mihr, Lebensmittel Praxis
Gerhard Baisch, Solution Consult
Prof. Dr. Bernd Hallier, EHI Retail Institute
Christina Steinheuer, Lebensmittel Praxis
Frank Heßner, Karstadt Feinkost
Michael Gerling, MLF
10 Ulrich Naujoks, Dohle Handelsgruppe
11 Dierk Frauen, Edeka Fauen
12 Roland Neuwald, Real
13 Markus Oess, Lebensmittel Praxis
14 Dieter Stempel, TMS
15 Frank Kleiner, Lieken
16 Martin Küssner, Rewe
17 Gerd Müller, Coop
18 Hans Georg Maier, Edeka Südbayern

Die Besten im diesjährigen Wettbewerb
Die Nominierten für den „SuperMarkt des Jahres ´10“ (Preisträger fett):

Kategorie Selbstständige mit weniger als 2.000 qm:
Rewe Schroff, Uerdinger Straße, Moers
Edeka Hundrieser, Hatzper Straße, Essen-Haarzopf
Feinkost Böhm, Kronprinzenstraße, Stuttgart

Kategorie Selbstständige mit mehr 2.000 qm:
Dodenhof-Einkaufszentrum, Posthausen
Rewe Schäfer, Porzer Straße, Niederkassel
E-Center Paschmann, Mannesmannallee, Mülheim/Ruhr

Kategorie Filialisten mit weniger als 2.000 qm:
Konsum Supermarkt, Könneritzstraße, Leipzig
Rewe-Filiale, Heidestraße, Frankfurt/Main
E-neukauf, Grethe-Jürgens-Straße, Hannover.

Kategorie Filialisten mit mehr als 2.000 qm:
Edeka Center, An der Römerstraße, Ingolstadt
Kaufland, Hans-Hayder-Straße, Regensburg
Real, Schleswiger Straße, Flensburg


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1 Alain Caparros hielt als Keynote-Speaker eine überragende Rede, zukunftsweisend, aber auch unterhaltsam.
Er gestand, dass er Lebensmittel liebe und nicht linear denke.
2 Klaus Dohle unterhält sich mit Reiner Mihr.
3 Wettschulden sind Ehrenschulden. Glücklich und kein bisschen wehleidig lässt sich Axel Schroff von den Moderatoren Reiner Mihr und Christina Steinheuer die Haare schneiden.
4 Gewonnen und verloren Die Mähne ist ab.
5 Kontakte, Kontakte, Kontakte Bei gedämpftem Licht und guter Stimmung endete für manche die Party erst im Morgengrauen.
6 BesTens vertreten war die Rewe. Obwohl Stefan Zizek (3.v.l.) nicht gewonnen hat, konnte er schon wieder lachen.
7 Ganz entspannt zeigen sich Kai Scholand, Reiner Mihr,
Harry Petrik, Clive Dowling (beide Tetra Pak) und Axel Schroff.
8 Bester Laune waren Rüdiger Pläster (driving profit) und Dieter Stempel von TMS.
9 erfrischung auf der Rheinterrasse: Christian Hartmann (r.) von Feinkost Böhm hatte, obwohl er ohne Pokal ausging, wieder gute Laune.
10 Geballte Handelskompetenz: Dirk Schlüter (l.) im Gespräch mit Petra Schumann und Jörg Hieber.
11 Eine LusTige Truppe Markus Meissner und Alexandra Hauptmann von Kaufland, Klaus Dohle und Christina Steinheuer haben sichtlich Spaß.
12 Zufrieden Die Inhaber des Markant Nah & Frisch-Markt in Borgholzhausen, Monika und Thomas Salzwedel.
13 eine Runde auf den Sieg! Die Rewe stößt an (v.l.): Heinz-Bert Zander, Axel Schroff, Kai Scholand und Josef Sanktjohanser. Na dann, Prost!

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1 Gut gelaunt Der selbstständige Edeka-Händler Konrad Kreuzberg (l.) im Gespräch mit Tobias Tuchlenski und Hans-Theo Hennes (r.) von Kaiser's Tengelmann.
2 Gut unterhalten haben sich die Edeka-Urgesteine (v.l.) Hans Jürgen Bönsch und Jörg Hieber.
3 Gut strukturiert hatte Dieter Druck, der stellv. Chefredakteur der LP, das Forum, das er moderierte.
4 Gut präsentiert hat LPV-Gruppe-Chef Eckhard Lenz die Zugehörigkeit zum Holtzbrinck-Konzern.
5 Gut Moderiert hat LP-Chefredakteur Reiner Mihr die Preisverleihung.
6 Gut drauf war das Sieger-Team aus dem Konsum in Leipzig: Marktleiterin Manuela Glas und Verkaufsleiter Marcel Bork können es kaum fassen.
7 Gut Gesprungen war Rewe-Händler Axel Schroff, als er erfuhr, dass er das Rennen gemacht hat.
8 Gut geackert und verdient gesiegt: Für das Team aus dem Edeka-Center in Ingolstadt nehmen
Marktleiter Rolf Gebhard (r.) und Geschäftsführer Lothar Odenbach Pokal und Urkunde entgegen.
9 Gut aufgelegt war das Dodenhof-Team: Bernd Sackmann (l.) und Rainer Mohr stoßen mit LP-Redakteurin Christina Steinheuer an.
10 Gut gemacht, auch wenn es am Ende nicht ganz gereicht hat: Markus Meissner hat es mit der Kaufland-Filiale in Regensburg bis in die Endrunde geschafft.
11 Gut gesungen hat die schöne Blondine. Sie und ihre Band sorgten den ganzen Abend für Stimmung.

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1 Mit einem Lächeln: die Kaufländern (v.l.) Alexandra Hauptmann, Markus Meissner und Ulrich Ehrhardt.
2 Mit roten Rewe-Krawatten (v.l.): Stefan Zizek, Andreas Retzlaff und Peter Rottensteiner. 
3 Mit von der Partie: Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer beim Handelsverband Deutschland
4 Mit Sonnenbrille: Dirk Schlüter von der Edeka Minden-Hannover.
5 Mit Muße: Josef Sanktjohanser (l.) von der Rewe im Gespräch mit Michael Radau (SuperBioMarkt AG).

Geschafft Riesenfreude und strahlende Augen bei den Vertretern der vier Sieger-Teams, die voller Erleichterung und Stolz auf dem berühmten roten Sofa Platz nehmen durften.


Rewe Schroff, Uerdinger Straße, Moers

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Dodenhof-Einkaufszentrum, Posthausen

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Konsum Supermarkt, Könneritzstraße, Leipzi

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Edeka Center, An der Römerstraße, Ingolstadt

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