Rohstoffe Kakao wird knapp und teuer

Die Preisexplosion setzt Akteure entlang der Lieferkette unter Druck, manche mehr als andere.

Mittwoch, 20. März 2024 - Strategie
Manuel Glasfort
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Der Kakaopreis kennt derzeit nur eine Richtung: aufwärts. Rekordverdächtige 6.787 Euro kostete die Tonne zuletzt an der Börse, fast dreimal so viel wie noch vor einem Jahr. Ein Ende der Preisexplosion ist derzeit nicht abzusehen. Erst Ende Februar gab die International Cocoa Organization (ICCO) ihre Ernteprognose für dieses Jahr bekannt: Demnach sinkt die Menge im Erntejahr 2023/24 um fast 11 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf rund 4,5 Millionen Tonnen. Die Nachfrage soll demnach lediglich um rund 5 Prozent sinken, sodass dem Weltmarkt 374.000 Tonnen Kakao fehlen. Verschärft wird der Preisauftrieb von Hedgefonds und anderen Akteuren am Finanzmarkt, die von der Preisexplosion profitieren wollen.

Barry Callebaut schließt Werk bei Hamburg
Die Situation ist angespannt und setzt längst Akteure entlang der Lieferkette unter Druck. Das gilt zunächst für die Kakaoverarbeiter, die die Bohnen zu sogenannten Halbfabrikaten wie Kakaomasse und Kakaobutter verarbeiten, ehe Hersteller wie Lindt & Sprüngli, Mondelez oder Nestlé daraus die Endprodukte herstellen. Zu den großen Verarbeitern zählen Unternehmen wie Barry Callebaut, Cargill oder Olam. Wie sehr die Unternehmen unter Druck stehen, wurde deutlich, als Barry Callebaut ein Sparprogramm verkündete, dem weltweit fast jede fünfte Stelle zum Opfer fallen könnte. Komplett geschlossen werden soll der Standort in Norderstedt bei Hamburg. Hier wären 48 Vollzeitstellen betroffen, heißt es vonseiten des Unternehmens.
Angesichts des Angebotsdefizits wird nicht nur der Preis, sondern auch die Verfügbarkeit für die Hersteller zum Problem, wie Gerrit Wiezoreck berichtet. Der Geschäftsführer des auf Bioschokolade spezialisierten Bochumer Herstellers Ecofinia ist sich sicher: „Die Kakaoverknappung wird die ganze Industrie treffen. Es ist aber zu vermuten, dass gerade die großen Player deutlich besser durch diese Krise gehen werden als die Kleinen, weil sie eine andere Marktmacht besitzen.“ Sie hätten andere Möglichkeiten, Bohnen zu sourcen. „Zudem haben die Großen zum Teil auch Lager und bevorraten sich.“ Wiezoreck berichtet, dass bestehende Verträge zu günstigen Konditionen nicht mehr bedient würden. Stattdessen verschwinde der Kakao am Anfang oder in der Mitte der Lieferkette. „Entweder halten die Leute den Kakao in der Hoffnung auf noch höhere Preise, oder die Mengen werden von irgendwelchen Marktteilnehmern querverkauft.“ Zudem werde hochwertiger Biokakao teilweise als konventioneller Kakao verkauft und in den Markt gedrückt.
Das Problem frisst sich derzeit durch die Lieferkette und wird in absehbarer Zeit in den Regalen der Supermärkte ankommen. Der Schweizer Hersteller Lindt & Sprüngli hat gerade erst angekündigt: „Der Preisanstieg wird trotz Absicherungsstrategie und trotz höherer Lagerbestände weitere Preiserhöhungen in den Jahren 2024 und 2025 nach sich ziehen, sofern die Kakaopreise auf dem aktuellen Niveau bleiben“, so das Unternehmen. Bei Nestlé äußert man sich zurückhaltend: „Unsere Priorität in diesem Umfeld ist, den Verbrauchern unsere Produkte zuverlässig und zu erschwinglichen Preisen anbieten zu können und gleichzeitig unsere Lieferanten angemessen zu entlohnen“, teilte ein Sprecher mit. „Wir tun weiterhin alles in unserer Macht Stehende, um die Auswirkungen auf Handel und Verbraucher abzumildern, indem wir Effizienzgewinne und Einsparungen erzielen.“

Es drohen Regallücken
Doch letztlich wird die Preisexplosion im Lebensmitteleinzelhandel ankommen, sei es in Form höherer Preise oder in Form von Regallücken. „Ich gehe nicht davon aus, dass wir flächendeckend leere Regale sehen werden. Aber es wird punktuell Lieferschwierigkeiten geben“, sagt Ecofinia-Geschäftsführer Wiezoreck. Für ihn ist klar: Der Kakaopreis hat ein Niveau erreicht, das nicht nachhaltig ist. Entscheidend werde die große Ernte in Westafrika sein, die im Herbst anlaufe.

Vertikale Integration
 ist Trumpf

Kommentar von Manuel Glasfort

Theobroma Cacao, so taufte Carl von Linné den Kakaobaum: die Speise der Götter. Irgendwie passend, dass der Preis für seine Frucht inzwischen himmlische Höhen erreicht hat. Zur Zeit des schwedischen Naturforschers waren Kakaoprodukte tatsächlich der adligen Oberschicht vorbehalten. Wird die Schokolade jetzt also wieder zu einem Luxusprodukt? Eher nicht, Preisrallye hin oder her. Doch sicherlich werden höhere Preise für Schokolade den Verbraucher wieder bewusster genießen lassen. Das muss nichts Schlechtes sein.

Fragile Lieferketten
Die Preisexplosion beim Kakao ist nur die jüngste Erinnerung daran, wie fragil die globalen Warenströme sind. Eine Pandemie hinterlässt ebenso ihre Spuren am Supermarktregal wie ein Kriegsausbruch in Europa oder eine Missernte auf den Kakaoplantagen in Afrika. Die Folgen des Klimawandels werden bei Produkten wie Kakao weiter spürbar werden. Die Achterbahnfahrt bei den Rohwarenpreisen wird auch den Kampf um Marge zwischen Herstellern und Händlern anheizen.

Schokoladenhersteller sind in diesem Umfeld gut beraten, sich gegen die Achterbahnfahrt bei den Rohstoffen bestmöglich abzusichern. Im Vorteil sind nicht nur die großen Player. Auch vertikale Integration ist Trumpf: Wer etwa als Schokoladenhersteller einen Teil seiner Lieferkette kontrolliert, womöglich eigene Plantagen hat, ist unabhängiger.