Länderreport Bayern Regionale Bio-Offensive

Bis 2020 will Bayern die Produktion von Bio-Lebensmitteln verdoppeln und hat dazu ein spezielles Förderprogramm aufgelegt. Weiterhin setzt der Freistaat auf geprüfte Qualität und das Weltgenusserbe.

Montag, 13. April 2015 - Länderreports
Elke Häberle
Artikelbild Regionale Bio-Offensive
Bildquelle: Shutterstock

Auch wenn die Bayern sehr viel Wert auf ihr berühmtes „mir san mir“-Selbstverständnis legen. Wie im Rest der Nation sind „Bio“ und „Regio“ auch die Megatrends in der bajuwarischen Handels- und Lebensmittelbranche. Entsprechend stellt die Alp, die zum Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Bayerische gehörende A gentur für L ebensmittel und P rodukte aus Bayern diese beiden Verbrauchertrends in den Fokus ihrer Aktivitäten und ihrer Kommunikation.

Und das nicht erst seit gestern. Bereits mit der Regierungserklärung 2013 wurde ein umfassendes Förderprogramm für biologisch arbeitende Betriebe ins Leben gerufen. Darin ist fest gelegt, dass bis 2020 im Rahmen der Initiative „BioRegio Bayern 2020“ die Produktion von Biolebensmitteln in Bayern verdoppelt werden soll – von heute 6 auf dann 12 Prozent der Gesamtproduktion.

Aktuell kann im Freistaat die Produktion von Bio-Lebensmitteln mit der wachsenden Nachfrage nicht Schritt halten – und das, obwohl sich die Zahl der Biobauern in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt hat und heute jeder dritte Bio-Betrieb Deutschlands in Bayern wirtschaftet. Bayern ist damit nach eigenen Angaben mit rund 212.000 Hektar nach ökologischen Kriterien bewirtschafteter Fläche und 6.740 Bio-Betrieben das bedeutendste Öko-Land Deutschlands.

Zurück zur Initiative: Neben Forschung, Bildung, Förderung und Beratung legt das Landesprogramm ein weiteres besonderes Augenmerk auf das Thema Vermarktung. „Bio und regionale Herkunft sind gesellschaftliche Megatrends, die ideal miteinander verbunden werden können. Immer mehr Verbraucher sind bereit, den Mehrwert heimischer Bio-Lebensmittel wie Frische, kurze Transportwege und nachvollziehbare Erzeugung auch über den Kaufpreis zu honorieren“, so Georg Hausl, Leiter der alp-Bayern. In puncto Vermarktung plant der Freistaat hierzu die Einführung eines „Bayerischen Bio-Siegels“ für Landwirte, Hersteller und Einzelhändler. Die Notifizierung bei der EU-Kommission läuft derzeit. Spielen die Kommissare der EU mit, und geht es nach den Initiatoren, wird das Siegel, das zugleich auch die Standards für Bioprodukte aus Bayern festlegt, im kommenden Herbst eingeführt. Bei der Ausarbeitung der Standards für das neue bayerische Biozeichen wurde im Vorfeld die ganze Wertschöpfungskette von den Öko-Landwirten (Bioland, Naturland, Demeter, Biokreis und BBV) über Lebensmittelverarbeiter und Lebensmittelhandel bis hin zu den Verbraucherverbänden und dem Bund Naturschutz eingebunden. Diese sind sich darüber einig, dass die Qualitätskriterien des bayerischen Biosiegels deutlich über denen der EU-Öko-Verordnung liegen. Als Maßstab für die Bestimmungen zur Rohwarenherkunft gelten – hier hat der Freistaat einen Blick ins benachbarte Österreich geworfen - die Vorgaben der Vermarktungsplattform Agrar Marketing Austria (AMA) für deren erfolgreiches AMA-Biosiegel. Das bedeutet, dass Monoprodukte wie beispielsweise Milch, Käse oder Fleisch zu 100 Prozent aus Bayern stammen müssen. Bei verarbeiteten Lebensmitteln, die aus mehr als einer Zutat bestehen, haben sowohl die Zutaten, tierischen wie auch pflanzlichen Ursprungs,- sofern verfügbar – ebenfalls zu 100 Prozent aus Bayern zu stammen.

Und natürlich hat das Siegel auch nach außen hin eine klare Funktion zu erfüllen: „Um die Ziele des Landesprogramms „BioRegio Bayern 2020“ besser zu erreichen, ist es wichtig, den Verbrauchern eine einfache und schnelle Identifikation von Bio-Produkten auf der Basis bayerischer Rohware zu ermöglichen“, erläutert Georg Hausl, die Aufgabe des geplanten Bayerischen Bio-Siegels. Entsprechend soll es die ständig wachsende Nachfrage nach Bio gezielt auf heimische Produkte lenken und Verbrauchern die Orientierung erleichtern. Schließlich wisse man aus zahlreichen Umfragen, dass – so Hausl – „viele Verbraucher gezielt zu heimischen Bio-Produkten greifen würden, wenn klar erkennbar ist, dass sie aus Bayern stammen. Bio aus Bayern soll mit einer einfachen, klaren und verlässlichen Kennzeichnung ein Gesicht bekommen.“

Zur Einführung des neuen Siegels plant der Freistaat für Herbst eine großflächig, langfristig und breit angelegte Werbekampagne gemeinsam mit den Akteuren entlang der Wertschöpfungskette.

Neben dem geplanten Biosiegel für bayerische Produkte haben Vermarktungsagentur und Freistaat aber noch weitere Pfeile im Köcher. Einer davon ist das Herkunftssicherungsprogramm „Geprüfte Qualität – Bayern“ (GQ), das für eine stufenübergreifende Qualitätssicherung regionaler Lebensmittel steht. Inzwischen seit mehr als zehn Jahren auf dem Markt, ist das ovale Signet mit der blau-weißen Raute aus dem Lebensmittelhandel nicht mehr weg zu denken. Mit rund 19.000 landwirtschaftlichen Erzeugern, 2.700 Verkaufsstellen und mehr als 200 Verarbeitern, ist das GQ-Zeichen europaweit eines der bedeutendsten seiner Art.

Ob Edeka, Tengelmann, Rewe oder Discounter wie Lidl – von der Gemüseabteilung über Molkerei- und Käseprodukte bis hin zu Cerealien, Brot, Bier und immer stärker in der Fleischtheke: Das GQ-Zeichen hat seinen festen Platz und ist zu einem wertvollen (Kauf-)Argument für Handel, Hersteller und Verbraucher geworden. Und natürlich wird das Siegel auch entsprechend promotet. Für 2015 liegt der Schwerpunkt wieder in der weiteren Bekanntmachung des GQ-Siegels durch Werbemaßnahmen, die Inhalte transportieren und sinnvollerweise saisonal ausgesteuert werden. So stand im Dezember vergangenen Jahres Rindfleisch wie beispielsweise das Murnau-Werdenfelser-Rind im Fokus.


Gerade das Beispiel dieser robusten und eine der ältesten oberbayerischen Rinderrassen zeigt, wie sich der Handel ein „Filetstück“ für seine Fleischtheke sichern kann. Bis vor wenigen Jahren noch vom Aussterben bedroht, führt mittlerweile jeder Supermarkt, der etwas auf sich hält, Werdenfelser im Sortiment. Der Name ist unter Fleischliebhabern in Bayern zum Synonym für ungetrübten Genuss geworden.

Das Werdenfelser kommt meist von ökologisch arbeitenden Betrieben. Die Tiere werden artgerecht, also auf der Weide und nicht, wie heutzutage oft üblich, in Anbindehaltung aufgezogen. Weiterhin ist die Mutterkuhhaltung die Regel. Beheimatet ist die Rasse im gleichnamigen Werdenfelser Land (dem Alpen- und Voralpengebiet rund um Garmisch-Partenkirchen, Mittenwald, Oberammergau und Murnau) und entsprechend begegnen Touristen und Wanderer recht häufig den braunen Rindern vor der atemberaubenden Kulisse von Zug- und Alpspitze sowie dem Karwendel- und Wettersteingebirge.

Etwas weiter nördlich angesiedelt, aber nicht minder bekannt sind die Spargelanbaugebiete Schrobenhausen bei Ingolstadt und dem niederbayerischen Abensberg. Und weil gerade die Spargelsaison vor der Tür steht, wird von der Vermarktungsgesellschaft Alp seit April der heimische Spargel großflächig beworben. Im Sommer wird entsprechend zur Grillsaison die Werbetrommel für Schweinefleisch gerührt.

Last but not least steht 2015 das Weltgenusserbe Bayern im Fokus. Hierunter sind die geschützten geografischen Angaben (ggA) und Ursprungsbezeichnungen (gU) der EU angesiedelt. Insgesamt sind in der EU inzwischen übrigens mehr al 1.200 Spezialitäten eingetragen. Weltweit befindet sich das Zeichen auf dem Vormarsch. Kern der „Marke Bayern im In- und Ausland“ bilden typische Spezialitäten wie Bayerisches Bier, Bayerische Breze oder auch der Allgäuer Emmentaler. Der Freistaat beschreitet diesen Königsweg der EU zur Kennzeichnung regionaler Produkte seit mehr als einem Jahrzehnt, baut den Herkunftsschutz ergänzend zu anderen Initiativen wie GQ oder Ökoqualität kontinuierlich aus und fördert die Eintragung neuer sowie die Aufwertung geschützter Produkte. Allein seit 2010 wurden 12 neue bayerische Spezialitäten als „geschützte geographische Angabe“ (g.g.A.) bei der EU eingetragen, unter anderem Bayerisches Rindfleisch und die Bayerische Breze. „Dies ist ein Ergebnis unserer Initiative und der fortlaufenden Begleitung neuer Anträge“, so Hausl von der Alp Bayern.

Derzeit hat Bayern 27 geschützte Produkte – das entspricht einem Drittel der hierzulande insgesamt 79 geschützten Produkte im Bereich der Agrarprodukte und Lebensmittel. Damit liegt der Freistaat im „Medaillenspiegel“ auf Rang eins vor Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg mit jeweils elf EU-geschützten Spezialitäten. Wie ein Blick in die Tiefe zeigt, sind in Bayern unter den geschützten Produkten fünf geschützte Weinbauerzeugnisse und 12 geschützte Spirituosen-Spezialitäten. Alp-Manager Hausl: „Durch die immer stärkere Eingliederung der Herkunftsangaben bei Wein, Spirituosen und weinhaltigen Erzeugnissen wird die EU-Regelung noch bedeutender und ein konsistenter Regelungsrahmen für die Herkunft von Qualitätsprodukten.“ Weiterhin setzen sich die geschützten Bezeichnungen der EU weltweiten immer stärker durch und werten damit den Herkunftsschutz für die „großen Produkte“ wie z. B. Bayerisches Bier weiter auf. Welche Zugkraft das ent wickelt, zeigt sich an den Umsätzen. Etwa 10 Prozent der Umsätze oder zwei Milliarden Euro der gesamten bayerischen Ernährungswirtschaft entfallen darauf. Bayern ist damit nach der Emilia Romagna (Parma-Schinken, Parmiggiano, Grana Padano etc.) in Europa die zweitstärkste Region. Und „dank“ Bayern ist Deutschland nach Italien noch vor Frankreich laut einer EU-Studie der umsatzmäßig zweitstärkste Mitgliedstaat (ohne Wein).

Die von der Europäischen Union und durch nationale Beihilfen geförderte Informationskampagne Weltgenusserbe Bayern läuft noch bis 2017. Pünktlich zum wichtigsten Fest in Bayern – der Wiesn – ist der Re-launch der dazugehörigen Website „Spezialitätenland“ (www.spezialitaetenland-bayern.de) geplant. Auf dieser umfangreichen Datenbank im Internet können sich Verbraucher über 250 regionaltypische Spezialtäten aus allen Regionen Bayerns informieren. Darüber hinaus bietet sie Bilder, Geschichten und Geschichte, Hintergründe und natürlich jede Menge Rezepte.

Überhaupt liegt auf Verbraucherebene der Fokus in der Kommunikation der Vorzüge regionaler Produkte. Diese liegen laut der Studie „Regional und Bio: Kaufmotive und Kaufverhalten bei bayerischen Ökoprodukten“ der Technischen Universität München im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten übrigens für 28 Prozent der befragten Verbraucher in kurzen Transportwegen, der Unterstützung der ansässigen Landwirte (18,9 Prozent), der Frische der Ware (10,4 Prozent) und der Schonung der Umwelt (9,2, Prozent).

Um die Vorzüge zu kommunizieren, hat der Freistaat eine Vielzahl an Aktivitäten und Maßnahmen geplant wie beispielsweise das Portal www.regionales-bayern.de, welches Verbraucher mit Direktvermarktern zusammenbringt, die Bauernmarktmeile (www.bauernmarktmeilde.de) als Leuchtturmprojekte zur Förderung regionaler Bauern- und Wochenmärkte in Nürnberg und München sowie Events in Ballungszentren, um den Verbrauchern auf Eventebene die mannigfachen regionalen Schmankerl näher zu bringe.

Bilder zum Artikel

Bild öffnen
Bild öffnen