„Wo sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere.“ Dieses Sprichwort des französischen Schauspielers und Schriftstellers Jean-Baptiste Poquelin alias Molière dürfte zur Einzelhandelsfamilie Nientied passen. Das Ende des Edeka-Stammgeschäfts im Ortskern von Münster-Handorf war der Anfang eines neuen Marktes im 16 Kilometer entfernten Greven.
Recht zentral in einem Wohnviertel der 38.000-Einwohner-Gemeinde im Speckgürtel von Münster haben die Nientieds im Frühjahr dieses Jahres einen neuen Marktkauf eröffnet. „Wir wären gerne mit einer Filiale in Handorf geblieben, aber es fand sich keine geeignete Fläche“, sagt Seniorchef Heinrich Nientied rückblickend. Nach 63 Jahren schloss er seinen Edeka-Markt ab, den er 1988 von seinem Vater übernommen und 1993 erweitert hatte.
Weder die Corona-Pandemie noch mangelnder Umsatz waren die Gründe für das Aus nach so langer Zeit: „Mit 480 Quadratmetern Verkaufsfläche ohne Erweiterungsmöglichkeiten war der Markt als Vollsortimenter für die Zukunft schlichtweg zu klein, deshalb war der Standort nicht mehr zeitgemäß.“
In naher Zukunft hätte Nientied eine sechsstellige Summe in neue Kältetechnik investieren müssen, das habe sich aber nicht mehr gelohnt. Nientied: „Man muss als verantwortungsbewusster Unternehmer auch im Blick auf seine Angestellten sehen, dass am Ende finanziell etwas übrig bleiben muss.“ Alle Mitarbeiter bekamen in den anderen Nientied-Filialen einen neuen Arbeitsplatz.
Nun also Greven, die Flughafenstadt im nördlichen Münsterland. Zeitgemäß und zukunftsfähig sollte der neue Marktkauf sein – auch um mit den Söhnen Jan-Frederik und Vincent sowie seiner Schwiegertochter Katharina der nachfolgenden, dritten Generation eine sichere Perspektive zu geben. „Meinen Söhnen habe ich immer gesagt, sie sollen sich das gut überlegen. Man muss mit Leidenschaft dabei sein“, erzählt Seniorchef Heinrich Nientied im Gespräch mit der LP.
„Wir haben über dem Markt in Handorf gewohnt. Ich bin damit aufgewachsen und habe täglich miterlebt, was es heißt, Kaufmann zu sein. Die Chance war da, und ich habe sie genutzt“, sagt Jan-Frederik Nientied. Für die Ausbildung zog er aus der Heimat weg. Nach der Lehre in Krefeld und einer Weiterbildung im Ahrtal kehrte er aber wieder zurück und leitete zwei Jahre den Marktkauf in Warendorf. Seit 2013 ist er neben seinem Vater zweiter Geschäftsführer.
Mehr als 300 Parkplätze
„Der Einkauf beginnt nicht erst im Markt selbst, sondern bereits bei der Auffahrt auf den Parkplatz“, sagt Jan-Frederik Nientied. In Greven haben die Nientieds die Einfahrt aus Gründen des Komforts verlegen lassen. „Ein- und Ausfahrt sind nun deutlich breiter und damit übersichtlicher“, sagt der Juniorchef. Mehr als 300 Parkplätze stehen zur Verfügung. Als Service werden Ladestationen für E-Autos angeboten.
Fokus auf Frische und Vielfalt
Im Eingangsbereich besteht zunächst die Möglichkeit, das Leergut loszuwerden. So kann das Einkaufserlebnis ohne Ballast im Wagen starten. Auf 3.900 Quadratmetern Verkaufsfläche bietet das Warenhaus, gestaltet im modernen Industriedesign mit viel Holz, ein Sortiment von rund 50.000 Artikeln, darunter regionale und internationale Spezialitäten sowie Nonfood-Warengruppen, die es an diesem Standort bislang nicht gegeben hat. „In kurzer Zeit haben wir uns nicht nur damit als Nahversorger etabliert“, sagt Jan-Frederik Nientied. Auch viele Stammkunden aus dem ehemaligen Handorfer Markt finden den Weg nach Greven zum Einkauf: „Man sieht hier sehr oft bekannte Gesichter.“ Einen Schwerpunkt legen die Nientieds auf Frische. So hat die Obst- und Gemüseabteilung mit der Sushi-Bar „Eat Happy“ und einer Convenience-Station mit frisch zubereitetem Obst, Salaten, Gemüsepfannen und Desserts aus eigener Herstellung ihren (Markt-)Platz im Eingangsbereich gefunden. Die Ananas-Schneidemaschine sei sehr beliebt bei den Kunden, so Nientied. In nur 20 Sekunden lässt sich eine frische Ananas in Scheiben oder Stücken aufschneiden.
Dahinter schmeckt es nach Heimat: Es herrscht Hofladen-Atmosphäre in der Abteilung. Verschiedenste Produkte aus der Umgebung liegen in den Regalen: Backmischungen und Brotaufstriche aus Ibbenbüren, Gurken aus Warendorf, Honig aus Greven und Bier aus Münster. Hölzerne Bilderrahmen mit Informationen über die Hersteller stehen daneben. Der Begriff Regionalität wird möglichst eng gefasst: „Der weiteste Lieferant kommt aus 36 Kilometern Entfernung“, sagt Jan-Frederik Nientied und ergänzt: „Durch kurze Transportwege garantieren wir Frische und entlasten die Umwelt. Das schätzen die Kunden.“
In Kooperation mit dem ortsansässigen Tourismusverein Münsterland e. V. bieten die Nientieds Picknickkisten aus Holz mit regionalen Produkten zum Kauf an.
Kulinarische Food-Welten
Vorbei an einer Vielzahl von Molkereiprodukten gelangen die Kunden zur 34 Meter langen Theke für Fleisch/Wurst, Käse, Fisch und Antipasti. Gegenüber finden sich internationale Feinkostartikel: Asiatisches, Russisches, Mexikanisches, Spanisches, Italienisches – in Greven treffen kulinarische Welten an einem Ort aufeinander. „Viele internationale Spezialitäten werden inzwischen online bestellt. Da müssen wir als stationärer Händler gegensteuern“, erklärt Jan-Frederik Nientied.
Weitere Höhepunkte im Food-Bereich sind ein SB-Backshop, eine Weinabteilung mit edlen Tropfen und ein 65 Quadratmeter großes begehbares Kühlhaus für Getränke.
Die vielfältige Auswahl von Lebensmitteln ergänzen Nonfood-Artikel wie Schreib- und Haushaltswaren, Kleinelektronik, Sportbekleidung, Fahrradzubehör, Drogerie, Zeitschriften und Bücher sowie Waschmaschinen und Kühlschränke. Das Angebot nimmt etwa 20 Prozent der Fläche ein. „Das Nonfood-Sortiment gehört für uns einfach dazu, da es für den Kunden noch mal einen absoluten Mehrwert bietet“, sagt Jan-Frederik Nientied.
Ein Familienbetrieb
Die Nientieds sind aber nicht nur Unternehmer mit langer Einzelhandelstradition, sondern auch ein Familienbetrieb. „Das gibt Rückhalt und Sicherheit“, betont Heinrich Nientied. Dass die Familiengeschichte eine wichtige Rolle spielt, ist auch optisch erkennbar. Historische Bilder gewähren Einblicke in die Geschichte, die mit der Auslieferung frischer Milch begann. Porträts von Familienmitgliedern in Aktion hängen an den Wänden: So sind etwa Heinrich und Jan-Frederik Nientied in der Obst- und Gemüseabteilung zu sehen. „Meine Schwester Petra Timmermeyer ist wie ich seit 1988 im Unternehmen und verantwortlich für die Frischeabteilungen für Fleisch, Wurst, Käse und Fisch“, so Heinrich Nientied.
Seine Schwiegertochter Katharina hat das Ladendesign mit dem Düsseldorfer Planungsbüro Maßwerk entwickelt und führt den familieneigenen Bio-Fachmarkt im Vorkassenbereich „mit Herzblut“. Auf 200 Quadratmetern abgetrennter Fläche ist ein Bio-Sortiment von etwa 6.000 Artikeln erhältlich, darunter Naturkosmetik, Tiefkühlprodukte, Backwaren, Kaffeespezialitäten und Käse in Bedienung. „Wir führen die Bio-Fläche separat, damit wir auch Fachhandelsware anbieten können“, erläutert Jan-Frederik Nientied das Konzept. Hauptlieferant ist Dennree. Im Hauptmarkt gebe es vorrangig Edeka-Bio-Produkte und Alnatura-Ware. Neben dem Bio-Fachmarkt gibt es mit der im Ort bereits bekannten Bäckerei Werning und der „Wir für dich“-Apotheke zwei weitere Partner im Vorkassenbereich. Neun Kassen sorgen für einen reibungslosen Ablauf beim Bezahlen.
Schnell gelesen
Marktkauf Greven, BismarckstraSSe 45–47, 48268 Greven
- Die Nientieds sind eine Großfamilie mit langer Einzelhandelstradition.
- Der neue Markt wurde im Mai 2021 am ehemaligen Standort eines Supermarktes des Unternehmens Klaas & Kock (K+K) eröffnet.
- Greven ist nicht der erste Marktkauf-Standort der Nientieds. Seit 2009 führen sie einen 3.500 Quadratmeter großen Marktkauf in Warendorf, etwa 35 Kilometer von Greven entfernt. Zum Portfolio gehören auch zwei Edeka-Standorte und ein Getränkemarkt in Münster.
Fakten im Focus
- 3.900 qm Verkaufsfläche
- 135 Mitarbeiter im Markt
- über 50.000 Artikel im Sortiment
- ca. 34 Euro Durchschnittsbon pro Woche
- 9 Kassen
- montags bis samstags 8 bis 21 Uhr