Save on Foods Kanada Los ging‘s am Kassentisch...

Es sind drei Dinge, die beim Besuch eines kanadischen Supermarkts sofort hängenbleiben: die absolute Freundlichkeit des Personals, das ausufernde Sortiment an Convenience-Artikeln und die Geschichte des „Tellerwäschers, der zum Millionär wird“.

Montag, 05. November 2018 - Ladenreportagen
Reiner Mihr
Artikelbild Los ging‘s am Kassentisch...
Alkohol darf in Kanada nur in lizensierten Liquor-Stores verkauft werden. Ausnahme: regionale Weine.
Bildquelle: Carsten Hoppen

Darrell Jones , Präsident der kanadischen Handelskette „Save on Foods“, ist das Paradebeispiel für eine Handelskarriere kanadischer Machart. Der Startschuss für seine Karriere fiel am Kassentisch. Nicht als Kassierer, sondern als Einpacker. Darrell packte also die Einkäufe der „Save on Foods“-Kunden in Tüten und wünschte ihnen einen guten Tag – ein Service, in Deutschland nicht gewünscht, in Kanada oder USA aber selbstverständlich. Es muss ihm Spaß gemacht haben, er strengte sich an und erklomm Stufe um Stufe auf der Karriereleiter seines Unternehmens.

Fakten im Fokus
  • Verkaufsfläche: 5.900qm
  • Mitarbeiter: 175
  • Öffnungszeiten: 7-32 Uhr
  • Jahresumsatz: 50 Mio kanadische Dollar
  • Durchschnitts-Bon: 32,00 

Ob Darrell Millionär ist? Keine Ahnung. Aber er kennt „seinen Laden“ wie seine Westentasche. „Save on Foods“ (heißt in etwa „Sparen beim Lebensmitteleinkauf“) ist im Westen Kanadas, vor allem in British Columbia, aktiv. Das Unternehmen wurde 1915 gegründet, ist Teil der Jim-Pattison-Group, die in unterschiedlichsten Bereichen (Media, Verpackung, Entertainment, Lebensmittel-Produktion und eben Handel) aktiv ist. Neben „Save on Foods“ gehören noch andere Handelsketten zur Gruppe (Urban Fare, Overwaitea Food Group, Price-Smart Foods und andere). Pattison hat „Save on Foods“ 1968 gekauft. Für die Gruppe arbeiten rund 45.000 Menschen, der Umsatz beträgt rund zehn Milliarden kanadische Dollar.

Full-Service statt Preiskampf
„Save on Foods“ hat aktuell 168 Filialen, vor allem in British Columbia, erst seit 2015 expandiert die Kette auch nach Alberta (39 Läden), Saskatchewan (6), Manitoba (3) und zuletzt Yukon (1). Rund 18.000 Mitarbeiter arbeiten hier. „‘Save on Foods‘ punktet durch Full Service nicht durch Niedrigpreiskämpfe“, sagt Darrell. In 90 Filialen wird seit etwa vier Jahren Click & Collect (Online bestellen, selber abholen) angeboten. Hier ist übrigens der Durchschnittsbon deutlich höher als beim Kauf im Laden (in der Filiale White Rock zum Beispiel 140 Kanada-Dollar statt 32) Natürlich wird auch von den Filialen ausgeliefert. Start war in der Vancouver-Area, mittlerweile gibt es den Service auch in anderen Regionen, wie Kamloops oder Kelowna. Es gibt keinen Mindestbestellwert, aber die Lieferung kostet 7,95 Kanada-Dollar. Wenn vor 12 Uhr bestellt wird, kommt die Ware noch am selben Tag mit firmeneigenen Fahrzeugen.

Sehr erfolgreich ist „Save on Foods“ mit der eigenen Kundenkarte. „97 Prozent der Kunden haben eine“, sagt Darrell. Damit gibt es für viele, aber nicht alle Produkte günstigere Preise. Die Kunden sammeln zusätzlich Punkte für einen Jahresbonus. Ergänzt wird das ganze durch eine eigene „Save on Foods“-Kreditkarte, die fünffach Punkte bringen kann.

Darrell Jones kennt nicht nur seine Läden, sondern vor allem auch seine Kunden. „Mehr als 60 Prozent der Kanadier kochen heute nicht mehr“, sagt er. Die sollen bei „Save on Foods“ trotzdem all das finden, um sich abwechslungsreich und einigermaßen gesund zu ernähren.

Besuch in White Rock
Die LP traf Darrell in einem Markt in White Rock im Süden des Großraums Vancouver. Der Markt ist bereits rund 30 Jahre am Netz. „Sieht man nicht, oder?“, fragt Darrell ironisch. Nein sieht man nicht. Der Markt hat 5.900 Quadratmeter Verkaufsfläche, 2.000 bis 3.000 Zulieferer, 175 Mitarbeiter (übrigens sind 29 davon schon seit 30 Jahren dabei!) und jeden Tag von 7 bis 23 Uhr geöffnet. Es gibt nur einen einzigen Tag im Jahr, an dem dieser Markt geschlossen ist: der 25. Dezember.


Eine Millionen Kanada-Dollar fließt hier pro Woche durchschnittlich in die Kassen (übrigens 40 Prozent über Self-Check-out), allein Obst und Gemüse tragen dazu 15 Prozent bei. Aber auch die Fleischtheke (die Gruppe hat ein eigenes Fleischwerk, Wurst wird selber produziert) ist vergleichbar wie in Deutschland ein Kundenmagnet. Die Umsatzanteile: Frische 40 Prozent (davon 8 Prozent Milchprodukte), 3 Prozent Tiefkühlkost, ganz wichtig Apotheke und Drogerieartikel mit 10 Prozent und Wein mit immerhin 3,5 Prozent. Letzteres ist eine Besonderheit, denn Alkohol darf normalerweise nur in staatlich lizensierten Liquor-Stores verkauft werden. Ausnahme: regionale Weine. Und so gibt es im „Save on Foods“ Weine aus den Anbaugebieten British Columbias (ja, die gibt es: Okanagan, Fraser Valley, Vancouver Island.)

Für Darrell Jones ist der regionale Bezug seiner Lebensmittel von enormer Bedeutung. Obst, Gemüse, aber auch Fleisch- und Milchprodukte kommen bevorzugt aus der Region. Parallelen zum deutschen Handel werden hier deutlich. „Region“ heißt für Darrel übrigens aus einem Radius von 100 Meilen um den Standort.

Unverzichtbar in kanadischen (und US-amerikanischen) Lebensmittelmärkten ist eine integrierte Apotheke. Im Laden in White Rock werden pro Woche 2.200 Rezepte eingelöst. Ein weiteres Highlight des Marktes ist die Bulk-Food-Abteilung. „Save on Foods“ bietet lose Ware bereits seit 1970 an. Ein „Renner“ ist übrigens die „Wingbar“ (siehe Seite 6) mit den gebratenen Geflügelteilen. Sie erwirtschaftet immerhin 10.000 Kanada-Dollar Umsatz pro Woche. Auf zwei Quadratmetern! Der Hähnchenflügel werden mitgenommen oder sofort verzehrt. Denn Sitzgelegenheiten gibt es natürlich und auch ein wechselndes Mittag- und Abendessen-Angebot in Restaurantqualität.

Insgesamt ist das Sortiment sehr auf den convenience-orientierten Kunden ausgerichtet. „Prepared Foods“: entweder kalt oder warm zum Mitnehmen oder auch zum Sofort-Verzehr. Da gibt es dann alles – vom kompletten Menü über Teilfertiggerichte, Komponenten, frisch Geschnippeltes und eine Riesen-Tiefkühlabteilung. Für die rund 40 Prozent der Kanadier, die noch kochen, findet sich dann natürlich ebenfalls alles: Frisches Obst und Gemüse, Fleisch,… Der Supermarkt kann – egal wie die gesellschaftliche Entwicklung in Sachen Ernährung in Kanada weitergeht – nur gewinnen.

Schnell gelesen

Save on Foods, 152 Street, Surrey, White Rock

  • Karriere ist im kanadischen Lebensmittelhandel anders möglich als in Deutschland.
  • „Save on Foods“ ist eine Lebensmitelfilialkette mit Schwerpunkt in British Columbia
  • 60 Prozent der Kanadier kochen nicht mehr! Der Supermarkt bietet für sie und die restlichen 40 Prozent das richtige Angebot.
  • Schwerpunkte des Sortiments sind vergleichbar wie in Deutschland: Frische, Regionalität, Convenience.
  • Die Mitarbeiter in den Märkten sind – meistens – von unerreichter Freundlichkeit.

Darrells Slogan ist „Customer first“ oder „The customer is not always right, but always the customer.” (In etwa: „Der Kunde hat nicht immer recht, aber er ist immer der Kunde.“) Ein Umsatz von mehr als 50 Millionen Kanada-Dollar im Jahr bei einem Durchschnittsbon von 32 Kanada-Dollar geben ihm wohl recht. Und das bei nicht endender Konkurrenz: Walmart, Real Canadian Superstore, Loblaws, Cosco, Safeway und mehr – alle innerhalb von fünf Minuten um diesen „Save on Foods“ gruppiert.

Darrell ist übrigens viel mehr als „nur“ der Präsident der „Save on Foods“-Kette, er ist auch ein Fernsehstar. Er tritt persönlich und sehr humorvoll in TV-Werbespots für sein Unternehmen auf. Im Geschäft wird er daher ständig von Kunden angesprochen, weil die erstaunt sind, dass er offenbar „echt“ und kein Schauspieler ist. Mehr unter www.youtube.com/watch?v=z4PieILz3J0.

Beim Durchgang durch die Regale bei „Save on Foods“ wird übrigens jeder Kunde von fast jedem Mitarbeiter angesprochen. Ein freundliches „Hi there, how are you doing?“ kommt fast immer. Und an der Kasse ist die Frage nach dem werten Befinden obligatorisch, manchmal erweitert um die Frage nach dem Verlauf des bisherigen Tages. Und wenn der Deutsche dann anhand seines Akzents erkannt wird, kommt unweigerlich die Frage nach dem „Woher“. Und sofort entspannt sich ein kurzes, immer sehr freundliches, unaufgesetztes und interessiertes Gespräch.

Das muss am kanadischen Arbeitssystem liegen. Eine Ausbildung wie bei uns gibt es nicht. Nach der Schule geht jeder junge Mensch in einen Job und lernt beim Arbeiten. Die Stellen werden bei Nichtgefallen auch schnell gewechselt. Im Prinzip findet so jeder, was ihm Spaß macht. So kam auch Zade Cawley zu seinem Job. Er begann als Einpacker an der Kasse und ist jetzt Marktleiter im „Save on Foods“ in White Rock. Seine Ziele? Ach ja, die Geschichte haben wir im Prinzip schon erzählt.

Bilder zum Artikel

Bild öffnen Darrell präsentiert spürbar stolz sein regionales Angebot an Obst und Gemüse. Frische ist auch in kanadischen Supermärkten wichtiges Thema.
Bild öffnen Alkohol darf in Kanada nur in lizensierten Liquor-Stores verkauft werden. Ausnahme: regionale Weine.
Bild öffnen Sushi muss auch in Kanada sein, ist aber nur ein kleiner Teil des riesigen Angebotes an Convenience-Artikeln.
Bild öffnen Kanadier leben in einem sehr wohlhabendem Land – und sind stolz auf heimische Produkte.
Bild öffnen Das Angebot an loser Ware ist enorm – „Save on Foods“ handelt schon seit den 1970er Jahren mit der „bulk-ware“.
Bild öffnen Große Fischabteilung. Und auch in Kanada ein wichtiges Thema: Nachhaltigkeit.
Bild öffnen Eigene Herstellung – auch im kanadischen Supermarkt ist das ein Unterscheidungsmerkmal.
Bild öffnen Bei „Save on Foods“ findet der Burger-Fan alles, was sein Herz begehrt. Selbst gemacht.
Bild öffnen Zade Cawley, Store-Manager in White Rock, begann als Einpacker, jetzt ist er vor allem Mitarbeiter-Motivator.
Bild öffnen Der Einkaufswagen bremst eigenständig, wenn eine Grenze des Parkplatzes überfahren wird.
Bild öffnen Die „Save on Foods“- Kundenkarte bietet deutlich günstigere Preise für einzelne Produkte. Gut einsetzbar auch bei Promotions.
Bild öffnen Unverzichtbar in nordamerikanischen Märkten: die Apotheke. Sie ist Frequenz- und Umsatzbringer.
Bild öffnen Rund 60 Prozent der Kanadier kochen nicht mehr. Riesige Tiefkühlabteilungen finden sich daher in jedem kanadischen Lebensmittelmarkt wieder.

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