Diageo Deutschland Ist die Petersilie frisch?

Storecheck mit Markus Kramer , Geschäftsführer Diageo Deutschland, im Real Wiesbaden. Sein Credo: Ist die Petersilie frisch, ist der Markt gut in Schuss. Kramer über Facings, Zweitplatzierungen und Kooperationen mit dem Handel.

Mittwoch, 07. März 2012 - Hersteller
Reiner Mihr
Artikelbild Ist die Petersilie frisch?
Spirituosen-Diebstahl hält Markus Kramer für ein großes Thema für Handel und Hersteller.
Bildquelle: Stefan Mugrauer

Markus Kramer ist seit wenigen Monaten Geschäftsführer Diageo Deutschland und Österreich. Hierzulande ist das Geschäft von Diageo im Finanzjahr 2011 (Juli 2010 bis Juni 2011) um 15 Prozent gewachsen. Das soll im kommenden Finanzjahr mindestens genauso laufen. Die Rolle Deutschlands für Diageo (Umsatz: 2010/2011 mehr als 13 Mrd. GBP brutto) wird damit noch wichtiger. Kramer ist Vertriebsmann und daher ist ein Treffen am Spirituosenregal im Real Wiesbaden nur logisch. Dort fühlt er sich sichtlich wohl. Obwohl Kramer beim Storecheck nicht zuerst auf Spirituosen achtet.

Herr Kramer, wie oft sind Sie noch draußen in den Märkten?
Markus Kramer: Zweimal in der Woche bin ich mindestens dort, wo auch unsere Kunden und Konsumenten sind, also im Tankstellenshop, in der Gastronomie und vor allem im Lebensmittelhandel.

Worauf achten Sie als erstes, wenn Sie in den Markt kommen?
Ich renne nicht sofort in die Spirituosenabteilung! Ich fange am Parkplatz an: Wie voll ist der, welche Autos stehen dort – da kann man schon in etwa die Kundenklientel einschätzen. Im Markt selbst lasse ich die Atmosphäre auf mich wirken – wie sauber, wie aufgeräumt ist er, wie sind die Mitarbeiter gekleidet, sind die Mitarbeiter freundlich. Dann achte ich auf die Frische-Abteilung. Wenn bei Obst- und Gemüse die Petersilie frisch ist, ist der Markt mit großer Sicherheit gut in Schuss. Wir brauchen Märkte mit Ausstrahlung.

Aber in die Spirituosenabteilung gehen Sie schon…
Klar. Da prüfe ich unsere Distribution, die Facings, Einhaltung von Absprachen, die Umsetzung von Zweitplatzierungen, die Preisauszeichnung. Vergleiche das mit dem Wettbewerb. Das zeigt, ob ein Marktleiter sich um das Sortiment kümmert.

Was ist Ihnen hier im Real als erstes aufgefallen?
Der Markt steht. Sehr aufgeräumt, sauber, kaum Grifflücken, gute Frischeabteilungen. Eine Top-Spirituosenabteilung und eine herausragende Zweitplatzierung für Baileys, Smirnoff und Captain Morgan (schmunzelnd).

Anfang des Jahres kann ein Spirituosenanbieter eine solche Zweitplatzierung sicher gut brauchen?
Klar. Januar ist nicht gerade der absatzstärkste Monat. Und da Spirituosen seltener geplant gekauft werden, sind Impulse wichtig.

Man sieht hier am Regal keine Diebstahlsicherung bei den Spirituosen. Dabei dürften gerade die hochwertigen Spirituosen beliebtes Diebesgut sein?
Ja, natürlich. Das ist ein großes Thema für Handel und Hersteller. Die bisherigen Sicherungs-Versuche sind aber eher Verkaufshindernisse. In unserem Customer Collaboration Center in London entwickeln wir zurzeit eine Lösung hierzu.


Weltweit ist Diageo der führende Spirituosenanbieter, in Deutschland nur auf Rang 4. Warum?
Das wird sich ändern. Sie haben in Deutschland eine gute wirtschaftliche Gesamtentwicklung, eine schrumpfende Arbeitslosenzahl, die Inflation hält sich in Grenzen – also gute Voraussetzungen für Konsum. Deutschland ist zudem der zweitgrößte Spirituosenmarkt in Europa. Wir haben hier Nachholbedarf. Aber der Fokus richtet sich stark auf Deutschland.

Sie wollen Ihr Geschäft in Deutschland und Österreich in nur 5 Jahren verdoppeln. Wie soll das gehen?
Wir wollen noch besser mit dem Handel kooperieren. Dazu haben wir unseren Außendienst ausgebaut und wollen statt der bisher über Agenturen erreichten 1.500 Geschäfte demnächst 10.000 Märkte direkt betreuen können. Aktuell schaffen wir 3.500. Bis Mitte dieses Jahres werden wir den Außendienst noch mal aufstocken und dann 45 eigene Leute offtrade haben, inklusive Gastro sind wir dann bei 90.

Was bringt das dem Handel konkret?
Ganz praktisch vermeiden wir dadurch Vorratslücken und erhöhen die Warenverfügbarkeit. Aber wir setzen auch auf kundenindividuelle Promotions. Um das zu realisieren, bilden wir crossfunktionale Teams, die an Handelsorganisationen orientiert sind. Ein guter Schritt Richtung funktionierendes Category-Management.

Reicht das?
Nein, wir werden auch verstärkt in Marketing investieren. In diesem Jahr haben wir zum Beispiel unser Marketing-Budget um 20 Prozent erhöht. Außerdem setzen wir auf Innovationen.

Was kann man im Spirituosenmarkt denn neu erfinden?
Es geht auch darum, bisher nicht in Deutschland vertretene Marken erfolgreich zu etablieren. Nehmen Sie als Beispiel Captain Morgan: Gewürzter Rum war vor zehn Jahren in Deutschland kein Thema, treibt aber jetzt seit fünf Jahren den Rum-Markt hierzulande an und verdoppelt seinen Umsatz jährlich. Innovativ ist auch die Weiterentwicklung einer bestehenden Kategorie, wie zum Beispiel die der Premixes.

Keine Zurückhaltung mehr bei der Dose?
Nein, es gibt keinen Qualitätsnachteil mehr, aber auch kein Imageproblem. Hier hat ein bekannter Energy-Drink viel für die Akzeptanz bewirkt. Außerdem sind die Premixes heute erwachsener als früher die Alcopops, eben weniger bunt und weniger süß.

Lohnt sich das für den Handel?
Das ist ein echtes Wertschöpfungsgeschäft für Handel und Hersteller. Aus einer Flasche lassen sich sechs bis acht Drinks mixen. Die gleiche Anzahl verkaufter Premixes ist da sehr rentabel. Aber bitte nicht falsch verstehen: Wir vermarkten Premium-Spirituosen, die werden nicht verscherbelt und sind nicht billig.


Brauchen Sie für weiteres Wachstum auch Zukäufe? Gerade hat Diageo Mey Icki gekauft, den Hersteller von Yeni Raki…
Dieser Kauf hat natürlich auch die strategische Komponente, dass die Diageo-Marken damit besseren Zugang zum türkischen Markt bekommen. Uns wird die Marke Yeni Raki angesichts von rund 3,5 Mio. türkischen Mitbürgern in Deutschland und geschätzten 4 bis 5 Mio. deutschen Türkei-Urlaubern sicherlich helfen.

Ihre Ziele?
Aktuell werden in Deutschland 160.000 Kisten à 9 l verkauft. Umgerechnet auf 0,7 l wären das mehr als 2 Mio. Flaschen. Das soll in den nächsten Jahren verdoppelt werden. Im 20 Mio. l starken Anis-Spirituosenmarkt wollen wir ein größeres Stück vom Kuchen. Dafür werden wir einiges für die Marke tun.

Viele Spirituosenmarken sind ja emotional stark aufgeladen, da eröffnen sich Phantasie-Welten, die man im Regal eher nicht wiederfindet. Muss sich das ändern?
Die Themenwelten werden zu wenig umgesetzt. Das hängt aber sehr stark von den Herstellern ab. Die müssen mit individuellen Promotions, Displays und Ideen aktiv werden. Wir müssen die Impulse setzen, weil Spirituosen nun mal keine Plankäufe sind. Auch dafür bauen wir unsere Vertriebsleistung weiter aus.? 

Zur Person
Markus Kramer begann seine berufliche Laufbahn nach dem Studium der Betriebswirtschaft in Köln als Key-Account-Manager bei Unilever. Es folgten neun Jahre bei Bacardi Deutschland, in denen er verschiedene Positionen im Verkauf wahrnahm, zuletzt als Vertriebsdirektor Handel. Vor Diageo arbeitete Markus Kramer drei Jahre lang bei Coca-Cola, wo er als Geschäftsleiter für das Verkaufsgebiet Nord zuständig war. Der 43-Jährige hat zwei kleine Kinder und lebt mit seiner Familie in Hamburg. Liebste Freizeitbeschäftigung: Joggen rund um die Alster. Aber erst nach der Familie. Und gegen einen „Tom Collins“ (Tanqueray Gin, Zitronensaft, Zuckersirup, Soda, Eis) am Abend hat er auch nichts einzuwenden.
Bildquelle: Stefan Mugrauer

Bilder zum Artikel

Bild öffnen Markus Kramer, Geschäftsführer Diageo Deutschland.
Bild öffnen Spirituosen-Diebstahl hält Markus Kramer für ein großes Thema für Handel und Hersteller.
Bild öffnen Kramer ist Vertriebsmann und beim Treffen im Real Wiesbaden fühlt er sich sichtlich wohl.