Aktuell sei der Vertikalfall nahezu abgeschlossen, ermittelt werde nur noch bei zwei Bier- und einem Süßwaren-Unternehmen, deren Namen Kartellamts-Chef Andreas Mundt jedoch nicht nennen wollte. Im Nachgang zum Vertikalfall im stationären LEH arbeitet das Amt aktuell an einem Leitfaden, der nach der Sommerpause erscheinen und Unternehmen der Branche Hintergrund, Zweck und Reichweite des Preisbindungsverbots erläutern soll.
„Die Kartellverfolgung bleibt ein Schwerpunkt unserer Arbeit“, so Mundt. Besonders wichtig sei die Kronzeugen-Regelung, da ca. die Hälfte aller Fälle auf sie zurückgehe. 76 Kronzeugen-Anträge habe es 2015 gegeben. Auch das eingerichtete anonyme Hinweissystem, bei dem die Informanten unerkannt bleiben, sei sehr erfolgreich. „Das hat uns im Wurstkartell wesentlich voran gebracht.“ 2015 hat das Bundeskartellamt 1.169 Fusionskontroll-Entscheidungen getroffen, ein Vorhaben wurde untersagt (Edeka/Kaiser’s Tengelmann).
Der LEH, diese hoch konzentrierte Branche mit vier großen Handelskonzernen und nur noch wenigen mittelständischen Wettbewerbern, werde das Amt auch weiterhin beschäftigen. „Derzeit prüfen wir das Vorhaben von Rewe, die Mehrheit an der Coop zu übernehmen. Auch hier schauen wir uns, wie bei Edeka/Kaiser’s Tengelmann, die betroffenen regionalen Märkte genau an. Es gelten die gleichen Maßstäbe.“
Angesichts der Absage des Oberlandesgerichts Düsseldorf an eine Einkaufskooperation zwischen Edeka und Tengelmann wollte sich Mundt nicht zu den Chancen äußern, dass das Gericht die Ministererlaubnis in Gänze kassieren könnte. „Nur so viel: Zwei Verfahren haben wir dort schon gewonnen.“ Die Begründung der jüngsten Entscheidung sei sehr technisch geprägt gewesen. Da könne man auf nichts abstellen.
Schon in den nächsten Wochen werde es Neues im Fall Tönnies geben. Hoffnung hat Mundt auch, dass die „Wurstlücke“ bald – und zwar mit der 9. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkung – geschlossen werde. (Anmerkung der Redaktion: Gemeint ist eine Regelungslücke im deutschen Gesetz, die es zulässt, dass sich Konzerne umstrukturieren und so der Haftung und dem Zahlen von Bußgeldern entgehen) Dass bei Fällen, in denen eine Unternehmenstochter nachweislich an einem Kartell beteiligt war, auf die finanzielle Grundlage der Mutter abgestellt werde, sei absurd und in anderen EU-Staaten sowie dem europäischen Kartellrecht so nicht denkbar.
Auch die Molkereiwirtschaft beschäftigt das Kartellamt: Ende Mai wurden 88 der in Deutschland rd. 150 tätigen Molkereien mit Anhörungsbögen angeschrieben. Eine Art Pilot-Untersuchung läuft beim Deutschen Milchkontor, DMK. „Die Rückläufe kommen in Kürze“, so Mundt. Nach Sichtung werde man sich intern, aber auch mit der Branche weiter verständigen. „Wir werden nicht die Milchkrise lösen, aber wir können mittelfristig für mehr Wettbewerb und mehr Markt sorgen.“