Ritter Sport Reste treiben an

Ritter Sport strebt eine ganzheitliche Verwertung der Kakaofrucht an. Bisher nicht verwendete Bestandteile der Frucht werden zum Innovationstreiber für das Unternehmen.

Montag, 04. Oktober 2021 - Management
Katja Seger

An Litschi erinnert der Geschmack des Fruchtfleischs, das die wertvollen Kakaobohnen umgibt. Was bisher ungenutzt blieb, befeuert nun den Erfindergeist bei Ritter Sport. Cacao y Nada ist der Name einer Schokolade, die aus 100 Prozent Kakao besteht und in der Kakaosaft zum Süßen verwendet wird. Diesen gewinnt Ritter in einem innovativen Verfahren auf der eigenen Plantage in Nicaragua aus dem Fruchtfleisch.

Noch steht der Saft nur sehr begrenzt zur Verfügung, weshalb die Tafel als limitierte Edition startete. Ob sie sich auch Schokolade nennen darf, darüber wird diskutiert, denn die deutsche Verordnung über Kakao- und Schokoladenerzeugnisse aus dem Jahr 2003 besage, dass ein Produkt nur dann als Schokolade bezeichnet werden dürfe, wenn dort neben Zutaten wie Kakaomasse, Kakaopulver und Kakaobutter auch „Zuckerarten“ enthalten seien, so die Argumentation. Der Saft der Kakaofrucht ist seit Anfang 2020 in der EU als Lebensmittel zugelassen, jedoch nicht ausdrücklich als Zuckerart. Er ist jedoch auch Basis für eine weitere Innovation, die Ritter eine neue Produktkategorie eröffnet. Kakaofruchtsaft, ein Teeaufguss aus getrocknetem Kakaofruchtfleisch, Wasser, Kohlensäure und ein wenig Zucker: Daraus besteht das neue Erfrischungsgetränk CacaoVida. Michael Lessmann, Managing Director DACH + Nordics, Ritter Sport, erklärt mehr zum Upcycling-Engagement.

Welche Neben- und Abfallprodukte aus der Lieferkette und Produktion Ihrer Erzeugnisse können weiterverwendet werden?
Michael Lessmann: Als Schokoladenhersteller ist unser wichtigster Rohstoff natürlich der Kakao, zu dem wir durch unsere eigene Farm ein ganz besonderes Verhältnis und einen viel direkteren Zugang haben, als zu anderen Rohstoffen. Daher konzentrieren wir uns beim Thema Upcycling auch in erster Linie auf den Kakao. Üblicherweise werden vom Kakao nur die Bohnen verwendet, die zu Kakaomasse bzw. Kakaobutter verarbeitet werden. Unser Ziel ist die ganzheitliche Verwertung der Kakaofrucht. So werden auf unserer Farm El Cacao seit Langem die Schalen der Kakaofrüchte kompostiert und als Dünger genutzt. Inzwischen haben wir auch Möglichkeiten gefunden, das Fruchtfleisch zu verarbeiten. Seit vielen Jahren nutzen wir auch die wenigen Chargentrennmassen, die bei uns anfallen, und fertigen daraus Produkte in Kleinmengen, die nur in unserem Shop in Waldenbuch angeboten werden.

Wo liegen Chancen für Ritter und die Kakaoproduzenten im Süden durch das Upcycling von Nebenströmen wie Kakaoschale oder -saft?
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Verbraucher über Kakao nur wenig wissen. Anders als zum Beispiel beim Kaffee. Indem wir ein Bewusstsein für die geschmackliche Vielfalt des Kakaos schaffen, fördern wir auch die Wertschätzung gegenüber diesem natürlichen Rohstoff. Dazu trägt unsere Kakao-Klasse ebenso bei wie unser neues Kakaofruchterfrischungsgetränk CacaoVida. Langfristig kann etwa die Verwertung des Saftes auch eine zusätzliche Einkommensquelle für die Bauern darstellen. Mit einigen unserer Partner-Kooperativen in Nicaragua arbeiten wir bereits daran, dafür die Voraussetzungen – zum Beispiel technischer Art – zu prüfen.

Wo liegen Hürden für das Upcycling der Nebenströme?
Das eigene Produktportfolio zu erweitern bringt immer zahlreiche Herausforderungen mit sich. Als mittelständisches Familienunternehmen gehen wir hier bewusst behutsam vor und haben deshalb zum Beispiel CacaoVida zunächst nur über unsere eigenen Kanäle, die Schokowelten in Waldenbuch und Berlin sowie einen eigenen Onlineshop, eingeführt.

Was muss sich auf regulatorischer Seite ändern, um die Entwicklung von nachhaltigen Upcycling-Konzepten zu fördern?
Die Lebensmittelbranche zeichnet sich durch hohe Innovationskraft aus. Das zeigen die vielen jungen Start-ups ebenso wie die Entwicklungen mancher Traditionsunternehmen. Sicherlich wäre es wünschenswert, das Lebensmittelrecht hielte mit diesen Innovationen Schritt.

Sie machen den Aspekt des Upcyclings auf CacaoVida mit einem Icon kenntlich. Verstehen dies Verbraucher bereits auf den ersten Blick?
Wir sind der Ansicht, dass man den Verbrauchern heute mehr zutrauen kann, als das oft der Fall ist. Wenn es einer Aufklärung bedarf, dann sollte sie da ansetzen, unser aller Wertschätzung gegenüber natürlichen Rohstoffen und Lebensmitteln zu verbessern.