Kurz vor Weihnachten 2013 bestimmte er wieder die Schlagzeilen in nahezu allen Gazetten dieses Landes. Hans-Werner Sinn, Präsident des Münchner Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung an der Universität München e. V., besser bekannt als Ifo Institut , hat ein besonders gutes Gefühl für „Timing“. Er versprach der deutschen Wirtschaft für 2014 einen enormen Konjunkturaufschwung, die Wirtschaft werde fünfmal so stark wachsen wie 2013. Ein „Geschenk vom Weihnachtsmann“ wurde Sinn überall zitiert. Ein Wachstum von 1,9 Prozent würde es in Deutschland geben, 2013 wuchs das Bruttoinlandsprodukt gerade mal um 0,4 Prozent. Deutsche Firmen seien jetzt weniger verunsichert und die Aussichten auf steigende Einkommen gut. Das komme vor allem der Inlandsnachfrage zu Gute. Das machte Laune mitten im Weihnachtsgeschäft.
Andere Wirtschaftsforschungsinstitute und Organisationen waren zwar nicht ganz so euphorisch, optimistisch sind aber auch sie: Das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) sieht seinen Konjunkturindex auf dem höchsten Stand seit 2006. Die deutsche Bundesbank rechnet sogar auch auf mittlere Sicht mit anziehender Konjunktur. Sie sieht 2014 ein Wirtschaftswachstum von 1,7 Prozent und 2015 sogar von 2 Prozent. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) erwartet im kommenden Jahr 250.000 neue Jobs. Das Deutsche Institut der Wirtschaft (DIW) traut den deutschen Unternehmen zu, 2014 wieder mehr auszugeben. Sogar das als gewerkschaftsnah geltende Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) sieht eine wachsende Wirtschaft. Der Handelsverband Deutschland (HDE ) verweist auf eine stabile Lage im Einzelhandel, kritisiert aber, dass der private Konsum insgesamt deutlich unterhalb der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung bleibe. HDE-Präsident Josef Sanktjohanser sieht im LP-Interview für den Einzelhandel zwar insgesamt gute Rahmenbedingungen. Der Lebensmittelhandel stehe gut da. Allerdings sieht er eine ganze Reihe von Problemfeldern (siehe Interview ab S. 18).
Auch die LEBENSMITTEL PRAXIS hat wieder gefragt, wie Führungskräfte im Lebensmittelhandel das zurückliegende Jahr beurteilen und was sie für 2014 erwarten. Das ist schnell gesagt: 2013 wird im Rückblick verhalten gesehen – welcher Kaufmann ist schon absolut zufrieden?, von 2014 wird allerdings mehr erwartet. Aus beiden Werten errechnet sich der Index von + 29 für 2014. Das ist deutlich besser als vor einem (+12) und vor zwei Jahren (+22), aber schlechter als Ende 2010. Insgesamt also ist die Klage diesmal nicht des Kaufmanns Lied, die Stimmung im deutschen Lebensmittelhandel kann zur Jahreswende 2013/2014 eindeutig mit gut, aber nicht euphorisch beschrieben werden.
Dafür gibt es auch Gründe : ein sich weiter positiv entwickelnder Arbeitsmarkt, leicht steigende Einkommen, etwas sinkende Sparquote und die gesamtwirtschaftliche Perspektive. Darüber hinaus geht der Trend zu besseren Qualitäten, was nicht zuletzt durch die Bemühungen der Discounter, eigene Premium-Marken zu etablieren, untermauert wird. Hier und auch bei Ladenbau, Service und Kundenfreundlichkeit dürfte der Vollsortimenter derzeit so gut aufgestellt sein wie lange nicht.
Trotzdem gibt es auch Unwägbarkeiten : die Inflation, welche die Lohnsteigerungen wieder auffrisst, steigende Preise oder Energiekosten, die zum Beispiel bei Strom im Vergleich zu Resteuropa einfach exorbitant hoch sind.
So ist es denn auch der Kostendruck, der die von der LP befragten Händler für 2014 besonders belastet (siehe Grafik Seite 42). Dort gibt es noch mehr solcher Herausforderungen für dieses Jahr: Natürlich Preiskampf, natürlich Verbraucherschutz und Produktkennzeichnung (die neue Lebensmittel-Kennzeichnungs-Verordnung wirft ihre Schatten voraus), aber es gibt auch offensive Themen, wie Förderung regionaler Produkte, Frische, neue Technologien und so weiter.
Überhaupt: Regionalität scheint weiterhin eines der wirklich großen Themen im deutschen Lebensmittelhandel zu bleiben. Jedenfalls sehen dies die von der LP Befragten so. Es ist bei ihnen das herausragende Element, um sich im Wettbewerb zu profilieren und zu differenzieren. Erst mit größerem Abstand folgt die eigene Produktion (siehe Grafik Seite 42). Das passt auch zur Einschätzung der wahrscheinlich Umsatz bringenden Warengruppen. Hier ist Obst und Gemüse ganz vorn, aber auch Bio und gekühlte Produkte. Klassische, von Marken besetzte Sortimente behaupten sich aber auch: Alkoholfreie Getränke, Molkereiprodukte oder Tiefkühlkost.