Technik Bezahlen im Vorübergehen

Im Frühjahr startet ein Pilotprojekt , in dem das kontaktlose Bezahlen am PoS zunächst getestet und dann bundesweit eingeführt werden soll.

Donnerstag, 26. Januar 2012 - Management
Udo Mett
Artikelbild Bezahlen im Vorübergehen
Bildquelle: DSGV

Fast 60 Prozent aller Einkäufe im Handel werden immer noch bar bezahlt. Doch scheint die langjährige Dominanz des Bargeldes mit der zunehmenden Akzeptanz des Mobile Payments zu bröckeln. Entscheidenden Vorschub für diese Entwicklung leistet die schnelle Verbreitung von Smartphones. Hinzu kommt, dass das kontaktlose Bezahlen von den Kreditkartenorganisationen Mastercard („Paypass“) und Visa („PayWave“) stark forciert wird. Nach dem „Tap & Go-Prinzip“ hält der Verbraucher bei dieser Bezahlform seine mit einem Funk-Chip (Near Field Communication – NFC) ausgestattete Karte einfach an ein Lesegerät. Beim mobilen Bezahlen wird der Geldbetrag mit Hilfe des Smartphones übermittelt. Insgesamt hat das kontaktlose Bezahlen einen recht großen monetären Spielraum. Bis rund 50 Euro würden Verbraucher grundsätzlich kontaktlos bezahlen. „Damit birgt dieses Bezahlverfahren ein weitaus höheres Umsatzpotenzial für Händler als bisher angenommen“, glaubt Manfred Krüger, Vorsitzender der Geschäftsführung von Concardis, dem Gemeinschaftsunternehmen der deutschen Kreditwirtschaft, das auf die Abwicklung von bargeldlosen Bezahlvorgängen spezialisiert ist. Das EHI Retail Institute verweist zudem auf Untersuchungen, wonach das Segment der Kleinbetragseinkäufe bisher kaum von bargeldlosem Bezahlen erschlossen ist. Und die Mehrheit der Einzelhändler verspreche sich von der Einführung des kontaktlosen Bezahlens klare Vorteile. Dazu gehörten zum Beispiel schnellere Abfertigung bzw. weniger Warteschlangen und weniger ungeduldige Kunden an den Kassen, höhere Durchschnittsbons und geringere Kosten bei der Bargeldbewirtschaftung und -logistik.

Am 17. April startet nun im Raum Hannover ein Pilotprojekt der Sparkassen-Organisation und der Volks- und Raiffeisenbanken. 1,3 Mio. Bankkunden können dann u. a. an den Kassen von bis zu 250 Märkten der Edeka Minden-Hannover, in Geschäften der Douglas-Gruppe (Thalia, Hussel, AppelrathCüpper, Christ) und an Esso-Tankstellen per EC-Karte mit „Girogo“-Prepaid-Funktion bis zu einem Höchstbetrag von 20 Euro kontaktlos bezahlen. Der Bezahlvorgang soll damit weniger als 1 Sekunde dauern und erfolgt mehr oder weniger „im Vorübergehen“. Die Volksbanken wollen erst nach Abschluss des Pilotprojektes im kommenden Jahr entscheiden, ob sie die Technik bundesweit anbieten. Die Sparkassen hingegen haben bereits angekündigt, das neue System ab August schrittweise auf allen EC-Karten ihrer Organisation zu installieren. Die Initiatoren verweisen darauf, dass das Bezahlen mit Girogo um bis zu 25 Prozent schneller als eine herkömmliche Kartenzahlung und doppelt so s chnell sei wie Bargeldzahlung. Im Gegensatz zur üblichen Kartenzahlung braucht der Kunde seine Bank- oder Sparkassenkarte bis zu einem Zahlbetrag von 20 Euro nicht mehr aus der Hand zu geben. Die Zahlung erfolgt über die Prepaid-Funktion des Chips durch das Halten der Karte vor das Bezahlterminal. Die Eingabe einer PIN oder eine Unterschrift sind dabei nicht erforderlich.

An allen deutschen Geldautomaten, an speziellen GeldKarte-Ladeterminals oder über das Internet mittels Chipkartenleser ist das Aufladen der Karten bis zu einem Maximalbetrag von 200 Euro möglich. Die Girogo-SparkassenCard kann zudem bei ausgewählten Einzelhändlern mit Eingabe der PIN aufgeladen werden. Auch das automatische Aufladen der Karte „im Abo“ ist möglich. Die Anbieter betonen die besondere Sicherheit der Technik. Es würden nur zahlungsrelevante Daten wie Betrag und Kartennummer elektronisch übertragen. Weil nur noch der Chip und nicht der Magnetstreifen zum Einsatz komme, gebe es keine Chance für Kriminelle, durch manipulierte Automaten Kartendaten abzugreifen. Die Karte funktioniere nur, wenn sie sich im Abstand von höchstens 4 cm vom Terminal befinde.

„Unsere Kunden profitieren beim kontaktlosen Bezahlen durch deutlich kürzere Wartezeiten an der Kasse“, beschreibt Wolfgang Mücher, Vorstand der Edeka Minden-Hannover, die Vorteile für den Kunden. Das neue Verfahren komme insbesondere Kunden in Innenstädten entgegen, die sich in den Pausen oder vor der Arbeit mit Snacks und Getränken versorgen, wenn in der Regel nur kleinere Einkaufsbeträge anfielen. Die Edeka-Regionalgesellschaft will sukzessive 1.000 Kassen mit den neuen Lesegeräten ausstatten und beziffert die Investition dafür auf 300 bis 350 Euro je Terminal.

Der Handelsverband Deutschland (HDE) steht neuen Bezahl-Technologien grundsätzlich neutral gegenüber. Die Entscheidung über Erfolg oder Misserfolg müsse dem Markt, sprich den Verbrauchern und den Akzeptanzstellen überlassen bleiben. „Ein neues System muss einen Zusatznutzen für den Handel bieten“, beschreibt HDE-Experte Ulrich Binnebößel eine wichtige Anforderung. Das jetzt vorgestellte Modell für kontaktloses Bezahlen biete vergleichsweise attraktive Konditionen. Ausgerichtet auf Kleinbetragszahlungen mit Gebühren zwischen 1 bis 3 Cent werde es kostengünstiger sein als das bisherige Electronic Cash-Entgelt mit einer Mindestgebühr von 8 Cent pro Transaktion. Ein weiteres Erfolgkriterium ist laut HDE eine signifikante Nachfrage auf Kundenseite. Der Verband glaubt, dass die Zahl der verbreiteten Karten mit Funk-Chip nach breiter Einführung durch die Sparkassen-Organisation weiter zunehmen wird, weil andere Banken nachziehen werden. Probleme könnten s ich jedoch daraus ergeben, dass das neue Bezahlverfahren auf der Geldkarte basiere und Prepaid-Modelle sich bislang nicht am Markt etablieren konnten. Zwar werde eine Aufladefunktion im Handel angeboten, jedoch müsse geklärt werden, inwiefern sich dabei der Kassenablauf ändere oder verzögere.Binnebößel: „Gelingt es, einen flüssigen Zahlungsablauf zu gewährleisten, könnte das System erfolgreich sein.“

Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) betrachtet die Einführung des kontaktlosen Bezahlens als Brückentechnologie. Wolfgang Adamiok, Leiter des Zahlungsverkehrs beim DSGV kann sich gut vorstellen, „dass in Zukunft die SparkassenCard beziehungsweise ihre Technik auch ins Handy kommt – das Handy also zum Portemonnaie oder zum Träger der Karte wird.“

„Die Einführung der Funktechnik auf den Sparkassen-Cards ist ein erster wichtiger Schritt, um die Chancen von Mobile Payment in Deutschland zu nutzen“, ist auch Klaus Schilling, Bankexperte bei Hamburger Steria Mummert Consulting, überzeugt. Im Wettbewerb um die Einführung mobiler Zahlverfahren helfe den Banken das klare Vertrauensplus ihrer Kunden. Denn die Verbraucher vertrauten bei der Abwicklung ihres Zahlungsverkehrs in erster Linie ihrer Hausbank. Deswegen erwarteten die Kunden auch beim Mobile Payment die nahtlose Anbindung an das Zahlungsverkehrsnetz ihres Geldinstituts. Schilling: „Daher sollten deutsche Banken die Chance nicht verpassen, mittelfristig über das Handy eine Alternative zu klassischen EC- und Kreditkartenzahlungen anzubieten.“

So funktioniert es:
  • Die Einkäufe des Kunden werden wie gewohnt an der Kasse erfasst. n Nach Abschluss des Registrierungsvorgangs wird der Kunde gebeten, seine Karte mit einem Abstand von maximal 4 cm vor das Kartenlesegerät zu halten. 
  • Ein optisches und akustisches Signal bestätigt nach weniger als 1 Sekunde, dass die erforderlichen Daten korrekt übertragen wurden.
  • Die Zahlung ist wie jede andere Kartenzahlung autorisiert, mit Zahlungsgarantie an den Händler.
  • Eine Unterschrift bzw. die Eingabe einer PIN sind nur dann notwendig, wenn der Einkaufsbetrag die Summe von 20 Euro überschreitet oder der auf dem Chip gespeicherte Restgeldbetrag nicht ausreicht. In diesen Fällen wird automatisch analog zu einer üblichen EC-Karten-Zahlung der zu unterschreibende Zahlungsbeleg ausgedruckt.
Bild: Das kontaktlose Bezahlen per EC-Karte gilt als Brückentechnologie für die schnelle Verbreitung des Mobile Payments mittels Smartphone.