Interview Jürgen Billerbeck - Rewe Group Ein Plan für die Karriere

Noch sind die Top-Führungskräfte bei der Rewe Group fast alle männlich. Doch die Aufstiegschancen für Frauen sind gut, sagt Personaler Jürgen Billerbeck.

Dienstag, 30. November 1999 - Management
Heidrun Mittler
Artikelbild Ein Plan für die Karriere
Bildquelle: Rewe Group

Viele Frauen wollen nicht nur Spaß am Job haben, sondern auch Karriere machen. Wie das bei der Rewe möglich ist, erklärt Jürgen Billerbeck, Bereichsleiter Personal Vollsortiment, im LP-Gespräch.

Reden wir über Frauen. Was halten Sie von der Forderung, eine Frauenquote einzuführen? Oder knapper formuliert: Braucht die Rewe eine Frauenquote?
Jürgen Billerbeck: Hier halte ich es mit unserem Vorstandsmitglied Lionel Souque, der sich gegen eine von außen vorgegebene Frauenquote ausgesprochen hat. Entscheidend für die Stellenbesetzung sind nicht das Geschlecht, sondern Fähigkeiten, Fertigkeiten sowie Fach- und Führungswissen. Wir haben prozentual eindeutig momentan noch mehr Männer in Führungsfunktionen, vor allem in den Top-Positionen. Aber hier wird sich in den nächsten Jahren einiges bewegen, ohne dass von außen gesteuerte Quoten notwendig sind. Frauen haben bei Rewe die gleichen Startvoraussetzungen wie Männer.

Wie hoch ist der Anteil an weiblichen Führungskräften in der Zentrale derzeit?
Als Top-Führungskräfte sind zurzeit fünf Frauen bei uns tätig. Betrachten wir die Ebene Abteilungsleiter, steigt dieser Anteil stark. Hier haben Frauen in den vergangenen Jahren enorm Boden gut gemacht. Eine ähnliche Entwicklung ist in den Regionszentralen zu beobachten. Im operativen Geschäft auf Marktebene sind gut 30 Prozent unserer Marktmanager Frauen. Der Anteil der Frauen in Führungsjobs im operativen Bereich steigt von Jahr zu Jahr. Auch im Rewe-Partnermarktbereich arbeiten viele erfolgreiche Partnerkauffrauen.

Wie sieht es in den Märkten aus?
Wir haben in unserer strategischen Geschäftseinheit den Anspruch, jedes Jahr rund 1.800 jungen Menschen eine qualifizierte Ausbildung im Lebensmittel-Einzelhandel zu ermöglichen. Das Geschlecht spielt bei der Auswahl keine Rolle. Entscheidend sind die Bewerbungsunterlagen und die Qualifizierung. Freude an der Arbeit im Team und mit Menschen sowie ein bestandener Einstellungstest, der online zu bearbeiten ist, runden die Einstellungskriterien ab. Letztlich gibt das persönliche Gespräch den Ausschlag. Die guten Auszubildenden werden übernommen und können an individuell maßgeschneiderten Förderprogrammen teilnehmen. Wir haben im Vollsortiment ein sehr gut funktionierendes Führungskräfteentwicklungsprogramm, das den ehemaligen Auszubildenden über mehrere Jahre auf die Übernahme von Führungsaufgaben als Marktmanager, Partnerkaufmann oder in einer Außendienstfunktion vorbereitet. Sowohl bei der Auswahl für das Programm als auch bei der persönlichen Karrie replanung spielt das Geschlecht keine Rolle.

Wie hoch ist der Anteil an Frauen, die Ihr duales Studium absolvieren?
Wir bieten das duale Studium in den Bereichen Logistik, Verwaltung und Vertrieb an. Vor der Aufnahme wird nicht die Frage nach den Geschlecht gestellt, sondern die nach Neigungen, Fähigkeiten und der angestrebten Zielfunktion. Alternativ bieten wir Abiturienten die Handelsfachwirtausbildung an, mit der Hauptzielsetzung, als Marktmanager oder Partner tätig zu werden. Frauen haben hier die gleichen Voraussetzungen wie jeder männliche Bewerber auch, aber auch keine besondere Bevorzugung.

Angenommen, Sie stehen vor einer Klasse, 10. Schuljahr: Was raten Sie jungen Mädchen, warum sie eine Ausbildung im Handel anstreben sollten?
Es gibt kaum eine Branche, wo Karrieren so schnell möglich sind wie im Handel. Wer Spaß an der Arbeit für und mit Menschen hat, ist bei uns gut aufgehoben. Speziell in unserer strategischen Geschäftseinheit Vollsortiment wird versucht, Beruf und Familie in Einklang zu bringen. Die Öffnungszeiten im Einzelhandel bieten unseren Mitarbeitern die Chance, dann zu arbeiten, wenn der Partner Feierabend hat und auf die Kinder aufpassen kann. Wir haben zusätzlich eine Karriereplanung, die transparent ist und exakt die Möglichkeiten beschreibt, die vorhanden sind. Man muss sie nur nutzen – unabhängig vom Geschlecht.

Sind Frauen auf bestimmten Gebieten nicht sogar besser geeignet, im Handel zu arbeiten und Führungspositionen zu besetzen? Stichwort soft skills.
Darüber ließe sich trefflich streiten. Wir haben zu diesem Thema einen klaren Standpunkt. Die Antwort auf die Frage hat nichts zu tun mit dem Geschlecht eines Menschen, sondern eher mit seinen Einstellungen, seiner Lernvergangenheit und zukunftsorientiert mit seiner Lernbereitschaft. Bei uns ist jeder willkommen, der Spaß am Job und Freude an der Zusammenarbeit mit Menschen hat und offen ist für neue Lernerfahrungen. Wir suchen hungrige Mitarbeiter, die mit uns gemeinsam Zukunft gestalten möchten. Dabei spielen Alter, Geschlecht und Herkunft keine Rolle. Wir sind überzeugt, dass gerade der Handel auch ausländischen Mitbürgern ein Zuhause bietet. Wir sind stolz darauf, dass bei uns unabhängig vom Herkunftsland aktiv mitgearbeitet werden kann und soll.

Sprechen wir über den möglichen Karriereknick, den Frauen oft nach der Babypause erleben. Was tut die Rewe, um Frauen eine weitere Karriere zu ermöglichen?
Beruf und Familie ist bei uns seit mehreren Jahren gelebte Praxis. In Zentralfunktionen ist die Wiedereingliederung von Frauen nach der Babypause vielleicht leichter möglich als im Markt. In der Praxis gehört die Wiedereingliederung im Markt aber längst zum Alltag. Hier hängt viel von der Bereitschaft von Mitarbeiter und Vorgesetzten ab, aufeinander zuzugehen. Lösungen wird es immer geben. Auch wenn wir eine Babypause nicht als Problem verstehen, sondern als einen Abschnitt im Arbeitsleben eines Mitarbeiters. Denn warum soll nicht auch der Mann zeitlich begrenzt zu Hause bleiben? Für uns ist das eine praktizierbare Vorgehensweise.

Wie viele Männer in Führungspositionen der Rewe Group nehmen eine Auszeit für die Kinderbetreuung?
Das ist zurzeit noch eher die Ausnahme. 50 Prozent der Entscheidung liegen beim Mann. In diesem Bereich gibt es sicherlich auch noch bei uns tradierte Denkmuster, die sich zukünftig aber aufweichen werden.

In einigen Fällen kommt der Kindersegen früher als geplant. Bieten Sie jungen Müttern eine Ausbildung in Teilzeit an?
Die Herausforderung liegt weniger bei uns als bei der Auszubildenden, die in einem solchen Fall eine Mammutaufgabe zu bewältigen hat. Für uns ist das eine gezielte individuelle Einzelmaßnahme. Praxiserfahrungen dazu sammeln wir zurzeit in der Region Mitte. Zu Ergebnissen dieses Pilotversuchs können wir jedoch noch nichts sagen.

Frauen meistern oft auch die Pflege und Betreuung von Senioren und/oder kranken Angehörigen. Welche Modelle bieten Sie an, um diese Frauen zu unterstützen?
Hier ist die Verständigung zwischen dem direkten Vorgesetzten und dem Hilfe suchenden Mitarbeiter gefragt. Die Lösungen sind daher sehr individuell. Mögliche Maßnahmen sind Gewährung von temporärer Heimarbeit, flexible Freizeitgestaltung oder flexible Arbeitszeitgestaltung. Bei uns weiß jeder, dass ihm auch in schwierigen Situationen geholfen wird.

{tab=Zur Person}

Jürgen Billerbeck, 48, ist als Bereichsleiter Personal Vollsortiment zuständig für rund 90.000 Mitarbeiter der Rewe Markt GmbH, Köln. Zu seinen Aufgaben zählen Ausbildung und Nachwuchsförderung. Zudem trägt er dafür Sorge, dass die Mitarbeiter die „Rewe leben“, sprich die Marke im Alltag erlebbar wird. Nur ein Beispiel: Spürt der Kunde im Verkaufsgespräch, dass er bei der Rewe (und nicht bei der Konkurrenz) einkauft? Befragt, was sein dringendstes Problem und seine wichtigste Aufgabe für die nächsten zwölf Monate ist, antwortet Billerbeck: „qualifizierten Nachwuchs zu rekrutieren“.

Bild: Jürgen Billerbeck will für die Rewe qualifizierten Nachwuchs finden. Das Geschlecht spielt dabei keine Rolle.

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