Gegen das System? Was Foodwatch mit Antikapitalisten zu tun hat

Foodwatch kooperiert bei seiner Kampagne gegen die Milchwirtschaft mit einem Verein, dessen Chefs in antikapitalistischen Kreisen mitmischen.

Dienstag, 17. Dezember 2024, 06:40 Uhr
Thomas Klaus
Milchmärchen-Report: Demonstrant mit einer Faust
Wo positionieren sich Foodwatch und Faba-Konzepte? Bildquelle: Getty Images

Die Verbraucherorganisation Foodwatch hat nach anderen Teilen der Ernährungsindustrie die Milchwirtschaft ins Visier genommen: Sie fordert, dass die Branche ihren Viehbestand in Deutschland „in kurzer Zeit“ mindestens um die Hälfte reduziert. Eine „Milchlobby“ verharmlose negative Auswirkungen der Milchproduktion mit allerlei Tricks und Kniffen, schimpft Foodwatch. Tatsächlich verursachten Milch und Milchprodukte rund dreimal so hohe Klima-Emissionen wie pflanzliche Alternativen, schreibt die Organisation in ihrem „Milchmärchen-Report“. An dem Bericht hat Foodwatch gemeinsam mit dem Verein Faba-Konzepte mit Sitz in Kassel gearbeitet.

Was die Frage aufwirft: Wer ist Faba-Konzepte? Foodwatch nennt seinen Partner einen Thinktank, eine Denkfabrik. In einer Selbstbeschreibung des als gemeinnützig anerkannten Vereins wird hervorgehoben, dass dieser etwa mit Studien und Konzeptpapieren eine „Transformation des Ernährungssystems“ vorantreiben wolle. Der Verein mit lediglich acht Mitgliedern (Stand Ende 2023) nahm laut seinem Jahresbericht im vergangenen Jahr rund 120.000 Euro ein und beschäftigte bis zu vier Mitarbeiter. Darunter waren die beiden Vorsitzenden Dr. Friederike Schmitz und Jan-Frederic Markert.

Bei der Pressekonferenz zum Foodwatch-Report über die Milchindustrie vertrat Schmitz Faba-Konzepte. In Artikeln und Vorträgen fordert sie den „Ausstieg aus der Tierindustrie“, der auch mit „Massen­aktionen zivilen Ungehorsams“ erreicht werden solle, etwa Blockaden und Besetzungen von Unternehmensgeländen.

„Teil linker Kämpfe“

Die Faba-Chefin ist auch im Bündnis „Gemeinsam gegen die Tierindustrie“ aktiv und war für Veröffentlichungen dieses Zusammenschlusses presserechtlich verantwortlich. Das Bündnis nimmt gegenwärtig bevorzugt Fleischkonzerne in den Fokus und überzieht sie mit „zivilem Ungehorsam“. Besonders im Fokus: Tönnies. Der Fleischkonzern müsse nach dem Prinzip „Demokratisierung statt Kapitalismus“ vergesellschaftet und auf pflanzliche Lebensmittelproduktion umgestellt werden, so das Bündnis. In dessen Selbstverständnis lässt sich nachlesen: „Wir sind Teil linker Kämpfe und verstehen unseren Kampf daher auch als queerfeministisch, anti­faschistisch, antirassistisch und antikapitalistisch.“

Antikapitalistisch? Friederike Schmitz schreibt als Co-Autorin eines Aufsatzes: „Gute Nahrungsmittel sind ein Grundbedürfnis und sollten von demokratisch kontrollierten Betrieben anstelle von profitorientierten Konzernen produziert werden.“

Lidl verstaatlichen?

Um Vergesellschaftung unter anderem in Landwirtschaft und Ernährung ging es auch bei einer groß angelegten Konferenz im März am Werbellinsee in Brandenburg. Hinter der Vergesellschaftungskonferenz stand zum Beispiel die Organisation „Interventionistische Linke“ (IL), die Verfassungsschützer als linksextremistisch einstufen. Die IL habe eine „taktisch geprägte“ Einstellung zur Gewalt, steht im Verfassungsschutzbericht 2023. Faba-Konzepte beteiligte sich an der Konferenz: Der Vorsitzende Jan-Frederic Markert gestaltete einen Workshop mit.

In einem Artikel auf der Website von Faba-Konzepte wird die Konferenz denn auch ausführlich beschrieben. „Einer der aus unserer Sicht spannendsten Vorschläge“, heißt es in dem Text, sei eine Kampagne mit dem Arbeitstitel „Unser Lidl“ gewesen. Dabei gehe es um „die Vergesellschaftung von Konzernen des Lebensmitteleinzelhandels“.

„Plakativ und vage“

Auf LP-Anfrage gibt Schmitz zu bedenken, dass der Antikapitalismus-Begriff „sehr plakativ und zugleich vage“ sei. Eine gerechtere Wirtschaftsordnung müsse auf jeden Fall mit einer „viel stärkeren demokratischen Kontrolle“ einhergehen. Allerdings könne demokratische Kontrolle vielfältig erfolgen, auch zum Beispiel durch stärkere Arbeitnehmerrechte oder „genossenschaftliche Unternehmensformen“. Foodwatch erklärt auf Anfrage, die Organisation sei nicht „antikapitalistisch“ eingestellt und mache sich nicht alle Positionen seiner Partner zu eigen.

Die Milchindustrie wiederum sieht sich von Foodwatch und Faba zu Unrecht an den Pranger gestellt. In kaum einem Land entstehe Milch so klimaschonend wie in Deutschland, sagt ein Sprecher des Milchindustrie-Verbands auf Anfrage. Es brauche einen „faktenbasierten Dialog“ und keine „emotionalen Glaubenskriege“.

Weniger Demut ist
die richtige Wahl

Ein Kommentar von Thomas Klaus

Die Weltsicht von Foodwatch lässt sich zum Beispiel auf der Website des als steuerlich gemeinnützig anerkannten Vereins nachlesen: „Wir halten die Situation auf dem Lebensmittelmarkt für einen permanenten Skandal.“

In den Gründungsjahren ließ sich Foodwatch zum Teil noch von dem Süßigkeitenfabrikanten Alfred Ritter und dem Fleischwarenunternehmer Karl-Ludwig Schweisfurth mit 250.000 beziehungsweise 150.000 Euro mitfinanzieren. Mittlerweile distanziert sich der Verein von dieser, seiner Vergangenheit.

Dialog und Kooperation mit der Wirtschaft passen anscheinend nicht mehr zum Geschäftsmodell von Foodwatch.

Durch Deckung ermutigt?

Die Verärgerung in der Milchwirtschaft über die jüngste „Milchmärchen“-Kampagne ist groß. Doch nur wenige Branchenvertreter gehen mit ihrer Kritik an die Öffentlichkeit. Vielmehr suchen sie die Deckung.

Foodwatch scheint diese Strategie eher zu ermutigen. Mit dem Verein Faba-Konzepte fiel die Wahl auf einen Bündnispartner, der zum unternehmerischen Eigentum offenbar auf Konfrontation geht. Eine bewusste Entscheidung?

In der argumentativen Auseinandersetzung mit Foodwatch (dessen Aufsichtsratssprecherin übrigens viele Jahre Spitzenfunktionärin der Deutschen Kommunistischen Partei war) ist manchmal weniger Demut die richtige Wahl.

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