Check-out Bezahlen wird zur Nebensache

In Zeiten fehlenden Personals setzt der Handel beim Kassieren auf seine Kunden. Besonders smart: wenn ein schlaues System den Einkauf erfasst und den Bon automatisch bezahlen lässt.

Dienstag, 29. November 2022 - Management
Heidrun Mittler
Artikelbild Bezahlen wird zur Nebensache
Bildquelle: tegut

Lange Warteschlangen an der Kasse? Das ist genau die Situation, in der Kunden gern vom Self-Scanning Gebrauch machen. Wer dachte, diese Methode sei nur interessant für Menschen, die in der Mittagspause schnell zwei belegte Brötchen und ein Getränk kaufen wollen, der irrt. Eine aktuelle Untersuchung des EHI Retail Institute zeigt, dass der Durchschnittsbon signifikant höher ist, wenn der Käufer selbst zum Kassierer wird. Das bedeutet: Auch Verbraucher mit vollgepacktem Einkaufswagen, also etwa beim Wochenendeinkauf, legen bereitwillig selbst mit dem Scanner Hand an. Oder, noch besser, nutzen ihr eigenes Handy zum Erfassen. Das kann dem Händler nur recht sein, schließlich senkt das die Kosten für Reparatur und Wartung der Self-Scanning-Geräte.

Derzeit ist der Anteil der Märkte, die in irgendeiner Form auf Self-Scanning setzen, mit 3 Prozent noch gering. Aber der Check-out ohne traditionelles Kassieren ist nicht mehr aufzuhalten, so der Tenor der aktuellen Studie. Wichtigster Grund ist der Personalmangel in den Märkten: Alles, was der Kunde selbst macht, kann die Mitarbeiter entlasten. Außerdem spart der Handel langfristig einen Teil seiner Personalkosten. Doch dafür müssen die Systeme erst einmal laufen.

Pick&Go in verschiedenen Tests
Besonders convenient ist Bezahlen, wenn das Erfassen und Kassieren automatisch erfolgt – der Kunde sieht nur die erfolgte Abbuchung. Was nach Zukunftsmusik klingt, ist bei Rewe schon Realität und nennt sich „Pick&Go“. Möglich macht das eine intelligente Technik aus Kameras und Waagen, außerdem muss der Kunde sich zuvor über eine App anmelden.

Der autonome Check-out wird seit letztem Jahr in Köln erprobt. Erstes Fazit der Reweaner: „Das System hat sich bewährt und in der Kundennutzung etabliert.“ Im November hat der zweite Markt in Berlins Szeneviertel Prenzlauer Berg Einzug gehalten. Er ist größer und bietet mehr Services als der Pilotmarkt, mit nun 9.500 Artikeln auf 380 Quadratmetern Verkaufsfläche. Neu: Kunden können ihr Obst abwiegen, Leergut abgeben und seit Neuestem auch per Paypal bezahlen. Wirtschaftliche Kennziffern gibt die Rewe Group nicht preis.
Damit ist man in guter Gesellschaft, auch Aldi Nord hält sich bedeckt, wenn es um eine Einschätzung der ersten kassenlosen Testfiliale im niederländischen Utrecht geht. Nur so viel: Der kassenlose Store wurde in den ersten Monaten „sehr gut angenommen“.

Die Edeka-Tochter Netto Marken-Discount ist ebenfalls letztes Jahr mit einem „Pick&Go“ an den Start gegangen, der Testmarkt liegt in München-Schwabing. Ein weiterer Standort ist geplant, so das Unternehmen.

„Teo“ und „Josef“ sind zwei weitere Formate, die allerdings etwas anders funktionieren. In beiden Nahversorgern muss der Verbraucher seine Produkte selbst einscannen und dann den Bezahlvorgang aktiv starten. Tegut ist im November 2020 mit der ersten kleinen Teo-Filiale an den Start gegangen. Anfang November hat das Unternehmen schon seinen 22. Standort ins Rennen geschickt, in Heusenstamm-Rembrü-cken, geöffnet an sieben Tagen die Woche rund um die Uhr. Thomas Stäb, Geschäftsleiter Vertrieb: „Unser Konzept wird sowohl von der jüngeren als auch von der älteren Bevölkerung genutzt, und wir bekommen durchgängig positives Feedback.“ Nächstes Jahr bringt Tegut weitere 20 Standorte zum Laufen.

Kleinste Flächen mit großem Potenzial
Auch „Josefs Nahkauf-Box“ ist laut Angaben ihrer Betreiber ein Kundenmagnet. Namensgeber Josef Sier betreibt gemeinsam mit Thomas Scheuring die Minifiliale auf 39 Quadratmetern in Pettstadt. Alles läuft rund, so Scheuring, „ein Konzept mit Zukunft“. Die Rewe arbeite an zwei weiteren Josefs-Boxen, eine in Ostdeutschland, die zweite im Ahrtal.