Brennpunkt Energieversorgung Wenn der Blackout droht

Die Sorge vor einem flächendeckenden Stromausfall geht um. Politik und Handel bereiten sich auf den Worst Case vor, doch im Ernstfall wird nicht jeder Markt auf Notbetrieb umstellen können.

Dienstag, 29. November 2022 - Management
Manuel Glasfort
Artikelbild Wenn der Blackout droht
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Wenn dieser Tage das Szenario eines flächendeckenden Stromausfalls durch die Medien geistert, kommt Marcel Krause ins Nachdenken. Denn was es heißt, wenn auf einmal kein Strom mehr fließt, weiß der Edeka-Kaufmann aus dem Münsterland aus eigenem Erleben. Am ersten Adventswochenende 2005 ließ heftiger Schneefall im Münsterland und in angrenzenden Gebieten die Stromversorgung flächendeckend zusammenbrechen, manche Gemeinden blieben in der Folge tagelang ohne Elektrizität. Auch im kleinen Markt der Familie Krause, den diese damals in dem Ort Velen betrieb, gingen unvermittelt die Lichter aus. Marcel Krause, heute 34 Jahre alt und Mitinhaber eines Edeka-Marktes in Laer, erinnert sich gut. Man habe zunächst die Kunden gebeten, zu gehen, und den Laden geschlossen. „Dann versuchst du natürlich erst einmal, Ware zu sichern, soweit das geht. Das Tiefkühlhaus haben wir verschlossen.“ Und während die dort gelagerte Ware den Stromausfall überstanden habe, konnten die Krauses die Kühlware im Laden nicht retten. Sie musste entsorgt werden, als nach anderthalb Tagen der Strom wieder da war. „Die Verluste waren schon hoch“, berichtet Krause und spricht von einem fünfstelligen Betrag.
Als sich herumgesprochen hatte, dass der Strom für eine längere Zeit ausfallen würde, stellten die Krauses ihren Markt auf eine Art Notbetrieb um. Mit Taschenlampe, Stift, Block und Taschenrechner bewaffnet, begleiteten die Mitarbeiter die Kunden durch den Laden, wo diese sich mit dem Nötigsten eindecken konnten. Bezahlt wurde bar. Wer kein Bargeld mehr hatte, durfte anschreiben lassen. „Die anderen Märkte im Ort hatten geschlossen; wir waren der einzige Versorger“, erinnert sich Krause. Die Regale mit Konserven und anderen haltbaren Lebensmitteln waren rasch leer gekauft.

Im Falle eines flächendeckenden Stromausfalls drohen solche Szenarien sich zu wiederholen, dann aber womöglich deutschlandweit und über einen längeren Zeitraum. Aus Sorge vor einem Blackout rief die Politik nicht nur die Bürger auf, Notfallvorräte anzulegen, sondern auch die Unternehmen, Notstromaggregate anzuschaffen. Der Appell von Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Graichen (Grüne) aus dem vergangenen Juli richtete sich insbesondere an die Betreiber kritischer Infrastruktur. Dazu zählt auch die Lebensmittelbranche.

Wie sieht es also aus bei den großen Händlern mit den Vorkehrungen für den Ernstfall? Die großen vier zeigen sich bei dieser Thematik äußerst schmallippig. Lidl ließ eine Anfrage unbeantwortet, während auch Edeka und Rewe sich nicht detailliert äußern wollten. Ein wenig auskunftsfreudiger präsentiert sich Aldi Süd. Es sei die unternehmerische Verantwortung, die Grundversorgung auch im Fall eines Stromausfalls sicherzustellen, teilte eine Sprecherin mit. „Dafür hat Aldi Süd umfassende Notfallpläne entwickelt. Die Logistikzentren sind alle mit Notstromaggregaten ausgerüstet, mit denen Kühl- und Tiefkühlware auch über längere Zeiträume hinweg problemlos vorschriftsmäßig gelagert werden kann.“ Auch Aldi Nord teilte mit, man habe das Thema auf dem Schirm und treffe entsprechende Vorkehrungen.

Ministerium im Kontakt mit dem LEH
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ließ wissen: „Im Falle eines Stromausfalles ist es wichtig, dass (einzelne) Supermärkte offen gehalten werden.“ Die Versorgung mittels Notstromaggregaten sei daher „von hoher Relevanz“. „Hierzu sind wir im Austausch mit dem Lebensmitteleinzelhandel über dessen Notfallpläne für einen Stromausfall und die wechselseitige Einbindung und Abstimmung über entsprechende Konzepte mit den zuständigen Behörden des Bundes und der Länder“, so die BMEL-Sprecherin weiter. Um die Bevölkerung im Krisenfall mit dem Nötigsten zu versorgen, kann die Bundesregierung außerdem auf die „zivile Notfallreserve“ zurückgreifen, einen Vorrat an Grundnahrungsmitteln, der an rund 150 Standorten in Deutschland eingelagert ist und helfen soll, Engpässe zu überbrücken.

Wie viele Lebensmittelgeschäfte über Notstromaggregate verfügen, kann auch der Handelsverband Deutschland (HDE) nicht beziffern, teilte aber mit: „Viele Handelsunternehmen im Lebensmitteleinzelhandel sind mit Notstromaggregaten ausgestattet.“ Ein Unternehmen aus Süddeutschland, das Unternehmen mit sogenannten Netzersatzanlagen ausrüstet, bestätigte, bereits Aufträge aus dem LEH erhalten zu haben. Dass allerdings ein nennenswerter Anteil der zuletzt rund 37.000 Lebensmittelmärkte im Land mit Notstromaggregaten ausgestattet wird, ist schwer vorstellbar.

Welche Option haben Händler noch, um sich auf einen Blackout vorzubereiten? Wer sich wegen hoher Schäden durch die ausfallende Kühlung sorgt, kann sich gegen dieses Risiko versichern. Es handle sich dabei um spezielle Kühlgutversicherungen, teilte der Industrieversicherer HDI aus Hannover mit. „Nach Kenntnis von HDI ist ein solcher Versicherungsschutz für Supermärkte eher die Regel als die Ausnahme. Allerdings sind die gewählten Deckungssummen häufig relativ niedrig. Bei einem umfassenden Stromausfall können solche Deckungssummen daher leicht zu niedrig gewählt sein.“

Edeka-Kaufmann Krause aus Laer hat nach eigenen Angaben weder ein Notstromaggregat angeschafft noch eine Versicherung für sein Kühlgut abgeschlossen – „zu teuer“. Falls also erneut die Lichter ausgehen sollten in seinem Markt, müssen er und seine Leute wieder zu Taschenlampe und Kugelschreiber greifen.