Warenhaus Galeria bleibt ein Sanierungsfall

Dauerkrise bei Galeria Karstadt Kaufhof (GKK): Deutschlands letzter Kaufhausriese kommt nicht voran. Im Jahresrhythmus fragen die GKK-Manager beim Staat um Hilfe nach. Jetzt droht das endgültige Aus.

Freitag, 04. November 2022 - Management
Matthias Mahr, Susanne Klopsch
Artikelbild Galeria bleibt ein Sanierungsfall
Bildquelle: Adobe Stock

Die Meldung, dass Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) mal wieder um massive Staatshilfe bittet, löste in den vergangenen Tagen bundesweit Kopfschütteln aus. 238 Millionen Euro fordert der angeschlagene Warenhauskonzern aus dem deutschen Staatshaushalt. Es wäre die dritte Finanzspritze innerhalb von zwei Jahren, die GKK aus dem Steuerzahlertopf gewährt würde. Die Entscheidung in Berlin scheint (Stand 28. Oktober) offen. Die 17.000 Stellen in den Galeria-Kaufhäusern der Republik dienen nicht mehr so richtig als Druckmittel zur Vergabe neuer Zuschüsse. Denn: Es herrscht Mangel an qualifizierten Arbeitskräften im deutschen Markt, der HDE beziffert die Zahl der offenen Stellen, die bei der Bundesagentur für Arbeit im September 2022 im Bereich Einzelhandel gemeldet waren, auf rund 58.700.

17.000

Mitarbeiter zählt Galeria Karstadt Kaufhof derzeit annähernd noch.

Quelle: HDE

2,1

Milliarden Euro setzte GKK 2021 noch um – das ist weniger als die Hälfte des Umsatzes von 2019.

Quelle: Bundesanzeiger

622

Millionen Euro Verlust fuhr das GKK-Warenhausgeschäft 2021 ein.

Quelle: Bundesanzeiger

Zur Unzeit kommen auch die Schwierigkeiten, in denen René Benko, der „Kaufhauskönig“ aus Österreich, steckt. Vor ziemlich genau drei Jahren hat er den Kompletteinstieg inklusive Immobilienerwerb bei GKK mit seiner Signa Holding gewagt, jetzt scheint er in politische Skandale in unserem Nachbarland verwickelt. Nachdem die österreichische Staatsanwaltschaft Büros seiner Gesellschaft Mitte Oktober wegen Korruptionsvorwürfen durchsucht hatte, stürzte der Kurs der Signa Holding AG zunächst ab, erholte sich danach aber wieder. Aus Wien gibt es auch gute Meldungen: Die GKK-Dachgesellschaft Signa Holding soll das vergangene Geschäftsjahr mit einem Überschuss von 570 Millionen Euro abgeschlossen haben.

Zweifel an der Überlebensfähigkeit
Seit 2021 hat Benkos GKK bereits in zwei Teilen annähernd 680 Millionen Euro Staatshilfe aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) ergattert – allein die Wende hin zu besseren Zahlen wurde nicht erreicht, sie wurde geradezu grandios verfehlt. Hinter den 131 verbliebenen Filialen der Galeria-Kette steht in Summe ein Minus von rund 622 Millionen Euro im vergangenen Jahr. Ein Blick in den Bundesanzeiger und den dort hinterlegten Jahresabschluss verrät: Die blumigen Worte im Lagebericht täuschen nicht darüber hinweg, dass alle Umbauversuche des ehemaligen Warenhaus-Krösus keinen Ausweg aus der Dauer-Misere brachten.

Schuld an den sinkenden Jahresumsätzen sind nicht bloß die Pandemie oder die steigenden Energiekosten durch den Ukraine-Krieg, die nach Angaben aus der Essener Zentrale 150 Millionen Euro betragen sollen. Es fehlt schlichtweg ein schlüssiges Konzept, das die Kunden zurück ins Warenhaus bringt. Die Litanei der Kaufhaus-Manager klingt freilich anders. Das ist auch im Bundesanzeiger wortreich umschrieben. Externe Schocks sind es, die nach Aussagen aus der Konzernzentrale den eigentlich positiven Weg in einen negativen umkehrten. Das soll heißen: Bekommt GKK die Staatshilfe, dann wird schon noch alles gut.

Doch die Äpfel hängen diesmal hoch. Für einen erneuten Staatskredit müsste GKK-Gesellschafter René Benko aus sogenannten beihilferechtlichen Gründen 50 Prozent der Kreditsumme aus eigener Tasche beisteuern, heißt es. Wie die Frankfurter Rundschau schreibt, soll er aber lediglich bereit sein, 15 Prozent zu übernehmen. Eine Stellungnahme aus Wien blieb leider aus. Aus dem Wirtschaftsministerium in Berlin kommt auf LP-Nachfrage folgende Antwort: Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds kann sich grundsätzlich nach Paragraf 26 Abs. 2 des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes auch nach dem 30. Juni 2022 nochmals an bereits stabilisierten Unternehmen beteiligen, um den Anteil seiner Kapitalbeteiligung aufrechtzuerhalten oder gewährte Stabilisierungsmaßnahmen abzusichern. Eine solche „Nachstabilisierung“ bedürfe der beihilferechtlichen Genehmigung durch die Europäische Kommission.

Für Galeria und die Beschäftigten geht es diesmal ums Ganze, zumal GKK bei der Rückzahlung der Staatshilfe im Rückstand sei. In der Ampelkoalition wurde bereits Anfang des Jahres um die Hilfe für das Benko-Imperium gerungen. Schon damals gab es nicht nur in der Politik erhebliche Zweifel an der Überlebensfähigkeit der Warenhäuser.

Nonfood-Branche hofft auf Weiterbetrieb
Zum Sortiment der Galeria-Warenhäuser gehören die Kategorien Fashion, Personality, Home, Freizeit, Elektro, Sports und Reisen. Das Category-Management (Einkauf) berücksichtige lokale Gegebenheiten und Bedürfnisse. Ebenso werde die Bewirtschaftungsform angepasst und der Konzession- und Depotanteil, insbesondere in den Flagship-Filialen, gesteigert. Kritiker sehen in dieser Entwicklung einen Kompetenzverlust im Kaufhaus, das früher in eigener Regie seine Kunden umfassend beraten habe.

„Ich war zuletzt vor fünf Jahren in einem der GKK-Kaufhäuser in einer mittelgroßen Stadt. Es gibt keinen Grund, warum ich da nochmals reingehen sollte“, bringt es ein Nonfood-Experte, der nicht genannt werden will, auf den Punkt. Das GKK-Image bleibt angestaubt. Viele Häuser wirken nicht einladend, alte Warenträger präsentieren neue Waren nur schlecht statt recht. Die frisch herausgeputzten Aushängeschilder in Frankfurt, Kleve oder Kassel strahlen neu, und doch glänzen sie nicht. Die Verbraucher – vor allem die jüngeren Zielgruppen – stimmen mit den Füßen ab und scheinen die Konzepte nicht zu verstehen. Es fehlen Frequenz und Flächenumsatz.

Der spanische Warenhaus-Gigant El Corte Inglés schafft 7.000 Euro Umsatz auf einem Quadratmeter, bei GKK sollen es im Schnitt gerade noch 2.000 Euro sein. Tendenz weiter fallend. Die Kosten steigen bei GKK schneller, als der Umsatz fällt. Die großen Dickschiffe aus der Galeria-Flotte sind nicht ohne Grund längst ausgelagert: Das Alsterhaus, das KaDeWe und der Oberpollinger werden als Betriebsstätten der „The KaDeWe Group“ geführt und fahren noch immer auf hoher See. In diesen Häusern legen bildlich gesprochen die Touristenboote aus aller Welt an, auch das kaufkräftige und das Kauferlebnis suchende deutsche Publikum spült in besten Lagen noch gutes Geld in die Kasse.

Das Warenhaus hat ausgedient
Bis in die 70er-Jahre des 20. Jahrhunderts waren Kaufhäuser Anziehungspunkte in großen und kleinen Städten. Das Warenangebot war umfassend. Die großen Häuser setzten gar architektonische Höhepunkte von außen und innen. Große Lichthöfe mit ausladenden Treppen lassen noch heute im KaDeWe frühere Kaufhauswelten durchschimmern. Doch diese Zeit scheint endgültig vorbei.

Der Glanz der Lieferanten kann den Niedergang dieses Handelskanals nicht länger überdecken. Klaus Schmelzeisen, ein gefragter Manager in Nonfood-Kreisen, der einst unter anderem Leifheit lenkte und zuletzt Geschäftsführer bei Brandlands war, bringt es auf den Punkt: „Das klassische Warenhaus hat einfach ausgedient.“ Ein hartes Urteil. Aber das haben er und andere bereits vor der Pandemie so gesehen. Die GKK-Zahlen unterstreichen diese Sicht und den Anziehungsverlust des Warenhauses: 2019 lag der Umsatz noch bei 4,9 Milliarden Euro, 2021 schrumpfte er auf 2,1 Milliarden Euro. Stationär wurden zuletzt lediglich klägliche 1,85 Milliarden Euro in den Benko-Häusern erlöst. Im Verhältnis dazu ist der deutsche Einzelhandelsumsatz für den stationären Handel im Jahr 2021 laut GfK mit einem Gesamtumsatzvolumen von knapp 435,4 Milliarden Euro noch immer ein Wort – auch mit Corona.

Die Drogeriemarktkette Müller wird als möglicher Nachfolger von GKK als Frequenzbringer in Innenstädten gesehen. Prof. Dr. Carsten Kortum von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) verweist auf die Ulmer, die mit einem breiten Sortiment bis hin zu Haushalts- und Spielwaren auf wesentlich kleinerer Fläche punkten und bereits auf einen Umsatz von mehr als 4 Milliarden Euro kommen. Dass die GKK-Geschäftsführung den Tarifvertrag der Mitarbeiter aufkündigte, sieht der ehemalige Lidl-Manager kritisch: „So verliert Galeria weitere gute Mitarbeiter und weitere Beratungsqualität und -kompetenz“, sagt er. Das seien keine gute Aussichten für die Zukunft der Häuser. Die Personalkosten dürfen seiner Meinung nach in dieser Lage nicht angetastet werden. Das beschleunige eher den Abschwung.

Erste Auswirkungen sind spürbar: Trotz anstehenden Weihnachtsgeschäfts bleiben GKK-Einkäufer Lieferanten Antworten schuldig. Es passiere schon mal, dass trotz eigentlich guter Geschäftsbeziehungen GKK-Kontakte aktuell nicht reagierten, berichten einzelne Hersteller und Importeure. Und das vor der umsatzstärksten Zeit des Jahres.

Fest steht jedoch unter Nonfood-Spezialisten auch: Marken wie Zwilling, WMF, Villeroy & Boch oder die Warenhausmarke Brandes brauchen für ihren Abverkauf das haptische Erlebnis und die Vergleichbarkeit vor Ort in den Warenhäusern sowie im Fachhandel. Derzeit sind es diese Warengruppen, die nach einem Allzeit-Nachfragehoch während der Pandemie in eine Konsumflaute gerutscht sind. „In den zurückliegenden Jahren waren es vor allem die Hartwaren, die Galeria noch Umsatz gebracht haben“, betont Schmelzeisen, jetzt seien die Vorzeichen umgekehrt. Tassilo Zimmermann, langjähriger Ressortleiter Nonfood der Lebensmittel Zeitung und heute Dozent an der DHBW, ergänzt: „Den Kaufhäusern fehlen pandemiebedingt die Touristenströme aus Fernost. Markenhersteller haben bis zu 20 Prozent ihrer Erlöse mit diesem Handelskanal erzielt.“ Zwar produzieren auch Marken wie Zwilling im asiatischen Raum, aber besonders für Asiaten war es ein Anliegen, die „deutsche Wertarbeit“ von der Mehrwertsteuer befreit wieder zurück an ihren Ursprungsort im Pazifik zu bringen. In den Warenhäusern wurde – ohne Preisvergleich – von den Touristen zugegriffen, für GKK und die Marke ein lohnendes Geschäft, das sich aktuell noch nicht erholt hat und wohl auch nicht mehr wird.

Bleibt die offene Frage an René Benko: War er überhaupt je am Warenhausgeschäft interessiert oder liegt sein Fokus doch eher auf den Immobilien in bester Lage, die durchaus weiterhin sehr geldwert zu entwickeln sind? Aber das wäre dann eine andere Geschichte.