Veggie-Trends Weiter im Aufschwung

Baconstreifen, Hähnchenbrust, Flanksteak: Es wird viel investiert in die veganen Nachahmungen von Fleischprodukten. Welche Trends Wachstum versprechen und wo die Hürden liegen.

Freitag, 21. Oktober 2022 - Management
Bettina Röttig
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Bildquelle: Redefine-Meat

Die Teuerungsraten haben sowohl das Fleischsegment als auch den Markt für vegetarische und vegane Ersatzprodukte erreicht. Wie verändert dies die Nachfrage?

Dieser Frage widmet sich die Studie „Pflanzliche Fleischalternativen“ von NielsenIQ Consumer Insights. Die Zahlen erfreuen: 48 Prozent der im Juni befragten Konsumenten von Fleischalternativen geben an, mehr fleischlose Produkte als vor einem Jahr zu verzehren, bei 42 Prozent der Befragten werden Alternativen für Schnitzel und Co. genauso viel gegessen wie im Vorjahr – trotz steigender Preise und knapper Haushaltsbudgets. Demnach greifen 33 Prozent der Verbraucher zwei bis drei Mal pro Woche zu Fleischsubstituten, 28 Prozent mindestens einmal pro Woche. Die Zielgruppe derer, die vier bis sechs Mal in der Woche Fleischalternativen dem Original vorziehen, liegt bei 14 Prozent.

Auch der Handel bestätigt die positive Entwicklung und baut sein Engagement aus.

Im Edeka-Verbund hat sich der Absatz veganer Lebensmittel in den vergangenen Jahren laut Zentrale sehr positiv entwickelt. Dieser Trend setze sich aktuell weiter fort. „Wir werden unsere veganen Marken wie ‚vehappy‘ und Produkte auch weiterhin aktiv bewerben. Dabei gehen wir auch neue Wege – so haben wir zum Beispiel ganz aktuell ein veganes Kochbuch herausgebracht“, heißt es aus Hamburg. Auch den Veganuary werde Edeka im kommenden Jahr wieder unterstützen.

Angebote werden differenzierter
Von rund 4.500 Einzelartikeln im Lidl-Sortiment sind mittlerweile über 450 Artikel mit dem gelben Vegan-Siegel gekennzeichnet. „Da der Markt mit pflanzlichen Alternativen zunehmend an Bedeutung gewinnt, werden wir auch zukünftig unser veganes und vegetarisches Sortiment kontinuierlich ausbauen.“

Für Rewe gehören vegane Artikel zu den am stärksten wachsenden Trendsortimenten. Denn mittlerweile kauften nicht nur vorwiegend Veganer, Vegetarier und selbst erklärte Flexitarier vegetarische und vegane Alternativen, sondern zunehmend auch andere Kunden, begründen das die Kölner. „Gerade im Bereich des Fleischersatzes stehen uns in den nächsten Jahren wohl noch große Überraschungen bevor. Potenzial liegt sicherlich noch in der Abrundung des Geschmacks, wobei das natürlich immer am Gaumen der Kundschaft liegt“, sagt ein Rewe-Sprecher. Globus sieht aktuell im ungekühlten veganen Bereich Potenzial. Vor allem Fleischersatzprodukte und würzige Aufstriche entwickelten sich besonders positiv und wachsen zweistellig, sagt Thomas Schu, Leitung Food Frische, Globus Markthallen.

Cleane Rezepturen
Etablierte Markenhersteller und Start-ups arbeiten mit Hochdruck an neuen Produkten. Auch neue Marken streben auf den Markt. So stellt beispielsweise die neue Marke Billie Green (InFamily Foods) ihr Clean-Label-Konzept in den Mittelpunkt der Kommunikationsmaßnahmen, um sich vom Wettbewerb abzuheben. „Der Fakt, dass unser komplettes Billie-Green-Sortiment frei von Zusatzstoffen ist, was so bislang einmalig im LEH ist, wird spürbar vom Verbraucher honoriert und auch in den sozialen Medien positiv kommentiert“, heißt es aus dem Unternehmen. Auf die ersten fünf Produkte, vegane Varianten für Salami und Bacon, werden im nächsten Jahr weitere folgen, kündigt der Hersteller an. Ein Bedienthekenkonzept werde aktuell nicht verfolgt, sei aber für die Zukunft denkbar.

Den Markt mitgestalten möchte auch The New Meat Company AG (TNMC), ein Plattformunternehmen für Protein-Alternativen. Zu dem Start-up gehören Planty of Meat, Hersteller von Fleischersatzprodukten aus Sonnenblumen-, Erbsen- und Weizenproteinen, und L’Herbivore, Produzent von selbst kreierten veganen Alternativen aus Seitan und Lupinen in Bio-Qualität.

Im Sommer 2022 übernahm TNMC eine frühere Wildmanufaktur in Dobbertin (Mecklenburg-Vorpommern). Die 600 Quadratmeter große ehemalige Metzgerei wird aktuell von L’Herbivore umgebaut. Künftig sollen aber auch weitere Unternehmen unter dem Dach von TNMC in Dobbertin produzieren. Teil des Standortes ist ein altes Schulgebäude. „Hier würden wir gerne Start-ups ansiedeln und in Kooperation mit Hochschulen einen Innovation-Hub aufbauen für die Forschung und Entwicklung veganer Lebensmittel und alternativer Proteine“, sagt Dr. Caroline Heil, CEO der TNMC. Gesunde, innovative Produkte anzubieten, die möglicherweise irgendwann auch Health-Claims tragen dürfen und gut für den Planeten sind, darin sieht die Managerin Potenzial. Damit verfolgt TNMC langfristig eine „Planetary Health Diet“. „Von den großen Konzernen ist dieser Ansatz noch nicht besetzt, hier liegt also auch eine Chance für uns“, so Heil.

Auch die vegane Pioniermarke Veganz aus Berlin verfolgt nach eigenen Angaben den Clean-Label-Ansatz, „um mit möglichst wenigen Inhalts- und Zusatzstoffen das höchste Geschmackserlebnis zu schaffen und dabei auch Themen der Biodiversität zu berücksichtigen“, sagt Moritz Möller, Chief Marketing Officer von Veganz.

Einen Umweg über die Spitzen-Gastronomie in den Lebensmittel-Einzelhandel macht das israelische Start-up Redefine Meat. Unter der Marke New Meat werden aktuell Burger-Pattys, Lamm-Flanksteak, Rinderfilets und weitere klassische Fleischzuschnitte als vegane Varianten im 3-D-Drucker hergestellt.

Trend: Aus dem 3-D-Drucker
Verwendet werden Soja- und Erbsenproteine, Kichererbsen, Rote Bete, Nährhefen und Kokosfett. „Unser Fokus ist im Moment im Foodservice, vor allem weil wir eine einzigartige Position haben wegen der Befürwortung von Sterneköchen“, erklärt Edwin Bark, Senior Vice President and General Manager EMEA bei Redefine Meat.

Ende 2023 soll ein Portfolio von Produkten im Einzelhandel eingeführt werden. „Wir glauben stark daran, dass eine Integration im Fleischregal und in Bedienungstheken Sinn macht, weil die Fleischliebhaber unsere Zielgruppe sind“, erklärt Bark. Preislich sei Qualitätsfleisch die Benchmark. 

Die Frage des Geldes
Dass sich der Bereich der alternativen Proteine in den vergangenen Jahren so dynamisch entwickeln konnte, liegt vor allem an hohen Investments. Aktuell reagieren Investoren jedoch verhaltener. Ein Problem für den Veggie-Markt? „Die aktuelle wirtschaftliche Lage führt dazu, dass Venture-Capital-Fonds wieder konservativer agieren. Dies wird die Entwicklungsdynamik verlangsamen“, meint TNMC-Chefin Heil.In der Biotechnologie seien in den nächsten fünf bis zehn Jahren bei vielen jungen Unternehmen keine Gewinne zu erwarten, dieser Bereich werde es schwerer haben. „Dennoch beobachte ich, dass innovative Konzepte auf Basis von Fermentation und Pilzen durchaus noch Kapitalgeber gewinnen – hier bleibt die Entwicklung also zum Glück nicht stehen“, sagt Heil.

Auch Veganz wird nicht bange. Klima- und Umweltschutz bleiben nach Einschätzung von Moritz Mölle weiterhin ein starker Treiber der Konsumenten-Entscheidungen, insbesondere der jüngeren Generation, „und damit letztendlich auch der Produktinnovationen und Investorenentscheidungen, auch wenn andere Themen in Krisenzeiten naturgemäß zeitweise stärker im Fokus stehen.“