Rüschens Kolumne Braucht der Handel noch einen Handzettel ?

Keinen sofortigen kompletten Verzicht, sondern einen überlegten Ausstieg aus den gedruckten Handzetteln, das hält Stephan Rüschen für sinnvoll.

Montag, 10. Oktober 2022 - Management
Stephan Rüschen
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Bildquelle: Heidrun Mittler

Die Rewe hat angekündigt, zum 1. Juli des nächsten Jahres den Druck des Handzettels einzustellen. Alnatura verzichtet sogar seit einigen Monaten fast komplett auf Aktionspreise und damit auf den Handzettel, Müller Drogerie hat ebenfalls den Druck des Handzettels überraschend eingestellt (bewirbt jetzt aber wieder Aktionen online), und auch Obi kommt seit Juni 2022 ohne Handzettel aus.

Eine mutige Entscheidung von Rewe & Co., denn viele Fachleute glauben, dass ein Händler den fehlenden Werbedruck durch den Handzettel nicht durch digitale Medien oder andere Maßnahmen vollständig kompensieren kann.

„Es ist einfach zu früh“ – diese Aussage fasst die herrschende Meinung zusammen. Viele Befragungen und Analysen zeigen, dass ein Mix aus intensiver, personalisierter digitaler Werbung und Massen-Printwerbung den optimalen Erfolg einer werbegetriebenen Preispolitik darzustellen scheint. Werden Rewe & Co. also scheitern?
Das ist tatsächlich zu befürchten. Aber im Sinne der Nachhaltigkeit ist es zu begrüßen, wenn diejenigen Millionen von Handzetteln nicht mehr gedruckt werden, die direkt im Papierkorb landen. Der Reduktion der Werbekosten würde es auch helfen. Daher wäre es wünschenswert, wenn weitere Händler diesem Beispiel folgen und der Handel im Gleichschritt aus der Printwerbung weitestgehend aussteigt.

Die Politik könnte nun steuernd eingreifen, indem zum Beispiel das niederländische Opt-in-System eingeführt wird. Beim Opt-in müssen die Verbraucher aktiv einen Aufkleber auf dem Briefkasten anbringen, der ausdrücklich den Einwurf von Wurfsendungen erlaubt. In Deutschland haben wir hingegen das Opt-out-System, also den Aufkleber „keine Werbung“ am Briefkasten.

Runder Tisch sinnvoll
Außerdem könnte ein runder Tisch – moderiert von der Politik – gebildet werden, an dem alle Beteiligten sich darauf verständigen, im Gleichschritt sukzessive aus der Printwerbung auszusteigen oder diese zumindest zu reduzieren. Die Verbraucher wären nicht die Geschädigten, denn über vielfältige digitale Medien kann man bereits die Angebote der Händler miteinander vergleichen. Das mag der Einzelne als unbequem empfinden.

Aber Nachhaltigkeit führt zu Veränderungen und wird Wohlstand und Bequemlichkeit kosten, auch das ist eine unbequeme Wahrheit.

Prof. Dr. Stephan Rüschen, Professor für Lebensmittelhandel, Duale Hochschule Baden-Württemberg Heilbronn