Insolvenzrecht Eine Frage der Zeit

Um die Wirtschaft vor dem Crash zu bewahren, wird die Insolvenzantragspflicht bis 30. April ausgesetzt. Anwalt Robert Buchalik (Foto) sagt, dass dies ein Fehler sei.

Freitag, 26. Februar 2021 - Management
Jens Hertling
Artikelbild Eine Frage der Zeit
Bildquelle: Buchalik Brömmekamp Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Wie schätzen Sie die Situation bezüglich Unternehmenspleiten ein?
Robert Buchalik: Es ist davon auszugehen, dass derzeit viele Unternehmensinsolvenzen massiv verschleppt werden. Das gilt insbesondere für die Gastronomie, Hotelbranche, Handel – soweit nicht Lebensmitteleinzelhandel und signifikanter Handelsumsatz mit Online-Geschäften – und Eventdienstleister. Zwar halten sich viele Unternehmen mit Corona-Hilfen über Wasser, die sind aber entweder noch nicht geflossen oder nicht geeignet, um Insolvenzantragspflichten abzuwenden. Auch ist ein Ende der Pandemie nicht absehbar. Umsatzeinbrüche wird es noch längere Zeit geben. Irgendwann geben dann viele der betroffenen Unternehmen auf und stellen einen Insolvenzantrag. Wurde die Insolvenz zuvor nachweisbar verschleppt – und das werden Insolvenzverwalter in vielen Fällen nachweisen können – drohen erhebliche zivil- und sogar strafrechtliche Haftungsrisiken für die Geschäftsführer, Vorstände oder Einzelkaufleute.

Wie erfolgreich ist das Covid-19-Aussetzungsgesetz?
Ob es wirklich erfolgreich ist, wird sich zeigen. Im Moment trägt es in erheblichem Umfang zur Insolvenzverschleppung bei. Auch wähnen sich viele Unternehmen in einer Scheinsicherheit. Sie stützen sich auf das Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetz, das im Übrigen in kurzen Abständen immer wieder Änderungen erfährt, ohne dass die Anwendungsvoraussetzungen im Einzelfall vorliegen.

Was heißt das genau?
Es ist davon auszugehen, dass bei vielen Unternehmen nicht alle Voraussetzungen vorliegen und nicht einmal bekannt sind. Kommt es dann doch zu einem Insolvenzverfahren, wird das böse Erwachen folgen. Nicht zuletzt motiviert das Insolvenzaussetzungsgesetz auch deshalb, die Insolvenz zu verschleppen, weil es die Corona-Hilfen nur gibt, wenn sich das Unternehmen noch nicht in einem Insolvenzverfahren befindet.

Die Insolvenzantragspflicht wird jetzt bis zum 30. April ausgesetzt. Wird dadurch der Markt entlastet?
Das Gesetz ist mittlerweile in Kraft, wird aber eher zur Insolvenzverschleppungshaftung beitragen als helfen. Die Aussetzung wird das Risiko für die betroffenen Geschäftsleiter erhöhen, weil sie sich in einer Scheinsicherheit wähnen, die nicht existent ist. Im Übrigen trägt der Gesetzgeber mit der Einführung des neuen § 15b in die Insolvenzordnung, ebenfalls am 1.1.2021 in Kraft getreten, zur Haftungsverschärfung bei.

Welche Bedingungen sind an die Antragsaussetzungspflicht geknüpft?
Auf die Aussetzung kann man sich nur berufen, wenn

  • das Unternehmen am 31.12.2019 noch nicht zahlungsunfähig war;
  • die Insolvenzreife Folge der Covid-19-Pandemie war;
  • das Unternehmen staatliche Hilfen bis zum 28.2.2021 beantragt hat (Ausnahmen möglich);
  • positive Aussichten auf Erlangung der Hilfeleistung bestehen;
  • die Insolvenzreife mit Auszahlung der Hilfeleistung beseitigt wird.

Was wäre eine bessere Lösung?
Viel besser wäre es, wenn man ein Insolvenzverfahren light ermöglicht und auch während dieses Verfahrens Corona-Hilfen gewährt. Damit würden weitere Instrumente zur Rettung des Unternehmens genutzt werden können (z. B. Insolvenzgeld, Eingriff in bestehende Verträge etc.). Vor allem würden die am Ende existenzvernichtenden Haftungsrisiken für die betroffenen Geschäftsleiter entfallen.

In welchen Branchen treten die meisten Insolvenzen auf?
Derzeit lassen sich noch keine Schwerpunkte erkennen, weil das aktuelle Insolvenzgeschehen wegen der Corona-Hilfen und der massiven Verschleppung rückläufig ist. Heute ist nach wie vor nicht planbar, wie sich die nächsten Wochen entwickeln.