Karneval Brauchtum auf Sparflamme

Karneval, Fasching, Fastnacht – die fünfte Jahreszeit muss in diesem Jahr pausieren. Wie gehen die Händler in Karnevalshochburgen und närrischen Regionen damit um? Die LP hat sich umgehört.

Freitag, 12. Februar 2021 - Management
Hedda Thielking
Artikelbild Brauchtum auf Sparflamme
Bildquelle: Jean-Marc Lheritier

Normalerweise laufen in diesen Tagen zahlreiche Karnevalisten und Jecken zur Hochform auf. Auf den letzten Drücker kaufen sie Kostüme, Accessoires und decken sich mit „fester und flüssiger Nahrung“ ein. Im vergangenen Jahr meldete der Handelsverband Deutschland (HDE) einen Mehrumsatz mit Karnevalsartikeln im Non-Food-Bereich von 360 Millionen Euro. Davon kann der Handel in diesem Jahr nur träumen. Auch der LEH muss in vielen närrischen Regionen umdenken. Wie sieht es mit dem Sortiment und Verkaufsaktionen in den Märkten aus? Die LP hat bei Händlern nachgefragt.

Sortiment heruntergefahren
Im Globus Köln-Marsdorf möchte man auch in diesem Jahr trotz der aktuellen Lage nicht komplett auf den Verkauf von Karnevalsartikeln verzichten. „Jedoch wird die Sortimentsgestaltung geringer als im Vorjahr ausfallen“, berichtet Uwe Herrmann, Geschäftsleiter im Globus Köln-Marsdorf. Das SB-Warenhaus setzt den Fokus auf Deko-Artikel für zu Hause. „Auch für Verkleidungswillige wird es eine kleine Auswahl an Kostümen im Globus Köln-Marsdorf geben. Diese machen rund 20 Prozent des Kostümanteils zum Vorjahr aus. Der kleine Restbestand aus dem vergangenen Jahr ist bereits fast vollständig aufgebraucht. Auf Aktionen zu Karneval muss man jedoch verzichten“, informiert Uwe Herrmann.

Weniger Aktionen
Auch die befragten selbstständigen Händler in den Karnevalshochburgen fahren Aktionen stark herunter. Klassische Karnevalsartikel im Non-Food-Bereich wie Kostüme usw. führen Peter und Lutz Richrath in ihren 15 Märkten im Rhein-Erft-Kreis und in Köln ohnehin nicht. „Das können die bekannten Karnevalshäuser viel besser als wir“, ist Peter Richrath überzeugt. Aktionsflächen und Zweitplatzierungen für Spirituosen, Snacks, Frikadellen usw. sowie Verkaufsstände, an denen in einer Woche 7.000 bis 8.000 Berliner einer Großbäckerei verkauft werden, gibt es trotzdem, alles ein bisschen weniger und in deutlich kleineren Gebindegrößen. „Da ja nicht in Gruppen gefeiert werden darf, fallen z. B. die Bierfässer kleiner aus, z. B. 5 Liter statt 10 Liter und mehr. Wir fordern auch unsere Kunden nicht zum gemeinsamen Feiern auf, eher: Machen Sie es sich gemütlich. Alles in allem mag unser Handeln widersprüchlich aussehen, aber es gab immer Karnevalsverrückte und -verweigerer, die in Urlaub fuhren, und auch das entfällt ja“, sagt Peter Richrath.

Benedikt Sütterlin, Geschäftsführer des Hit Sütterlin in Aachen, wurde von Brauereien, Spirituosenherstellern usw. für Bestellungen zu Karneval erst gar nicht kontaktiert. „Aktionsflächen mit 6er-Boxen Berlinern fahren wir komplett herunter, damit wir die Kunden nicht zum Zusammensein animieren“, informiert Benedikt Sütterlin. Im Januar hatte er kurz überlegt, allen kostümierten Kindern, die Rosenmontag in den Markt kommen, eine Karnevalstüte mit Süßigkeiten zu schenken – als kleine Entschädigung für die entgangenen Kamellen (Wurfmaterial bei Karnevalszügen). Um Menschenaufläufe im Markt zu vermeiden, entschied er sich aber dagegen. Die Umsatzeinbußen an Karneval belaufen sich laut Sütterlin in diesem Jahr auf maximal 10.000 Euro.

Sein Kollege Jörg Pütz, Geschäftsführer des Hit-Marktes in Bad Honnef, bietet normalerweise ein breites Karnevalssortiment: von Kostümen, Accessoires über Partyfässer, Wurfmaterial, Knabberartikel bis hin zum großen Empfang der Tollitäten. Doch in diesem Jahr fährt Jörg Pütz, der privat ein begeisterter Karnevalist ist, alles auf null herunter. Schlummern denn noch Karnevalsartikel aus dem vergangenen Jahr im Lager? „Da es sich bei Karnevalskostümen und anderen Non-Food-Artikeln um ein Retourengeschäft handelt, verursachen sie keine Lagerbestände“, ist der Kaufmann froh. Insgesamt rechnet Jörg Pütz mit ein paar Tausend Euro weniger Umsatz von Karnevalsartikeln im Food- und Non-Food-Bereich.

Sozial engagiert
Um trotzdem ein wenig Karnevalsstimmung aufkommen zu lassen und gleichzeitig etwas Gutes für Mitbürger zu tun, hatte der Karnevals- und Theaterverein Blau-Weiß Ehrang folgende Idee: „Im Januar und Februar bieten wir vor allem älteren Menschen an fünf Samstagen ehrenamtlich einen Lieferservice mit Rewe Familie Pojanow in Trier-Ehrang an – zusätzlich zu zwei bestehenden Liefertagen in der Woche“, informiert der 2. Vereinsvorsitzende Dennis ‧Labarbe. Die Kunden können die ‧Bestellungen beim Online-Lieferservice des Rewe Pojanow oder direkt beim Karnevalsverein aufgeben. „Am Samstagmorgen schlüpfen zwei Vereinsmitglieder – ob Gardemädchen oder Mitglieder des Elferrates – in ihr Kostüm und stellen im Markt die Einkäufe zusammen“, berichtet Wladimir Pojanow. „Die Ware liefern jeweils zwei weitere Jecken morgens und nachmittags mit meinem Lieferwagen bis vor die Haustür – natürlich ebenfalls kostümiert, begleitet von flotter Karnevalsmusik und unter Einhaltung der Hygienevorschriften.“ Die Lieferpauschale von 5 Euro spendet Wladimir Pojanow, der den Verein schon seit ein paar Jahren unterstützt, ebenfalls dem Karnevalsverein. Publik gemacht wird die ‧Aktion mit Flyern und Werbemitteln im Markt.

Eine ähnliche Kooperation pflegen Edeka Fitterer in Baden-Baden, der Karnevalsverein BG Haimbach und die AWO. Auch hier übernehmen Vereinsmitglieder seit April 2020 für Menschen, die einer Risikogruppe angehören, zwei- bis dreimal wöchentlich einen kostenlosen Einkaufsservice. Mitglieder der BG Haimbach nehmen die Bestellungen der Kunden telefonisch auf und liefern sie am Folgetag mit ihren eigenen Pkw aus. Sven Fitterer spendet dem Verein dafür 10 Prozent des Warenwertes. „Pro Woche kommen etwa 15 bis 20 Bestellungen mit einem Durchschnittsbon von 60 Euro zusammen“, so Sven Fitterer.