Während sich viele Lebensmittelhersteller darum bemühen, die Generationen X und Y als Kunden zu gewinnen, hat es manchmal den Anschein, als würde die große Gruppe der Babyboomer aus den Augen verloren. Dabei schlummert hier ein enormes Potenzial. Seit 2005 ist der Anteil der über 50-Jährigen in der Bevölkerung von 38 Prozent auf 47 Prozent gestiegen. Es wird geschätzt, dass im Jahr 2035 etwa die Hälfte der Deutschen über 50 Jahre alt sein wird, jeder Dritte 60 Jahre und älter. Und die frühen Babyboomer-Jahrgänge 1946 bis 1964 sind heute oft genauso aktiv, internetaffin und konsumorientiert wie die nachfolgende Generation.
Bezeichnet als Best Ager, Silver Shopper oder Babyboomer lässt sich diese Zielgruppe nicht über einen Kamm scheren – auch wenn es das Produktmarketing deutlich vereinfachen würde. Der Marktpsychologe Till Bösenberg spricht gerne von „Preisbewussten Häuslichen“, die sehr preissensibel sind, den „Anspruchsvollen Genießern“, die eine hohe Markentreue haben und den „Komfortorientierten Individualisten“ mit einer hohen Qualitätserwartung. Insofern gebe es nicht die eine Ansprache und den einen Kanal, sondern unterschiedliche, je nach Produkt und Marke.
Bedürfnisse ändern sich
Was jedoch alle älteren Konsumenten eint, ist eine Veränderung der Bedürfnisse und der biologischen Voraussetzungen. „Hören, sehen, fühlen, schmecken – alles verändert sich, ganz natürlich“, sagt Bösenberg. Farben werden anders wahrgenommen, Inhalte nicht so schnell verarbeitet. Dies sollten Hersteller bei der Kommunikation auf Verpackungen und der Bedienbarkeit von Geräten berücksichtigen.
Die Qualität von Produkten, die Glaubwürdigkeit der Marke und die Transparenz, was Herstellung und Zutatenliste betrifft, haben für diese Zielgruppe einen extrem hohen Stellenwert. Sie legt Wert auf Ästhetik und schätzen gutes Handwerk.
Was bei jüngeren Konsumenten häufig noch aus einem Gefühl heraus entschieden wird, beruht bei älteren Konsumenten auf vielfältigen Erfahrungen, so der Psychologe. Und entscheidend für die Unternehmen gilt: Diese Zielgruppe hat auch die Kaufkraft, sich im Zweifel für das bessere Produkt zu entscheiden. Insofern sind authentische Produktkonzepte immer erfolgversprechender als das Bedienen kurzfristiger Trends.
Corona-Krise als Wendepunkt?
Seit Beginn der Covid-19-Pandemie richtet sich der Fokus auf die ältere Generation. Plötzlich wird überlegt, wie man Risikogruppen und ältere Menschen schützt und mit passenden Angeboten anspricht. Supermärkte richten spezielle Einkaufszeiten oder Lieferservices für Senioren ein. Doch viele dieser vermeintlich „Alten und Schwachen“ sind weniger hilfsbedürftig als die Gesellschaft erwartet, erklärt Trendforscherin Theresa Schleicher gegenüber dem Zukunftsinstitut. Diese Generationen treiben Themen wie Fitness und Gesundheit um, ihnen sind Werte wie Familienzugehörigkeit und die Sinnhaftigkeit des eigenen Lebens wichtig. Somit würden sich Konzepte, die sich an den Interessen und Werten dieser älteren Lebensstile orientieren, einen neuen, zeitgeistigen, generationenübergreifenden und zukunftsorientierten Markt eröffnen.
Etablierte Marken sind zum Teil mit ihren Zielgruppen älter geworden. Das bedeutet, dass diese Marken in der Regel ihre Stammzielgruppe sehr gut kennen. Im Umkehrschluss haben sich einige Marken aber in den letzten Jahren kaum verändert und an veränderte Marktgegebenheiten angepasst, erklärt der Marktpsychologe Till Bösenberg. Das berge ein Risiko, weil Seh- und Konsumgewohnheiten auch bei den Best Agern stetig im Wandel seien. Sein Tipp: Eine Marke sollte turnusmäßig überprüfen, ob sie die Bedürfnisse der Kernzielgruppe noch bedient.
Best Ager erreichen, ohne die junge Generation zu verlieren?
Ja, das können Marken. Wer eine ältere Kundschaft ansprechen möchte, sollte die Qualität und die Hochwertigkeit des Produktes über die Verpackung kommunizieren. Für das Verpackungsdesign heißt das: Stellen Sie über Bildwelten, entsprechende Typografien, reduziertes Design und Rückversicherungen wie Qualitätssiegel die Produktqualität in den Vordergrund, rät Bösenberg. So könnten Marken hochwertige Erzeugnisse anbieten und diese Vorteile authentisch, klar und aufmerksamkeitsstark kommunizieren.
Und genau das ist es, was auch bei den jüngeren Verbrauchern im Trend liegt. Entscheidend ist es, nicht trendgetrieben zu reagieren, sondern sich immer wieder auf die eigene Markenstory zu besinnen. Dann binden Sie die Best Ager und können die jüngeren Generationen dazugewinnen.