Transfair „Wir können mit dem fairen Handel nicht alles verändern“

Die Fairtrade-Zertifizierung fokussiert auf soziale Verbesserungen für die Produzenten des globalen Südens. Über die Beziehung zwischen Gesetzgebung und freiwilligem Standard sprach die LP mit Claudia Brück aus dem Vorstand von Transfair e. V.

Freitag, 25. September 2020 - Management
Bettina Röttig
Artikelbild „Wir können mit dem fairen Handel nicht alles verändern“
Bildquelle: Transfair e. V.

Frau Brück, inwiefern ist die Fairtrade-Zertifizierung Teil der Lösung, um als Unternehmen die Forderungen eines Lieferkettengesetzes zu erfüllen? Wo sind Grenzen des Standards?
Claudia Brück: Wir spielen aktuell mit unseren Partnerunternehmen durch, inwieweit eine Fairtrade-zertifizierte Lieferkette jetzt schon den möglichen Anforderungen entspricht und was das entsprechende Unternehmen noch tun muss. Natürlich gibt es bei einer freiwilligen Zertifizierung Grenzen: Wir sind nicht Eigner der Ware und haben zum Beispiel keinen Standard für den Transport. Ab Lieferung der Ware an den Schiffscontainer im Hafen müssen andere Mechanismen greifen. Und: Fairtrade ist kein Unternehmenssiegel, die Standards gelten für spezifische Produkt-Lieferketten, manche Aspekte müssen auf Unternehmensebene unternommen werden, hier muss dann das Lieferkettengesetz greifen.

Wo stoßen Sie an gesetzliche Grenzen in den Ländern?
Sprechen wir von dem Ziel der Geschlechtergerechtigkeit, so wurde unser Konzept der „Women School of Leader- ship“, zunächst in der Elfenbeinküste gestartet, nun weltweit übernommen. Hier passiert sehr viel. Die Problematik, dass Frauen oft vom Landerbe ausgenommen sind und ihnen damit die Teilhabe verwehrt wird, besteht weiterhin in vielen Ländern des Südens. Wir können mit dem fairen Handel nicht alles verändern, es braucht auch gesetzliche Rahmenbedingungen.

Was fordern Sie von einem Lieferkettengesetz?
Das Gesetz muss so formuliert werden, dass Unternehmen nicht nur noch mit großen, leicht zugänglichen Plantagen mit guten Nachhaltigkeitssystem zusammenarbeiten, sondern auch weiter entlegene Kleinbauernkooperativen davon profitieren. Wenn ich Kinderarbeit verhindern möchte, müssen die Erwachsenen genug verdienen. In der Diskussion um das Gesetz ist die Frage der existenzsichernden Löhne, soweit wir das bisher verfolgen konnten, nicht gestellt.

Wo muss der Fairtrade-Standard noch nachbessern?
Die Fairtrade-Standards sind nie in Stein gemeißelt, sie werden ständig nach neuen Erkenntnissen optimiert. Allein im vergangenen Jahr wurden 23 Standards überarbeitet, darunter der Kleinbauern-Standard. Hier wurden die Kriterien zu zwei Drittel angepasst, verschärft, klarer formuliert. Woran wir verstärkt arbeiten: Die Frage des Preises muss stärker in den Mittelpunkt rücken. Wir haben jetzt den Fairtrade-Mindestpreis und die Fairtrade-Prämie, wir arbeiten in Projekten mit Unternehmen an existenzsichernden Einkommen, aber am Ziel sind wir noch nicht. Der logische nächste Schritt wird sein, daran zu arbeiten, wie wir die Frage von planetarischen Grenzen und Umweltthemen einpreisen können. Auch hier leisten wir Pionierarbeit und stoßen an strukturelle Grenzen: Der ganze Sektor muss sich bewegen. Wenn die Schere zu groß ist zwischen dem, was man sich als guten Standard vorstellt, und dem, wie die Branche arbeitet, dann bleibt man in einer winzigen Nische und hat keine Schlagkraft.