Corona Öffnen um jeden Preis?

Die Gastronomie hat einen festen Platz im Handel. Seit Ende März durfte auch in den Restaurants und Cafés der Supermärkte kein Gast mehr Platz nehmen. Wie Händler die Herausforderungen meistern.

Mittwoch, 27. Mai 2020 - Management
Bettina Röttig
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Bildquelle: Stan B / Unsplash

Lebensmittelhändler haben in den vergangenen Jahren verstärkt in neue gastronomische Konzepte investiert. Bistros, Cafés und sogar Gourmetrestaurants steuern einen guten Teil zum erwünschten Erlebniseinkauf sowie zum Umsatz eines Marktes bei und machen den Händler in der Mittagspause und nach Feierabend zum Rundum-Versorger für Angestellte der Büros und Firmen im Umkreis.

Hat Corona die Gastgeber-Rolle des Handels erst einmal auf Eis gelegt, kam nach und nach wieder Bewegung in die Küchen. Die Umstellung auf ein reines Mitnahme- oder gar Liefergeschäft war ein logischer Schritt, der jedoch erst einmal organisiert werden musste. Reduzierte Speisekarten, Kommunikation über Social Media und einfache Bestellwege haben die Konzepte gemein.

Dabei werden auch ganz neue Wege beschritten: So hat Hiebers Frische Center neben dem Angebot frisch gekochter Speisen zum Mitnehmen in einigen der 14 eigenen Märkte einen Gourmet-Lieferdienst am Standort Lörrach gestartet. Auf www.hieberliefertpizza.de finden Hungrige frisch zubereitete Speisen wie Pizza, Burger, Sushi, Hähnchen, zudem Desserts, Kuchen sowie ein kleines „Tankstellenangebot“ mit Snacks, Getränken und Zigaretten.

Nicht immer rechnet sich der Betrieb, doch die Händler wollen mit den Konzepten auch wichtige Signale in Richtung Mitarbeiter und Kunden senden.

Für die Kaufleute Peter und Lutz Richrath, Inhaber von 15 Rewe-Märkten, sind gastronomische Konzepte heute ein wichtiger Bestandteil des Lebensmittelhandels. In ihrem Standort in den Kölner Opernpassagen bieten die Brüder unter anderem das in Eigenregie betriebene Bistro „Richrath’s Mahlzeit“ mit rund 100 Sitzplätzen und einer Fleischbar, an der sich Kunden ihre Mahlzeit individuell zusammenstellen können. Wurde der Betrieb infolge des Gastro-Lockdowns Mitte März zunächst auf „To-go“ umgestellt, änderten sich mit Schließung der meisten Geschäfte ab dem 23. März die Rahmenbedingungen. „Die Kundenfrequenz ging in der Kölner Innenstadt von jetzt auf gleich so drastisch zurück, dass der Betrieb des Restaurants mit reinem To-go-Angebot nicht mehr rentabel war“, erklärt Peter Richrath.

Erfolgreich weiterbetrieben wurde der Imbiss im Eingang des Marktes – ohne die sonst üblichen Stehtische und mit den geforderten Maßnahmen zur Einhaltung der Abstandsregeln. Seit der ersten Öffnungswelle des Handels am 20. April können Kunden nun wieder bei „Richrath’s Mahlzeit“ eine reduzierte Auswahl an Speisen bestellen und mitnehmen. Auch wenn der große Ansturm fehlt, rechnet sich der Aufwand aktuell „einigermaßen“.

Für Globus war die gesetzliche Vorgabe die Gastronomie zu schließen, „eine Herausforderung der besonderen Art“, erklärt Michael Christmann, Leiter Gastronomie Globus SB-Warenhaus. „Da wir täglich in unseren Globus-Gastronomien über 65.000 Gäste bedienen und wir für diesen Kundenstrom einen hohen Lagerbestand an Rohstoffen für die Speisenherstellung und die Getränke haben, mussten unsere Mitarbeiter schnell und kaufmännisch handeln.“ Jede Globus-Gastronomie verfügt auch über einen Gastronomiegrill. Dort werden nun Bratwurst sowie regionale und lokale Mittagsgerichte zum Mitnehmen angeboten. Betriebswirtschaftlich rechne sich diese Minimal-Lösung nicht, jedoch habe man eine Verantwortung gegenüber den Kunden. „Die Globus-Gastronomie lebt von unseren Stammgästen, die auch unser Restaurant als ihr Wohnzimmer sehen. Für diese Gästegruppe ist es ein besonderer Einschnitt in ihre Lebensqualität, die man nicht mit Zahlen beziffern kann“, weiß Christmann.

Neue Realität
Seit 11. Mai haben erste Bundesländer Restaurants und Cafés erlaubt, wieder zu öffnen. Abstandsregeln und Kontaktbeschränkungen machen das Hochfahren der Gastronomie jedoch zu einer Herausforderung. Auch im Supermarkt. So durften Kunden über Facebook und Instagram live dabei sein, wie mit dem Zollstock im Anschlag Gasträume nach Abstandsregeln umgestaltet wurden oder Servicekräfte mit Mundschutz durch die über Wochen geschlossenen Bereiche tanzten.
Leichtigkeit und gute Laune wurden verbreitet, denn viele Verbraucher scheuen noch den Restaurantbesuch nach strengen Regeln. Die Maßnahmen sollen Gäste und Service-Kräfte schützen, bedeuten jedoch auch höhere Kosten für Personal und besondere Hygienemaßnahmen bei zugleich reduzierten Sitzplätzen. In den nächsten Wochen wird sich zeigen, ob es sich lohnt, Gäste wieder Platz nehmen zu lassen.

Rewe-Kaufmann Peter Richrath ist diesbezüglich skeptisch. Er müsse „nicht unbedingt zu den ersten gehören, die neue Konzepte testen“, sagt er. Vor dem Hintergrund zusätzlicher Kosten für Bedienung und Einlasskontrollen sei es fraglich, was überhaupt unternehmerisch tragbar sei und ob eine Wiederöffnung mit mehr Ärger als Nutzen verbunden sei. „Die Menschen lassen sich nicht gerne bevormunden“, weiß Richrath. Die Umsetzung der Vorgaben könne man nur schwer kontrollieren, auch führe die extreme Beschneidung des Gesetzgebers zu einem nicht unerheblichen Verlust des Genusses, und der Freude, meint er.

Der Genuss von Wein und Bier während des Essens oder nach der getanen Arbeit mache Gästen keinen Spaß, „wenn das Ordnungsamt theoretisch danebensteht, und mit Ordnungsverfügungen droht und in dem Falle, wenn sich ein Gast nicht daranhält, auch gegen uns vollzogen wird“, sagt Richrath.

Derweil öffnet Globus nach und nach die Gastronomie-Bereiche seiner Märkte. Nicht nur die Fristen für die Wiedereröffnung von Speiselokalen differieren je nach Bundesland, sondern auch die Bedingungen. Etwa in Bezug auf die Erfassung der Kontaktdaten, die maximal erlaubte Anzahl der Gäste pro Tisch oder Gastraum oder die Erlaubnis von Selbstbedienungsbuffets.

Worauf gilt es zu achten?
Der Grosshandelsverband Foodservice e. V. empfiehlt u. a. folgende Maßnahmen für Restaurants, Cafés und Imbisse.

Hygieneanforderungen für Flächen mit Publikumsverkehr

  • Desinfektionsspender am Eingang sowie beim Zugang zu den Toiletten
  • Dokumentierte und häufigere Desinfektion der Toilettenräumlichkeiten (z. B. alle 30 Minuten)
  • Verpflichtendes Tragen von Mund-Nasen-Schutz des Servicepersonals
  • Kein Körperkontakt, kein Händeschütteln, kein Schulterklopfen zwischen Gast und Service. Im Abstand von mindestens 1,5 Metern kommunizieren

Kontaktnachverfolgung

  • Auslegung tagesaktueller Namensliste inklusive Kontaktinformationen sowie Ankunfts- und Verlassenszeit der Restauration
  • Begrüßung der Gäste an einem Empfangscounter, Sitzplatzzuweisung

Abstandsregelungen

  • Errichtung Warteschlange vor Restaurant mit gekennzeichneten Abstandsflächen von mindestens 1,5 Metern sowie Abstandsregelung beim Toilettenbesuch
  • Abstand mindestens 1,5 Meter (Tischaußenkanten)

Gäste- und Zugangsbeschränkungen

  • Es dürfen zwei Haushalte an einem Tisch Platz nehmen
  • Zwischen den Mitgliedern der beiden Haushalte muss der Mindestabstand von 1,5 Metern gewährleistet sein