Es ist die Stunde des E-Commerce und der Lieferdienste: Im Zuge der Corona-Krise bestellen deutsche Verbraucher Lebensmittel und Drogerieartikel häufiger nach Hause. Nicht nur Amazon und Co. profitieren, auch selbstständige Lebensmittelhändler wagen neue Schritte, denn die Krise offenbart Chancen.
Ein entscheidender Knackpunkt für die Akzeptanz des Online-Handels mit Lebensmitteln und Drogerieartikeln war bisher die letzte Meile, also die Lieferung an die Haustür – möglichst am gleichen Tag der Bestellung und innerhalb eines sehr kleinen Lieferfensters. Aktuell hat sich dieses Problem jedoch vorerst beinahe in Luft aufgelöst. Denn:
1. Kunden sind vorwiegend zu Hause und können nahezu jederzeit bestellte Ware entgegennehmen.
2. Das Abstellen von Paketen wird stärker akzeptiert. Dass Pakete zum Teil ohne persönlichen Kontakt vor der Wohnungstür platziert werden, finden 80 Prozent der Verbraucher in Ordnung, ergab eine aktuelle Umfrage von You-Gov im Auftrag der Shopping- und Vergleichsplattform Idealo. Die Angst vor Ansteckung durch die persönliche Annahme ist wohl größer als die vor Langfingern.
3. Die Bundesbürger sind sehr viel verständnisvoller geworden. Acht von zehn Deutschen fänden Verzögerungen bei der Lieferung von Waren verzeihlich, ergab die YouGov-Befragung.
Kreative Partnersuche
Man könnte also sagen: Nie war die Zeit besser, um eigene E-Commerce- und Lieferdienst-Konzepte auszuprobieren und weiterzuentwickeln – auch und gerade für selbstständige Kaufleute. Auf der Suche nach praktischen Lösungen zeigt sich der Handel kreativ und solidarisch.
Um den eigenen Lieferservice effektiver zu machen, hat sich Edeka Wehrmann die Unterstützung einer Fahrschule gesichert. Die Fahrlehrer der Herforder Fahrschule „Du fährst“ liefern ehrenamtlich an Menschen, die selbst nicht einkaufen können. Edeka Karch in Waldalgesheim lässt telefonisch bestellte Ware ab sofort vom örtlichen Partyservice Schäfer ausliefern, während Edeka Reckelkamm (Wehrheim und Neu-Anspach) sich mit einem Taxi- und Kurierdienst zusammengeschlossen hat, um die Waren zu den Kunden bringen zu können.
Klar ist, die aktuellen Kooperationen und das ehrenamtliche Engagement dienen dazu, durch die Krise zu kommen. Ein wirtschaftlich tragbares E-Commerce- und Lieferdienst-Konzept wird nicht auf Basis der freiwilligen Hilfe entwickelt. Somit bleibt in dieser Situation eine Reihe von Fragen ungeklärt. Dennoch können genau jetzt Lösungen für Logistik bis Payment getestet werden, ohne zu sehr ins wirtschaftliche Risiko gehen zu müssen.
Revolutionäre Zusammenarbeit
An zukunftsfähigen Multichannel-Konzepten und einer Sofortlösung in der aktuellen Krise arbeitet die Initiative „Händler-helfen-Händlern“– branchen- und regionsübergreifend. „Genau jetzt ist die Chance, einen Wandel anzustoßen und das Geschäft strategisch neu auszurichten“, appelliert Marcus Diekmann, Mitinitiator der Pro-Bono-Initiative und CEO von Rose Bikes. Gerade Unternehmen des Lebensmittel-Einzelhandels dürften aktuell nicht den Fehler machen, mehr denn je ihr eigenes Süppchen zu kochen. „Verbraucher brauchen keine tausend verschiedenen Online-Supermärkte. Wenn jedes Unternehmen für sich eine eigene Lösung und Infrastruktur erarbeitet, geht uns zu viel Kraft verloren. Stattdessen sollten wir alle gemeinsam unsere Ressourcen, Kreativität und unser Know-how in einer Initiative bündeln. Zusammen können wir schnell neue Infrastrukturlösungen für einen zukunftsfähigen Multichannel-Handel erarbeiten und uns einer Amazonisierung entgegenstellen“, so Diekmann. Auch Rewe Digital und die LP sind bereits Partner (Infos: haendler-helfen-haendlern.com).